Teil 2 | Zanetti: „Spielsystem? Springender Punkt sind die Spieler“

Von Christian Staffler

SportNews: Herr Zanetti, im Vorjahr ließen Sie den FC Südtirol durchgehend in einem 3-5-2-System spielen. Heuer gab es schon viele verschiedene Grundsysteme. Warum?

Paolo Zanetti: &bdquo;Im Vorjahr war es so, dass der Verein einen Trainer gesucht hat, der ein 3-5-2 spielen lässt. Das Team war für dieses System zusammengestellt worden. Das war für mich kein Problem, auch weil es im Offensiv-Bereich wenig andere Optionen gab. Es gab schlichtweg keine Spieler für ein 4-3-3 oder ein 4-4-2. Das wollte ich heuer ändern und unsere Transferpolitik war darauf ausgelegt, dass wir flexibler sind.“

Im aktuellen FC Südtirol stecken also deutlich mehr Ideen von Zanetti als noch im Vorjahr?

&bdquo;Ja sicher, aber auch im Vorjahr hatte die Mannschaft meine Handschrift. Ich habe heuer ein ganz anderes Standing im Verein. Als ich zum FC Südtirol kam, war ich 34 Jahre alt und es war meine erste Profistation. Da kann man nicht hergehen und sagen: Ich will diesen und jenen Spieler.“

&bdquo;Dreier- oder Viererkette? Ich kann beides, das traue ich mir schon zu.“ Paolo Zanetti über Dogmen im Trainerberuf

Hat der Trainer Zanetti ein taktisches Dogma?

&bdquo;Absolut nicht. Ich denke, dass ein Trainer alle Systeme beherrschen muss und vermitteln kann. Ich mag zum Beispiel ein ultraoffensives 4-3-3-System, mit zwei Mittelfeldspielern, die wie Flügel agieren, plus weit vorgerückten Außenverteidigern. Bei den Reggiana-Junioren habe ich so spielen lassen. Das heißt aber nicht, dass ich alle Mannschaften so aufstelle. Ob Dreier- oder Viererkette, ich kann beide Abwehrsysteme trainieren lassen. Das traue ich mir schon zu. Man muss das Spielsystem an seine Spieler und an den Gegner anpassen. Ich habe absolut kein Dogma.“

Stichwort Gegner: Es fällt auf, dass sich die Teams in der Serie C oft gegenseitig neutralisieren. Welchen Stellenwert hat die Gegnerbeobachtung beim FC Südtirol?

&bdquo;Das Studieren des Gegners ist wichtig. Das ist in allen Ligen so. Wir sehen uns die letzten vier Spiele des kommenden Gegners an. Aber sie können dich auch überraschen. Für mich ist es deshalb nicht wichtig, welche Spieler der gegnerische Trainer aufstellt. Mich interessieren die taktischen und strategischen Grundsätze. Danach richtet sich unser Training, denn wir wollen dem Gegner offensiv und defensiv das Leben schwer machen.“

>>> Hier geht es zu Teil 1 des großen Zanetti-Interviews

Vergisst man bei so viel Gegnervorbereitung nicht das eigene Spiel?

&bdquo;Mindestens genauso wichtig wie das Studieren des Gegners ist es, an uns selbst zu arbeiten. Jeder Spieler muss in jeder Situation wissen, was er zu tun hat. Sei es in Ballbesitz, in den Umschaltphasen oder wenn der Gegner den Ball hat. Mit Umschaltphasen sind jene Momente eines Spiels gemeint, in denen man den Ball gewinnt oder verliert.“

Wie wichtig sind diese Umschaltmomente für den FC Südtirol?

&bdquo;Mehr als die Hälfte aller Tore fallen nach Umschaltmomenten, das sagt alles. Es passiert, weil die Spieler aufgrund der Spieldynamik nicht mehr auf ihren angestammten Rollen sind. Und genau hier zählt das Spielsystem wenig, denn eine Viererkette steht dann zum Beispiel nicht mehr als Viererkette auf dem Platz.“

&bdquo;Langfristig sehe ich Tait in der Viererkette. Es stimmt nicht, dass er das nicht kann.“ Zanetti über die taktischen Rollen seiner Spieler

Wie wichtig sind Spielsystem und Automatismen für eine Mannschaft? Oft wird ja behauptet, dass verschiedene Systeme für Verwirrung in den Köpfen der Spieler sorgen würden…

&bdquo;Spielsysteme sind Nummern, nicht mehr und nicht weniger. Wir verteidigen mittlerweile mit einer Raute, greifen aber in einem 3-4-3-System an. Allerdings nicht immer, denn es hängt von den einzelnen Spielern ab. Zuletzt gegen Vicenza wurde unser Spielsystem mit Lunetta für Tait auf dem Feld ein klassisches 4-3-3. Wenn sich Morosini zwischen den Linien bewegt, dann haben wir einen Zehner auf dem Feld und es ist wieder eine Raute. Es gibt nichts, was es nicht gibt oder was nicht funktioniert. Der Fußball ist nicht starr, er ist dynamisch.“

Passt das 4-4-2 mit Raute am besten zu ihrer Mannschaft?

