Das Ende der Sehnsucht

Die Sehnsucht ist ein eigenartiges Phänomen. Ein schmerzliches Verlangen, geprägt vom Wunsch nach Erfüllung. Es kann die Liebe sein, die einen schier verrückt macht und die Sehnsucht täglich befeuert. Es kann aber auch nur ein Ort sein, der vielleicht alle Voraussetzungen erfüllt, um dort mehr zu erleben, als am augenblicklichen Standort. Deshalb träumen wir von Südseestränden oder auch von Skiabfahrten im Puderschnee von Colorado. Das schier Unerreichbare ist eine prägende und ständig präsente Komponente in unserem Leben. Tiefe Seufzer bleiben nicht aus. Ach könnt ich nur… Zum Beispiel dort leben, wo es immer schön warm ist.

Barcelona wäre da eine Option. Mit den Olympischen Spielen 1992 hat sich die Stadt zum Meer hin geöffnet. Wo früher Industrieanlagen waren, gibt es jetzt Strandrestaurants, in die man sogar barfuß gehen kann. Das dazugehörige Essen stillt wirklich jede Sehnsucht nach Frische und mediterraner Glückseligkeit. In der Stadt locken stilvolle Bars mit Tapas, die pure Verführung sind und verschwenderisch in ihrer Vielfalt. Natürlich gehört der luftgetrocknete Serrano-Schinken dazu, der sich weich wie ein Flaum auf die Zunge legt. Barcelona hat die Kulinarik der Welt geprägt durch das &bdquo;elBulli“ von Ferran Adrià und seinen Stickstoff-Experimenten. Ein Besuch dieses Restaurants im Umfeld von Barcelona und direkt an der Küste gelegen, gehörte zu meinen Sehnsüchten (ich habe ja viele).

Doch immer, wenn ich wegen einer Sportveranstaltung in seine Nähe kam, war es ausgebucht. Jahre im Voraus übrigens. Jetzt hat es geschlossen, die Mauern stürzen ein. Diese Sehnsucht wurde nicht gestillt. Doch die Sehenswürdigkeiten von Barcelona helfen über diesen Schmerz hinweg. Ich war ein paar Mal in der katalanischen Metropole und erinnere mich noch immer besonders an die Schwimm-Weltmeisterschaften vor neun Jahren und meinen Arbeitsplatz als Eurosport-Kommentator beim Kunst- und Turmspringen. Die Sagrada Familia war ständig in meinem Blickfeld, denn die Anlage war auf dem Montjuic, einem der beiden Hausberge Barcelonas mit Parkanlangen, einem Mirò-Museum und natürlich einer Seilbahn. Robert Lewandowski mit seinem ehemaligen Teamkameraden Maxim Choupo-Moting. © APA/afp / PAU BARRENA

Antoni Gaudì hat nicht nur mit der Sagrada Familia die Stadt geprägt mit seinen revolutionären Werken, die stets einen Bezug zur Umwelt haben. Er gehörte der katalanischen Bewegung der Moderne an. In seiner Kirche, in der er auch in einer Gruft die letzte Ruhe gefunden hat, kann man, ohne sich zu bewegen, ständig neue Lichtspiele erkunden, weil die Anordnung der Dachfenster immer neue Perspektiven eröffnen. Es ist ein ruhiges, aber auch ein gewaltiges Erlebnis. Ich habe mir vorgenommen, die Sagrada Familia noch einmal zu besuchen, wenn sie fertig ist. Ich hoffe, dass die Handwerker ein wenig an Tempo zulegen. Keine Punkte im Camp Nou Ob ich auch ins Camp Nou gehe, steht hingegen noch nicht fest, auch wenn das Fußballstadion in Barcelona mit seinen 99.354 Plätzen als das größte, reine Fußballstadion Europas gilt und mit einer tollen Atmosphäre lockt. Und dazu gehört natürlich auch der FC Barcelona, schon immer auch ein Verein mit hohem Sehnsuchtspotential. Johan Cruyff spielte dort, ebenso Bernd Schuster und auch der brasilianische Superstar Ronaldo ließ sich einst vom großen Ruf verführen. Der deutsche Nationaltorhüter Marc-André ter Stegen wechselte schon vor sieben Jahren nach Spanien und zuletzt erfüllte sich der polnische Weltfußballer Robert Lewandowski seinen Traum.

Einmal im Leben noch der FC Barcelona. Nach acht Jahren in München gab es augenscheinlich keine andere Option für den 33-Jährigen. La Rambla statt Maximilianstraße. Barcelona war Sehnsucht pur für ihn. Doch der Zeitpunkt war nicht gut gewählt. Sein neuer Club ist jetzt in der Champions League ausgeschieden. Zum zweiten Mal in Folge. Die ehemalige Mannschaft von Lewandowski, der FC Bayern München, gewann im Camp Nou, das seit 2022 mit einem Sponsorennamen versehen wurde, mit 3:0 und ist Gruppensieger. Lewandowski, die personifizierte Tormaschine, ging leer aus und war nur ein Schatten früherer Tage. Raus aus der Königsklasse: Trainer Xavi, Marc Andrè ter Stegen und Robert Lewandowski. © ANSA / Enric Fontcuberta

Das schöne Trikot des FC Barcelona kleidet ihn zwar auch, doch die frühere Größe des FC Barcelona ist nicht mehr vorhanden, auch wenn andere Abteilungen wie die Basketballer, Handballer oder Hallenkicker stets zu den Besten in Europa gehören. Jetzt muss die Fußballabteilung des FC Barcelona um große Spieler werben. Die Realität, der Kampf ums schiere Überleben, hat die Sehnsucht zertrümmert, die diesem Club so manches Juwel beschert hat. Lewandowski war vielleicht einer der letzten Stars, die dem Mythos FC Barcelona noch einmal erlagen. Manchmal ist es vielleicht besser, der Sehnsucht nicht nachzugeben, denn oft lauern versteckt Enttäuschungen, die man sich besser erspart hätte. Robert Lewandowski spürt das jetzt deutlich. Jetzt schaut er voller Sehnsucht nach Norden, Richtung München. Starnberger See statt Mittelmeer. Wenigstens kann er sich damit trösten, dass er jetzt viel mehr Zeit als eingeplant hat, um eine der attraktivsten Städte der Welt näher kennenzulernen. Tipps dazu siehe oben.

Für die unverhoffte Freizeit, während seine ehemaligen Kollegen in der Champions-League spielen, empfehle ich zudem eine wunderbare Lektüre. Das &bdquo;Labyrinth der Lichter“, vom unvergleichlichen Carlos Ruiz. Es ist das letzte Buch seiner Reihe rund um den Friedhof der vergessenen Bücher, die mit &bdquo;Der Schatten des Windes“ begann, wobei das Ende der Geschichten von Ruiz oft unerwartet ist und manchmal mehr gefürchtet als herbeigesehnt wird. Es ist fast so wie das Gefühl, das man derzeit hat beim FC Barcelona.

Fußball

Italien

Internationale Ligen

International

Wintersport

Tennis

Weitere Sportarten

Motorsport

Radsport

Wassersport

Events

Favoriten

Das Ende der Sehnsucht

Empfehlungen

Kommentare (0)