Ungeimpft: Wenn plötzlich eine wichtige Kraft ausfällt

Ist die Erde nun rund oder doch eine Scheibe? Kyrie Irving hat allen Ernstes darüber nachgedacht. Zu welchem Schluss er letztendlich kam, ist nicht überliefert. Aber alleine schon die Tatsache, dass er sich diese Frage stellte und dass er dies auch öffentlich tat, macht klar, dass er einfach anders sein will. Ein Querdenker. Ein Sturkopf vielleicht sogar. Auf jeden Fall will er nicht so sein wie viele: Nämlich vernünftig. Er liebt es, wider den Stachel zu löcken, um jeden Preis. Und so hat er entschieden, sich nicht impfen zu lassen.

Es ist jetzt auch in Italien die Stunde der Wahrheit gekommen. Der 15. Oktober ist ein einschneidendes Datum, das kontrovers diskutiert wird, was im Grunde ja in Ordnung ist. Meinungsfreiheit gehört zur Demokratie. Aber dazu gehört eben auch die Verantwortung für die Gesellschaft, die jeder einzelne einbringen sollte. Und dazu zählt in dieser problematischen Zeit, sich impfen zu lassen, um sich und die anderen zu schützen und ein Leben führen zu können in der von uns so gewohnten und geschätzten Normalität. Das ist schlicht Lebensqualität in diesem einen Leben, das wir haben. Wer jetzt nicht mitmacht, weil er anders sein will, muss die Konsequenzen seines Handels tragen. Eine schwierige Situation für den Arbeitgeber Für Kyrie Irving ist das zum Beispiel ein nicht unerheblicher Einkommensverlust. Der Staat New York, Heimat seines Arbeitgebers, der &bdquo;Brooklyn Nets“ einem der Favoriten für den Titel in dieser Saison in der NBA, hat ein Gesetz erlassen in dem steht, dass Hallensport nur geimpfte Personen ausüben dürfen. Irving ist der einzige Spieler seines Clubs, der sich der Impfung widersetzt. Weil er also nicht spielen kann, wird ihm pro Match, das er versäumt, ein Teil seines horrenden Gehaltes von 136.5 Millionen US-Dollar, das er für einen Vierjahresvertrag bekommt, abgezogen. Genau 400.000 US-Dollar pro Spiel, das er nicht mitmacht. Das freilich ist seine rein persönliche Sache. Er wird dennoch nicht am Hungertuch nagen. Allerdings widersetzt er sich mit seinem Impf-Boycott zum einen seiner gesellschaftlichen Verpflichtung und er schwächt sein Team, denn der Olympiasieger von Rio de Janeiro gehört natürlich zu den tragenden Kräften seiner Mannschaft. Es mag nicht vergleichbar sein mit so mancher Situation, die sich jetzt auch, in weitaus kleinerem Maßstab natürlich, mit der Pflicht eines Impfnachweises für Arbeitnehmer ergibt. Dennoch gibt es Parallelen, denn diejenigen, die immer noch glauben, sich nicht impfen lassen zu wollen, bringen damit ja auch, wie Irving, ihre Arbeitgeber in eine schwierige Situation. Plötzlich fällt eine wichtige Kraft im Betrieb aus. Am Schreibtisch, an der Werkbank, als Bedienung im Restaurant.

Kyrie Irving sorgt für Gesprächsstoff. © APA/getty / KEVORK DJANSEZIAN

Irving ist nicht zu ersetzen bei den Brooklyn Nets. Er könnte bei einem anderen Club spielen, bei dem es keine Impfpflicht gibt wie in New York oder San Franzisco. Aber dem hat sein Management einen Riegel vorgeschoben, weil es Irving ja zum einen nicht dafür belohnen will, dass er sich beständig weigert, sich impfen zu lassen und weil man ja auch nicht die Konkurrenz im gleichen Atemzug stärken will. Auf die Schnelle können etwa jetzt auch Betriebe, die mit knappem Personal auskommen müssen, um überhaupt über die Runden zu kommen, das impfstreikende Personal nicht ersetzen. Es ist bedauerlich, dass die Politik zu solch unpopulären Maßnahmen greifen muss, um die Gesellschaft im Ganzen zu schützen. Diejenigen, die meinen, sich nicht mit einer Impfung an der weiteren Ausbreitung von Covid-19 und den weiter auftauchenden Varianten beteiligen zu wollen, gefährden letztlich ja auch das Leben derer, die mitmachen. Das ist auf Dauer nicht zu tolerieren. Kyrie Irving kann jetzt seinen Basketball in den Korb vor seiner Garage werfen, damit er in Übung bleibt. Er kann um sich selbst herum dribbeln, bis er nicht mehr weiß, ob die Erde nun doch eine Scheibe ist oder nicht. Sein Club wird nicht nachgeben und kann das auch nicht tun. Wie sehr die Gesellschaft, im Sport und auch außerhalb aller Spielfelder, diese Zerreißprobe bewältigt, ist noch nicht absehbar.

Kyrie Irving könnte jetzt aber auch ein Held werden. Mein Held, wenn er das täte, was Millionen vor ihm schon unbeschadet getan haben: Sich impfen zu lassen. Vielleicht würden dann viele, die mit ihrer Weigerung nicht nur sich selbst schaden, sondern ihre Mitmenschen, dann umdenken. Überall. Allein mir fehlt der Glaube. Aber die Hoffnung, nein die Hoffnung habe ich dennoch nicht aufgegeben, dass sich doch noch alles zum Guten wendet, auch wenn ich allmählich müde werde, die Impfgegner in meinem Freundeskreis ständig von der guten Sache überzeugen zu müssen.

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