Der Meraner Teamchef: „Mick Schumacher ist Fluch und Segen“

Das Haas-Team hat genau 100 Grand Prix bestritten. Wie fällt die Bilanz aus?

Wir haben ein Team aufgebaut, das da ist, um zu bleiben. Das ist das Wichtigste und nicht ganz einfach in der Formel 1. Da bist du in einem sehr exklusiven Klub, es haben fast nur die Traditions-Teams überlebt, aber wir sind auch noch da. Alle anderen, die es in den letzten 10 Jahren versucht haben, sind nicht mehr da. Deshalb ist es schon schön, dass wir sagen können, wir haben 100 Grand Prix bestritten und jetzt freuen wir uns auf die nächsten 100.

Und wie fällt die Bilanz rein sportlich aus?

In den letzten 20 Jahren ist niemand so gut gestartet wie wird. Schon im dritten Jahr Fünfter in der Konstrukteurs-Wertung werden, das wird schwierig für jeden, der neu kommt. Im Jahr 2019 haben wir dann ein schlechtes Auto gebaut, das war allein unsere Schuld. Als wir versucht haben, da wieder heraus zu kommen, ist Corona gekommen und die ganze Unsicherheit, wie es weitergeht. Mein Job im letzten Jahr war einzig und allein, sicherzustellen, dass es weitergeht, dass wir die nächsten 100 oder 200 Grand Prix da sind. Und das haben wir erreicht. Wir haben dann beschlossen, einen Schritt zurück zu machen, um für 2022 zwei Schritte vorwärts machen zu können. Nächstes Jahr kommt ja ein völlig neues Reglement. Für uns wäre es nicht sinnvoll gewesen, für das 2021er-Auto Geld und Zeit zu investieren, deshalb haben wir beschlossen, dass das für uns ein Übergangsjahr ist, wissen das die sportlichen Ergebnisse nicht großartig sein werden. Wir haben zwei junge Fahrer, die wir so in Ruhe aufbauen können. Wir haben auch das technische Team neu zusammen gestellt, denn das ist wegen der Pandemie auseinander gebrochen. Dieses Team arbeitet seit Februar zu 100 Prozent am Auto für 2022. Das Ziel ist, nächstes Jahr wieder konkurrenzfähig zu sein. Mit der neuen Budgetgrenze von 145 Millionen Dollar musst du dich auch entscheiden, ob du mehr für dieses Jahr investierst oder für das nächste.

Schöpft Haas diese Grenze aus oder liegt das Budget darunter?

Wir sind nahe dran an dieser Grenze, aber den großen Unterschied macht es bei den großen Teams aus. Die hatten vorher das Dreifache von unserem Budget und jetzt haben sie nur mehr 10 oder 20 Millionen mehr zur Verfügung. Und wir als Team sind viel effizienter aufgestellt, denn wir haben eine viel kleinere Infrastruktur. &bdquo;Wir haben ein Team aufgebaut, das da ist, um zu bleiben.“ Günther Steiner zieht Bilanz Wie wird innerhalb des Teams damit umgegangen, dass es eine Übergangssaison ist? Das könnte ja auch eine Motivationsbremse sein.

Das wird es nicht sein. Wir haben ja auch aus diesem Grund zwei junge Fahrer genommen, die von Rennen zu Rennen besser werden wollen. Erfahrene Piloten wären sicher frustriert in so einer Situation. Aber so ist das Team voll motiviert, weil alle wissen, dass wir zwei gute Fahrer und eine gute Zukunft vor uns haben werden. Das werden sicher 23 harte Rennen, aber es wird auch einige Highlights geben, mit denen niemand gerechnet hat. Wichtig ist, dass die Fahrer für nächstes Jahr bereit sind, wenn wir ein konkurrenzfähigeres Auto haben.

Sie haben in Mick Schumacher einen Fahrer mit einem großen Namen verpflichtet. Bringt das dem Rennstall Image und vielleicht sogar Geld?

Seine Verpflichtung ist Fluch und Segen für uns. Heuer werden wir uns schwer tun, denn gerade in Deutschland sind die Hoffnungen sehr groß und ich weiß, dass wir uns von dort Kritik anhören werden müssen. Man muss Mick etwas Zeit geben, sein Vater ist ja auch nicht gleich Weltmeister geworden. Andererseits haben wir jetzt auch einen deutschen Sponsor, der wahrscheinlich hauptsächlich seinetwegen eingestiegen ist.

Hat Mick Schumacher etwas von seinem Vater?

Sein Verhalten ist total professionell. Ich habe seinen Vater nicht gut gekannt, aber Mick ist in dessen Umfeld aufgewachsen. Und er weiß, was es braucht, um erfolgreich zu sein. Er ist ein sehr korrekter und sehr gut erzogener jungen Mann. Er ist in einer Familie aufgewachsen, wo der Vater sieben Mal Weltmeister geworden ist. Da nimmt man schon etwas mit.