&bdquo;Durch die Raute sind wir kompakter. Viele Serie-C-Mannschaften spielen mit einem tiefen Spielmacher. Mit einem klassischen 4-3-3 ist dieser schwierig aus dem Spiel zu nehmen. Mit der Mittelfeld-Raute klappt das deutlich besser, dafür hat man weniger Breite im Spiel. Im Fußball geht es immer darum, Räume zu öffnen und im richtigen Moment wieder zu besetzen. Durch das Rauten-System haben wir einen offensiven Spieler mehr auf dem Feld, das ist die Idee dahinter. Im Training feilen wir seit Monaten daran. Der springende Punkt sind die Spieler. Turchetta, Lunetta, Morosini oder Mazzocchi können mehrere Rollen perfekt ausfüllen. Auch Tait, der aktuell im Mittelfeld spielt, sehe ich langfristig als Außenverteidiger einer Viererkette. Es stimmt einfach nicht, wenn behauptet wird, er könne das nicht – oder nur in einer Fünferkette spielen.“

Täuscht es, oder ist Winter-Neuzugang Danilo Pasqualoni eine Schlüsselfigur in diesem System?

&bdquo;Auf jeden Fall. Pasqualoni ist ein hervorragender Verteidiger, defensiv enorm stark und auf allen Positionen einsetzbar. Jetzt lernt er, wie er sich bei eigenem Ballbesitz bewegen muss. Allein durch sein Verschieben und übrigens auch durch jenes von Tait, können wir verschiedene Staffelungen herstellen. Die Raute verschmilzt mit dem 3-4-3-System. Der größte Pluspunkt ist, dass Morosini mehr Freiheiten hat. Ich sehe ihn als Allesmacher im Mittelfeld.“

Es gibt Trainer, die stellen ihre Abwehrreihen auf den Gegner ein. Gegen einen Zwei-Mann-Sturm wird mit Dreierkette gespielt, ansonsten mit einer Viererkette. Ziel ist der freie Verteidiger im Abwehrzentrum. Bei Ihnen ist das nicht so…

&bdquo;Das ist ein klassisches Dogma und das mag ich nicht. Ich habe Juventus unter Conte gesehen, das mit einer Dreierkette gegen jeden Angriff dominierte. Gasperini beweist bei Atalanta, dass man sogar Mann gegen Mann erfolgreich spielen kann. Auch ich habe beim FCS schon drei Verteidiger gegen drei Stürmer spielen lassen. Außerdem: Wenn ich mit Viererkette spiele, der Außenverteidiger überläuft, wir verlieren den Ball und der Gegner kontert. Was habe ich dann in der Defensive? Ein Drei gegen Drei. Spätestens dann muss ich es verteidigen können, da hilft mir der Mann mehr in der Abwehr auf dem Papier auch nichts mehr.“

&bdquo;Ich reagiere auf Umstellungen im Spiel und es gibt immer irgendjemand der behauptet, dass ich die falsche Startelf gewählt habe.“ Zanetti über sein In-Game-Coaching

Kommen wir zum Spiel mit dem Ball: Wie sieht die Spieleröffnung des FC Südtirol aus?

&bdquo;Hier bekommen die Dreier- und Viererkette eine andere Bedeutung. Presst uns der Gegner mit zwei Stürmern, dann bevorzuge ich eine Aufbau-Dreierkette. Gegen einen Angreifer reichen zwei Innenverteidiger. Das ist eine Frage der Ballzirkulation. Seit Nardi unser Tormann ist, haben wir mehr Möglichkeiten, weil er mit den Füßen enorm stark ist. Er kann einen Verteidiger im Spielaufbau ersetzen. Ich will, dass die Mittelfeldspieler viel rotieren. Fink kann sich sehr gut zurückfallen lassen und Überzahl schaffen. De Rose weicht dann auf die Seite aus und wir haben sehr gute Staffelungen, um weniger in die Breite und mehr in die Tiefe zu spielen. Wir wollen den Gegner herauslocken, ihr Pressing überspielen, um dann mehr Raum in ihrer Hälfte zu haben. Das ist die Grundidee.“

Wie sieht es mit In-Game-Coaching aus. Wie viel kann ein Trainer während einer Partie verändern?

&bdquo;Unglaublich viel. Ich verändere oft in der Halbzeit den gesamten Matchplan und das nicht zufällig. Die Basis ist immer das, was ich in den ersten 45 Minuten gesehen habe – und es kann sich viel verändern. Dann gibt es immer Leute die sagen, der hat schon wieder die falschen Spieler von Anfang an aufgestellt. Andere wiederum erkennen, dass die richtigen Wechsel gemacht und das Spiel dadurch entschieden wurde.“

Frei nach dem Motto: Falsch auf- aber richtig umgestellt?

&bdquo;Genauso ist es. Nehmen wir das Vicenza-Spiel her. Ich bin überzeugt, dass Lunetta in der ersten Hälfte niemals so ein Spiel abgeliefert hätte, wie in der zweiten. Vicenza war gut eingestellt, aggressiv und sehr kompakt. Dann habe ich auf zwei Flügel umgestellt. Plötzlich setzten Turchetta und Lunetta die gesamte Vicenza-Mannschaft schachmatt. Aber warum? Weil die Räume viel größer waren als in der ersten Hälfte. Deshalb ist es wichtig, das Spiel zu beobachten und umzustellen. Ich will immer die eine oder andere Waffe auf der Ersatzbank haben.“

	SP	TV	P
1. Mantova	34	67:22	79
2. Padova	35	49:25	70
3. L.R. Vicenza	34	45:27	61
4. Triestina	35	56:39	60
5. Atalanta U23	35	39:33	55
6. Legnago Salus	35	45:36	54
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1. Cesena	35	74:18	89
2. Sassari Torres	35	52:34	72
3. Carrarese	36	51:29	67
4. Perugia	36	43:32	62
5. Gubbio	36	44:36	55
6. Pescara	36	57:52	52
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1. Juve Stabia	35	52:20	74
2. Avellino	35	60:28	63
3. Benevento	35	41:31	63
4. Casertana	36	45:35	61
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