Überflieger Pogacar: Auf Spurensuche in seiner Heimat

Von Sigi Heinrich

Ich staune nur noch. Menschen auf Fahrrädern, durchaus schon älter und nicht unbedingt mit sportlich perfekter Figur, rasen förmlich an mir vorbei. Bergauf. Sie sitzen augenscheinlich bequem im Sattel und müssen, selbst bei intensiveren Steigungen, nicht kräftiger in die Pedale treten. Ihrem Elektroantrieb sei Dank. Pedelec sind der Renner. Schauen wir mal genau hin? Hat Tadej Pogacar aus Slowenien auch so eine technische Unterstützung? Man könnte es fast glauben, so wie er den wohl brutalsten Anstieg bei egal welcher Tour de France bewältigt, hinauf auf den Col du Portet. 16km bergauf bei einer durchschnittlichen Steigung von 8,7 Prozent. Das ist schon zu Fuß die Härte, mit dem Fahrrad für einen Normalsterblichen unmöglich zu schaffen, außer er schiebt sein Rad, was dann aber auch noch mal schwieriger wird. Verständliche Zweifel kommen auf Doch Pogacar vermittelte den Eindruck, als sei die Steigung eine Flachetappe. Sein Antrieb sind seine Beine. Er fuhr seinen Verfolgern nicht davon, er ließ sie zurück mit staunenden Augen und gänzlich chancenlos. Er wird die Tour de France wieder gewinnen wie im letzten Jahr, als er seinem Landsmann Primoz Roglic im letzten Bergzeitfahren eineinhalb Minuten abnahm. Pogacar, erst 22 Jahre alt, ist ein Ausnahmetalent und wenn so einer sich aus der Welt der Irdischen erhebt in eine eigene Dimension werden, gerade im Radsport, Zweifel laut. Verständlich. Das gibt sogar Pogacar zu. Was soll er anderes tun? Die Vergangenheit lässt die Gegenwart nicht in Ruhe. Tadej Pogacar ist in einer eigenen Liga unterwegs. © APA/afp / THOMAS SAMSON

Radsport und Doping waren oder sind vielleicht sogar immer noch eine stets unheilvolle Allianz eingegangen. Und das Umfeld von Pogacar ist nicht gänzlich frei von Verdachtsmomenten, wiewohl klipp und klar festgestellt werden muss, dass der Ausnahmeradler aus Slowenien persönlich nicht angegriffen werden kann. Manche unken natürlich: Noch nicht. Wir haben es, wie in der Leichtathletik mit dem Sprinter Usain Bolt oder Wilson Kiptanui, der die Marathonstrecke als erster Mensch unter zwei Stunden lief, mit einem von Millionen zu tun. Wie haben wir damals verwundert registriert, dass ein Mensch 8.90m weit springen kann wie Bob Beamon 1968 in Mexiko oder als Mark Spitz in München sieben Goldmedaillen im Schwimmen gewann, in jeder Disziplin irgendeine. Ich weiß, wir haben auch bei Jan Ullrich gestaunt oder bei Lance Armstrong. Aber haben wir zunächst nicht auch alle gejubelt und sind der Faszination des schier Überirdischen erlegen? Auf Spurensuche in Slowenien Ich habe mich auf eine Spurensuche gemacht und Station gemacht im Sportinstitut in Ljubljana. Einer der Professoren ist Janez Vodicar, der lange Zeit Renndirektor der Internationalen Biathlon-Union (IBU) war und der dann verbandsinternen Ränkespielen zum Opfer fiel. Auf eine offizielle Rehabilitation wartet er immer noch. Im Sportinstitut hat er seine Erfüllung gefunden. Er organisiert Programme für die Allgemeinheit, unterrichtet Sportstudenten und vor allem kümmert er sich darum, den Teams und Spitzensportlern, die kommen, perfekte Bedingungen zu bieten. Die Volleyballer oder Basketballer können ihre Spiele in der Trainingshalle mit Kameras von der Decke aufnehmen und danach analysieren. Aber das ist nur eine Kleinigkeit. Der ganze Stolz von Vodicar sind die vielen Geräte, mit denen alle nur möglichen Parameter eines Sportlers getestet werden können. Für Janja Garnbret, Goldmedaillenhoffnung im Klettern, hat man extra Konstruktionen entwickelt um festzustellen, wie und wo ihre Griffe verbessert werden können. Alles, wirklich alles wird in Laptops in Tabellen und aussagekräftigen Statistiken gespeichert. Auch der Diskuswerfer Christian Ceh ist oft zu Gast um seine Technik auch unter Laborbedingungen genau unter die Lupe zu nehmen. &bdquo;Es braucht“, so Vodicar, &bdquo;nur noch ein paar Kleinigkeiten, dann kann er 70 Meter werfen.“ Und auch er weiß: Mit einer solchen Weite kann man Olympiasieger werden. Ein &bdquo;Wunderknabe“ Aber am meisten hat ihn Tadej Pogacar begeistert. &bdquo;Er war mit 16 Jahren bei uns und wir haben ihn bis ins kleinste Detail durchleuchtet“, erzählt Vodicar und kommt ins Schwärmen. &bdquo;So etwas wie ihn hatte ich noch nie gesehen.“ Es war ihm nach Durchsicht aller Ergebnisse klar. &bdquo;Das ist ein Wunderknabe.“ Podicar hat dann ja auch bereits im Nachwuchsbereich auf sich aufmerksam gemacht. Der Sohn eines Möbelschreiners und einer Französischlehrerin ist dann Jahr für Jahr besser geworden und hat in der rauen Wirklichkeit abseits von Testgeräten seinen Weg gemacht. Er fährt ja nicht nur an der Spitze des Feldes bei der Tour de France. Er lässt das Peloton hinter sich, als wäre es ein lästiger Schwarm Fliegen. Gewiss: Das Sportinstitut mit all seinen Möglichkeiten ist nur ein kleiner Mosaikstein im Sportgetriebe aber auch ein bedeutender Grund, warum mittlerweile immer wieder über den slowenischen Sport berichtet wird. Dabei schwingt durchaus Respekt mit, dass ein Land mit nur zwei Millionen Einwohnern so viele Weltklassesportler im Frauen- und Männerbereich vorzeigen kann. Im Winter, wie im Sommer. Sehr viel individuelle Betreuung ist eines der Geheimnisse, unterstützt von der Tatsache, dass die Slowenen Sport in jeder Form lieben. Pogacar oder Roglic, der übrigens bei den Olympischen Spielen Slowenien vertreten wird, sind längst Helden zuhause geworden. Und es wird weiter investiert. &bdquo;Wir haben“, sagt Vodicar durchaus mit Stolz in der Stimme,“ein neues Velodrom in Nove Mesto gebaut.“ Doch jetzt haben sie in Slowenien ein Luxusproblem, wie Vodicar lächelnd erklärt: &bdquo;Es gibt im Moment keine Fahrräder mehr.“ Ob mit oder ohne Elektromotor.

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