Ein Klassiker als fade Brühe

Ob früher wirklich alles besser war als heute, sei mal dahingestellt. Jede Zeit hat ihren eigenen Rhythmus und ihre eigene Geschichte. Wir haben vielleicht jetzt das Gefühl, dass alles immer schneller und hektischer wird. Wir werden möglicherweise auch überrollt von den vielen Reizen, die über uns hereinbrechen. Im Sport vor allem jagt ein Großereignis das andere. Die Folge ist klar: Zum einen verlieren wir allmählich den Überblick und die sogenannten Höhepunkte werden nur noch als Randnotizen wahrgenommen. Sie schrumpfen zu belanglosen Nebengeräuschen.

Einem Spiel zwischen Deutschland und Italien etwa hat man immer entgegengefiebert. Es war ein Klassiker. Ich benutze mit Absicht die Vergangenheitsform, denn jetzt ist dieses Spiel im Rahmen der Nations League im Grunde bloß noch ein Punktspiel in einem künstlich geschaffenen System, das niemanden wirklich interessiert. Der Name sollte Programm sein, die Freundschaftsspiele richtigen, ganz wichtigen Matches weichen, in denen es immer um alles geht. Zumindest um einen guten Platz in der Gruppe. Das hat nicht funktioniert. Dabei ist jene Gruppe mit Deutschland und Italien wirklich der Hammer, denn England ist noch dabei und auch Ungarn. Vier Teams mit einer gigantischen Geschichte in einem Topf, in dem es eigentlich brodeln müsste. Stattdessen simmert da eine laue Brühe dahin, die nach nichts schmeckt. Testprogramm für Azzurri im Umbruch Die Qualität der Spiele bislang ließ mehr als zu wünschen übrig. Der Schlagabtausch zwischen England und Italien etwa, die Wiederauflage des Finales der Europameisterschaft im vergangenen Jahr, war ein freudloses und uninspiriertes Gekicke, durchsetzt von schier katastrophalen Fehlern auf beiden Seiten. Ergebnis zwangsläufig: Ein torloses Unentschieden. Hinzu kommt noch die Tatsache, dass Italien nicht mal für die kommende Weltmeisterschaft in Katar qualifiziert ist. Man befindet sich also, wie das schön verkauft wird, im Umbruch. Junge, neue Akteure, sollen die Azzurri wieder international wettbewerbsfähig machen. So ist die Nations League nicht mehr als ein Testprogramm für Italiens Kicker.

Italiens Elf befindet sich im Totalumbruch. © APA/afp / MIGUEL MEDINA

In Deutschland ist das nicht viel anders, auch wenn die DFB-Auswahl im Winter bei der WM mitmachen darf. Dabei hat der neue Wundertrainer Hansi Flick momentan auch nicht viel Glück. Vier Unentschieden in Folge gab es zuletzt. Immerhin keine Niederlage. Alleine daraus schöpft man weiterhin Mut, wenngleich die letzte Partie in Ungarn eher schon wieder ein Dämpfer war. Bis weit über Mitternacht soll der Trainerrat getagt haben nach einem Spiel, in dem die deutsche Elf sage und schreibe einmal auf das gegnerische Tor geschossen hat. Der Ball war dann auch drin. Es war der Ausgleich nach der frühen ungarischen Führung, die durch krasse Stellungsfehler der deutschen Abwehr erleichtert worden war.

Hansi Flick beklagt zu viele Spiele, zu wenig Pausen für seine Akteure. Seine Kollegen bei den Gruppengegnern werden dem vermutlich zustimmen. Allerdings bleibt eben auch festzuhalten, dass man die Geister, die man rief, nun eben nicht mehr vertreiben kann. Sie setzten sich fest und sorgen nun dafür, dass wir nicht mehr dieses spezielle Gefühl aufbauen können wie einst, als die Fußballwelt noch irgendwie in Ordnung war. Jetzt spielt Deutschland gegen Italien. Ok. Ein Spiel halt. Leider eben fast schon ein x-beliebiges einer Serie, die ein krasser Fehlschlag ist. Der einzige Anreiz, wenn man diesen als solchen überhaupt bezeichnen kann, ist die Aussicht, dass man bei erfolgreichem Abschneiden als sogenannter &bdquo;Gruppenkopf“ bei der Auslosung zur Europameisterschaftsqualifikation gesetzt wird. Das muss aber dann auch erst noch in die Köpfe der Spieler wandern, wobei ich mir ziemlich sicher bin, dass nicht einer der Akteure diesen Gedanken nachhängt.

Aber schon aus guter, alter Tradition heraus, werde ich natürlich trotzdem das Spiel zwischen Deutschland und Italien verfolgen. Es ist möglicherweise ja ein Blick in die Zukunft, denn beide Teams sind noch immer fast verzweifelt auf der Suche nach ihrer künftigen Stammformation. Wir sollten also nicht allzu viel erwarten. Eine gewisse Traurigkeit stellt sich bei diesen Gedanken ein, fast schon Wehmut. Denn wir haben zwangsläufig immer die großen Spiele der Vergangenheit vor unserem geistigen Auge, die Klassiker, die ewig leben. Manches war früher vielleicht doch besser. Und doch ist letztlich immer auch Hoffnung vorhanden. Vielleicht eben deshalb, wer weiß…? Überraschungen sind schließlich oft auch Teil einer sportlichen Auseinandersetzung sein. Wie in der Vergangenheit.

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