Sigi's Spitzen: Dunkle Wolken über dem DFB-Team

Sigi Heinrich

Die Bewerbung ist ganz gut gelaufen für Oliver Bierhoff. Sollte er nämlich eines vermutlich sehr fernen Tages nicht mehr beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) als Direktor arbeiten wollen (er ist für den Bereich Nationalmannschaften und Fußballentwicklung zuständig), kann er wohl elegant, wie es seiner Art entspricht, flugs in die Wetterredaktionen einsteigen. Als eloquenter Moderator mit dem Blick und dem Gespür für die vielen Phänomene, die das Wetter so bietet. Es zeichnet ihn nämlich jetzt schon aus, dass er ein Gefühl hat für bevorstehende Stürme. Dunkle Wolken sieht er. Dunkle Wolken, die exakt platziert sind über seiner Nationalmannschaft. Punktgenau über den vielen jungen Spielern, denen damit quasi der Blick in den freien Himmel verwehrt bleibt. Gemein ist das und schlägt sich natürlich auf die Stimmung nieder. Anspannung und Frust spürt der sensible Bierhoff und er sieht &bdquo;müde Gesichter“ in der Kabine. Tja, es war vermutlich schon mal lustiger in der Fußball-Nationalmannschaft zu spielen.

Steife Brise aus Osten Seit dem Fast-Abstieg aus der Nations-League (nur eine kleine Reform zugunsten des DFB verhinderte ihn) und vor allem seit dem peinlichen Auftritt bei der Weltmeisterschaft in Russland ist der Ton rauer geworden. Und jetzt kommt auch noch eine steife Brise aus dem Osten, gegen die sich die vielen neuen Nationalspieler stemmen müssen. Joachim Löw, der direkte Steuermann, der am Ruder bleiben durfte, auch als sein Schiff krachend leck schlug, macht weiter mit seiner Sichtung für die Auswahl. Fast das gesamte A-Team fehlt gegen Tschechien, weshalb natürlich die Idee, dass sich die Mannschaft einspielen muss, ad absurdum geführt wird. Automatismen entwickeln, Laufwege abstimmen, Standardsituationen simulieren: Schön klingt das alles und es ist doch vollkommen nutzlos, weil wohl nur noch ein paar der Kicker, die dieses belanglose Freundschaftsspiel gegen Tschechien bestreiten, in den folgenden Spielen der Nations-League dabei sein werden. Da darf man sich nicht wundern, wenn das zunächst wohl nur ein laues Lüftchen sein wird, das sich gegen die dunkle Wolke stemmt. Und Wetterfrosch Bierhoff (dezenter grauer Pullover, obwohl laubfroschgrün angesagt gewesen wäre) weiß, dass möglicherweise noch mehr Stürme kommen. Die Ukraine nämlich hat in dieser Nations-League, die niemand so recht versteht, in Spanien gewonnen. Da drohen viele Schleierwolken, zumal ja auch noch der Wind aus vielen Richtungen bläst. Kaum kontrollierbar sind die Böen. Müller, Boateng, Hummels in Bestform. Löw wiederholte seine Absage an alle drei für die Nationalmannschaft. Dagegen darf Mario Götze (jetzt bei Eindhoven) wieder hoffen. (Übrigens musste Philipp Max erst von Augsburg nach Eindhoven wechseln, um jetzt doch Nationalspieler werden zu können). Hoffen auf sonnige Tage Es ist wie immer mit dem Wetter und mit Joachim Löw. Vieles ist vorhersehbar und doch nicht. Aber eines steht fest. Die Nationalmannschaft darf am Ende der kleinen Serie noch nach Spanien reisen trotz Reisewarnung und Corona (gilt ja alles für den Fußball nicht, weil systemrelevant!). Die Vorhersage lautet: Überwiegend sonnig. Da geht dann Oliver Bierhoff sicher das Herz auf. Sonnig. Und da der spanische Fußball im Moment auch ziemlich orientierungslos über den Rasen torkelt, fährt die Hoffnung mit auf kräftigem Gegenwind, den Löw mit seiner Mannschaft entfachen könnte. Ein Sieg auf der Iberischen Halbinsel würde nämlich die dunkle Wolke kurzzeitig vertreiben können und der Planet, der uns Wärme schenkt und Wohlbehagen, könnte die armen jungen Spieler wenigstens kurz mal streifen. Das, ja das ist es, wonach Bierhoff strebt. So wie früher, als alle noch bedingungslos hinter der Nationalmannschaft standen. Stattdessen begegnen ihr die Fans kühl und abwartend, wie Bierhoff selbst nach Recherchen mit einem Taxifahrer feststellen musste. Die Nationalmannschaft kämpft deshalb nicht nur gegen eine dunkle Wolke. Sie hat es mit einem selbst verschuldeten Klimawandel zu tun.

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