Sigi's Spitzen: Fußball als Lachnummer

Sigi Heinrich

Den Kulturschaffenden geht es wie allen, die Politiker für nicht systemrelevant erklären: Sie werden erst einmal gestoppt. Rote Karte. Der Wert der Kultur wird mit einem Mal deutlich: Ganz am Ende der Tabelle. Nur wenn große Veranstaltungen auf dem Programm stehen, werfen sich Politiker aller Parteien in schmucke Abendkleidung und setzen sich, wie in Bayreuth etwa, stundenlang auf harte Stühle, um sich mit Wagner-Wahnsinn berieseln zu lassen. Also ganz im Ernst. Da ist mir sein Kollege Giuseppe Verdi schon tausendmal lieber. Keine Hausfrau in Deutschland singt beim Bügeln Wagner, in Italien schmettert auch der normale Bürger Verdis Lieder. Das nur so nebenbei. Es bleibt also alles liegen, was Kultur betrifft, obwohl diese für die Seele absolut systemrelevant wäre. Nicht mal Gassenhauer dürfen produziert werden. Lachen ist plötzlich ungesund. Ansteckend. Zum Glück gibt es den Sport, der uns in diesen Zeiten ein Theaterstück nach dem anderen präsentiert. Aber es ist, leider, keine Komödie. Es ist ein Trauerspiel, das wie eine Kettenreaktion durch ganz Europa rast. Und unaufhaltsam wird uns dabei der Spiegel vorgehalten und wir erfahren so nebenbei, dass wir, die wir brav das Durcheinander der Gesetzgebung versuchen zu verfolgen (klingt kompliziert, weil es auch kompliziert ist), die Deppen sind. Entschuldigung. Mit Corona auf dem Fußballplatz Aber ich schließe mich da ja nicht aus. Ich fühle mich auch als solcher, denn ich erfahre so nebenbei, dass man jetzt auch mit Corona Fußballspielen kann. So geschehen in Istanbul beim Match der Kroaten gegen die Türkei. Domogoj Vida, der kroatische Abwehrspieler, hatte einen positiven Test. Das wurde aber erst zur Halbzeit bekannt. Dann wurde er ausgewechselt. Eigentlich müssten, so denke ich mir in meiner grenzenlosen Naivität, alle in Quarantäne, die mit ihm spielten oder mit ihm Kontakt hatten. Ist aber nicht so. Nur er selbst muss jetzt zuhause bleiben. Vermutlich nur so lange er dazu Lust hat. Denn man kann es ja auch locker sehen. Ein wenig spielen mit der Angst und dem Virus, wie das Claudio Lotito, der Präsident von Lazio, derzeit macht. Er hat allen Erstens gesagt, es gäbe ja die Ansteckungsvariante &bdquo;leicht positiv“. Der Mann ist ja praktisch ein Hoffnungsträger und muss normalerweise sofort in eine Expertenkommission gemeinsam mit anderen genialen Virologen. Der Präsident von Lazio, ein Saubermann (Reinigungsunternehmer), öffnet den Vorhang, aber diesmal ist das Programm wieder kein Lustspiel. Es ist im Gegenteil ein grausiges Schmierentheater, das auf der Fußballbühne stattfindet. Er lässt seine Spieler nämlich nicht in Rom testen, sondern in der Nähe von Neapel (dort besitzt er mit Salernitana auch einen Club). In Rom sind immer alle Tests positiv, im eigenen Labor im Süden Italiens sind sie negativ. Vor allem geht es dabei um Ciro Immobilie, der auf dem Weg ist, bei Lazio eine Legende zu werden. Wie oft also hat Immobile schon mit Corona gespielt? Wahnsinn. Wir, wir alle, die wir auch nur einen Funken Verstand besitzen, nehmen Corona ernst. Lazio spielt mit dem Virus. Es ist eine Schande. Covid-19 reist um die Welt Corona hat den Sport längst im Griff. In Deutschland ist mit der TSG Hoffenheim ein Verein komplett in Quarantäne. Die Handballer aus Deutschland haben aus Estland vom Länderspiel Corona mitgebracht. Zwei Spieltage der Liga mussten abgesagt werden. Einschränkung der Reisetätigkeit, um die Verbreitung des Virus einzudämmen? Zum Wiehern fast. Nach Leipzig zum Länderspiel der DFB-Auswahl gegen die Ukraine reisen die Stammspieler aus München, London, Paris und Madrid an. Wäre ich Covid-19, ich würde jubeln. Endlich mal raus aus dem Mief der Quarantäne und hinaus in die große Welt. Und ja, das Theater geht weiter. Die Kultur wurde weitergereicht an den Sport, der ungewollt eine Lachnummer nach der anderen produziert. Dabei ist es nicht mehr lustig. Es ist ernst, bitterernst und unsagbar traurig. Tieftraurig. Es ist eine Tragödie, die von der Politik mitgetragen wird. Dagegen hilft nur große, wirkliche Kultur. Verdi. Vielleicht eine opera buffa wie &bdquo;Un giorno de regno“ (König für einen Tag), die Verdi 1840 schrieb, als er einen persönlichen Schicksalsschlag nach dem anderen verkraften musste. Dennoch sind seine Melodien erfrischend, auch wenn die Uraufführung aus vielerlei Gründen ein Fiasko war. Wir sollten uns daran ein Beispiel nehmen und uns ebenfalls nicht unterkriegen lassen. Ein Jahr später hat Verdi &bdquo;Nabucco“ komponiert. Es war sein erster großer Erfolg.

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