Das Haas-Team mit seinem Boliden: Schumacher, Steiner und Mazepin (v.l.). © LAT / Sam Bloxham

Dann kommen wir zum anderen Fahrer. Der soll ja das Gegenteil von Mick Schumacher sein. Fährt Nikita Masepin bei Haas, weil die russische Firma Uralkali der neue Hauptsponsor ist?

Absolut. Das gehört zusammen. Seine Familie ist sehr wohlhabend, aber er ist auch talentiert, sehr talentiert sogar. Wenn man ihn als Mensch kennenlernt, dann hat man es mit einem gebildeten Menschen zu tun. Er studiert an der Universität. Sicher hat er Fehler gemacht, aber das hat er eingesehen. Junge Leute machen Dummheiten, damit muss man umgehen. Als Fahrer muss er noch viel lernen, aber er ist schnell und hochmotiviert. Er will Weltmeister werden. Er hat letztes Jahr zwei Rennen in der Formel 2 gewonnen, also kann er schon was. Aber natürlich hat es uns geholfen, dass er auch finanziell etwas beitragen kann für das Team als Sponsor.

Wie lange läuft der Vertrag mit Ferrari und hat es schon einmal Überlegungen gegeben, sich einen anderen Motorenpartner zu suchen?

Man schaut sich immer um, das ist Teil meiner Arbeit, zu schauen, was alles auf dem Markt ist. Aber unsere Beziehung zu Ferrari ist sehr gut, ohne Ferrari wären wir wahrscheinlich gar nicht gestartet. Es gibt auch in guten Beziehungen Krisenmomente, die gibt es auch bei uns. Wir sind im dritten Jahr Fünfter geworden mit Ferrari. Das darf man nicht vergessen. Und wir haben ja 120 Leute, die hier in Italien für uns arbeiten. Wir haben hier bei Ferrari unsere Büros und haben 30 Leute von Ferrari zu uns geholt. Deshalb ist es für uns in den nächsten Jahren das Beste, zu bleiben, wo wir sind. &bdquo;Schauspieler bin ich keiner, das kann ich nicht. Mir wird ein Mikrofon verpasst und dann wird gefilmt, was passiert.“ Günther Steiner über die Netflix-Doku &bdquo;drive to survive“ Hat die Formel 1 nicht ein Problem, wenn sie weiterhin auf den Verbrennungsmotor setzt?

Meiner Meinung nach wird das Elektro-Auto sicher die Zukunft sein im Stadtverkehr. Aber auf Mittel- und Langstrecken ist ein Hybrid-Konzept die bessere Lösung. Es wird neue Kraftstoffe geben, die umweltfreundlich sind. Was die Entwicklung genau bringt, weiß ich nicht. Aber den Verbrennungsmotor komplett wegzudenken, kann ich mir nicht vorstellen. Auf kurzen Strecken wird aber sicher Elektro eine dominierende Rolle spielen.

Sie sind schon ein kleiner Netflix-Star geworden durch die Doku-Serie &bdquo;Drive to Survive“. Glauben Sie, dass die Formel 1 von dieser Serie profitieren wird?

Die Leute glauben es mir zwar nicht, aber ich habe noch keine Staffel gesehen. Aber die Serie läuft gut, Netflix und die Formel 1 sind zufrieden. Die Serie wäre sicher schon eingestellt worden, wenn sie nicht gut laufen würde. Es wird mir erzählt, dass durch diese Serie mehr jüngere Leute und auch Frauen jetzt die Formel 1 verfolgen. Ich kann jedenfalls bestätigen, dass nichts gespielt ist. Schauspieler bin ich keiner, das kann ich nicht. Mir wird ein Mikrofon verpasst und dann wird gefilmt, was passiert. Die Formel 1 ist jedenfalls sehr happy damit, weil es ihnen eine neue Zuschauergruppe bringt.

Bei den Testfahrten hat es doch einige Überraschungen gegeben. Waren die Probleme von Mercedes ein Bluff oder waren sie echt?

Bluff war es keiner, sie haben schon Probleme gehabt. Aber wenn jemand Probleme schnell lösen kann, dann ist das Mercedes. Vor zwei Jahren ist ihnen das auch schon einmal passiert. Red Bull war sicher gut, aber ich glaube, dass Mercedes da weitermachen wird, wo sie letztes Jahr aufgehört haben. Hoffen tu ich es nicht, denn diese Dominanz wird langsam ermüdend und ist nicht gut für die Formel 1.

Interview: Otto Schöpf

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Der Meraner Teamchef: „Mick Schumacher ist Fluch und Segen“

Haas ist seit 2016 in der Formel 1 dabei und seitdem ist Günther Steiner aus Meran Teamchef beim US-amerikanischen Rennstall. In dieser Saison hat der 55-Jährige Mick Schumacher und Nikita Masepin unter seiner Fittiche – zwei junge, talentierte Fahrer, die unterschiedlicher kaum sein könnten.

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