Flüssiggas belebt den Fußball

Wir müssen nur noch ein paar Mal schlafen, dann ist es soweit. Natürlich kommt dann das Christkind, pünktlich vermutlich und die diesmal nicht so üppigen Geschenke (aufgrund der uferlos galoppierenden Strompreise, des Benzinwahnsinns und der Gasknappheit muss auch der Weihnachtsmann den Gürtel enger schnallen) werden trotzdem schön aufgereiht unter dem Christbaum liegen. Die Zeit wird, davon ist auszugehen, wie im Flug vergehen und außerdem ist der 24. Dezember in diesem Jahr nicht der wichtigste Termin.

Zumindest nicht für Fußballfans, für die vermutlich zunächst der 20. November zählt. Dann nämlich findet das Eröffnungsspiel zur Fußball-Weltmeisterschaft statt. Und am 18. Dezember, vier Tage vor Heiligabend, wird dann der Titel ausgespielt. Man muss sich das immer wieder mal vor Augen führen, damit man auch wirklich begreift, dass es tatsächlich bald ernst wird mit dieser Veranstaltung in Katar. Denn dort wird der Ball rollen in klimatisierten Stadien. So langsam dämmert es allen, dass sich gerade in diesen Zeiten, in denen Energie eines der meist gebrauchten Wörter ist, ein Fußballfest in Katar ad absurdum führt. Die Fußball-Nationalmannschaft von Katar. © APA/afp / JOE KLAMAR

Bekannt freilich ist das schon lange, denn die Entscheidung fiel 2015. Die USA hatten sich noch beworben, Katar war freilich erfolgreich beim Stimmenkauf von FIFA-Funktionären. Aber der damalige FIFA-Präsident Sepp Blatter sagte nach den Enthüllungen der Bestechungsvorwürfe, dass die WM definitiv in Katar stattfinden werde. Und so kommt es jetzt auch. Nicht einmal die vierstellige Zahl von toten Arbeitsmigranten aus fünf Ländern, die von der britischen Tageszeitung &bdquo;The Guardien“ schon 2010 genannt wurde, führte zu einem Umdenken. Ein Entzug der WM hätte wohl unvorstellbare Schadensersatzforderungen zur Folge gehabt, da ja mit dem Bau der Stadien längst begonnen worden war. Jetzt ist es unumkehrbar und augenscheinlich hat man sich auch auf vielen Ebenen damit abgefunden und fiebert gar dem Spektakel vor den Weihnachtsfeiertagen entgegen. Der Wintersport wird zweitrangig Skifahren, Rodeln, Eishockey, Biathlon oder Langlauf werden in diesen Fußballwintertagen lässig zur Seite gedrängt. Die Rodler habe sogar schon Rennen abgesagt, weil sie keine Fernsehzeiten bekommen, da sich alles und wirklich alles mit den ersten Schneefällen nur noch um Fußball dreht.

Die deutschen Kicker haben auch schon vorgesorgt und sich für alle möglichen Fälle gewappnet beziehungsweise abgesichert. Finanziell gesehen jedenfalls. Sollten sie ihre Gruppe gewinnen (Gegner sind Japan, Costa Rica und Spanien) winken 100.000 Euro. Und sollten sie gar Weltmeister werden, bekäme jeder aus dem Kader 400.000 Euro aus dem Prämientopf. Da kann man sich in den Einkaufspassagen von Katar schon mal den einen oder anderen Brilli für die Liebste zuhause leisten. Diese Kuh ist also schon mal vom Eis. FIFA-Boss Gianni Infantino mit Sheikh Tamim bin Hamad al-Thani, dem Emir von Katar. © ANSA / NOUSHAD THEKKAYIL

Und ansonsten macht man sich in Fußballkreisen nur noch ganz selten und wenn dann leise Gedanken, was etwa die Menschenrechtssituation in Katar betrifft. Augen zu und durch lautet das Motto. Alles was ablenkt, kann schließlich schädlich sein für das Bestreben, den Ball ins gegnerische Tor zu bugsieren. Und außerdem spielt man schließlich bei einem künftigen Partner, der jetzt ein wenig und später ganz viel mithelfen soll, dass der heimische Herd warm bleibt. Katar ist der weltweit drittgrößte Anbieter von Flüssiggas, weshalb der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz auf seiner kleinen Einkaufstour in den Golfstaaten brav alle lobt ob ihrer Bemühungen um Verbesserungen etwa der Arbeitsbedingungen für ausländische Arbeiter in Katar. Das hilft auch ungemein, weil die Kicker dann auch sicher sein können, dass an den Fenstern in der heimischen Villa keine Eisblumen wachsen, während sie im warmen Katar ihrem Job nachgehen. Der Nationalspieler als solcher kann sich also ganz und gar und mit voller Inbrunst seiner Aufgabe in Katar widmen. Der neue Partner hält die Villa warm Natürlich wird mit jedem Tag, den diese Weltmeisterschaft näher rückt, die Intensität der Berichterstattung auch über die sportlichen Aspekte hinaus zunehmen und die Diskussion über den fragwürden Austragsort dieser Fußball-Weltmeisterschaft neuerlich befeuern. Allerdings hätten alle Beteiligten und vor allem auch die teilnehmenden Länder schon viel früher ihre Bedenken mit entsprechenden Reaktionen einbringen können. Meist ist es bei Lippenbekenntnissen geblieben, denn am Ende wollen alle, die sich qualifiziert haben, eben auch mitspielen. Und so geht der Fußball diesmal im Gleichschritt mit der Politik. Deutschlands Kanzler Olaf Scholz hat sogar schon angedeutet, dass die Bundesregierung bei der WM vertreten sein wird. Möglicherweise landet er sogar selbst noch einmal in Doha, sollte sein neuer Kumpel, der Emir von Katar, Scheich Tamim Bin Hamad Al Thani, noch ein bisschen mehr Flüssiggas rausrücken, als erst mal vereinbart? So als kleines WM-Willkommensgeschenk.

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Flüssiggas belebt den Fußball

Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz hat schon mal den Ausrichter der kommenden Fußball-Weltmeisterschaft besucht, um die Lieferung von Flüssiggas aus Katar abzusichern. Unser Kolumnist Sigi Heinrich befürchtet, dass der Golfstaat damit auch die Frage der Menschenrechte elegant umgeht.

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