Roger Federer: Vorbild für alle

Wer weiß, wie die Welt heute aussehen würde, wenn es zu Zeiten des Schreinersohnes Jesus von Nazareth schon überall Kameras gegeben hätte? Die Auferstehung gefilmt, unerbittlich und möglicherweise sogar entlarvend als makabres Kunststück, würdig, um vom Zirkus Roncalli als Hauptattraktion präsentiert zu werden? Wir wollen uns das lieber nicht vorstellen, denn wir brauchen Jesus als Anker unseres Lebens und auch als Vorbild für Nächstenliebe trotz Verrat. Ein Mensch für Millionen, einer der Hoffnung vermittelt und zu dem wir aufschauen in dieser mal wieder völlig aus den Fugen geratenen Welt.

Vorbilder, ja die brauchen wir. Zu jeder Stunde. Die Rolle freilich können nur diejenigen ausfüllen, die sich auch im Blickfeld der Öffentlichkeit tummeln, will heißen, deren Tun von Kameras immer wieder gezeigt wird. Da heißt es dann: Kontenance bewahren. Bescheidenheit ist damit gemeint. Selbstbeherrschung. Zurückhaltung auch und Disziplin. Die Umschreibung &bdquo;Fassung bewahren“ geht auch einher mit Kontenance. Das Wort leitet sich ab aus dem lateinischen &bdquo;continentia“ und ist längst ein Fremdwort geworden gerade dort, wo nicht nur eine, sondern gar ein Dutzend Kameras jede Bewegung in Szene setzen. Szenen, die Kopfschütteln auslösen Der Sportbetrieb, der eigentlich eine wunderbare Plattform sein könnte, um Vorbilder zu generieren, ist dabei ein Spiegelbild unserer Gesellschaft geworden. &bdquo;Fair-play“ nennen die Engländer den menschlichen Umgang miteinander auch in einer Konkurrenzsituation. Doch wir erleben längst mehrheitlich das krasse Gegenteil. Trainer, die am Spielfeldrand toben und jedwede Entscheidung der Unparteiischen gegen ihr Team gestenreich und mit verbalen Ausrutschern begleiten. Wie kleine, giftige Teufel rasen sie dann auf und ab und betrachten ihre Coachingzone als Gefängnis ihrer Emotionen. Das wirkt verstörend und ist alles andere als vorbildhaft. Es ist eher das Gegenteil der Fall. Als Vater würde ich sagen: Sohn, schau, so führt man sich nicht auf. Auf dem Platz setzt sich dann bedauerlicherweise dieser Einfluss fort und mündet in brutalen Fouls, die eigentlich den Tatbestand der vorsätzlichen Körperverletzung erfüllen.

Zu selten werden die Sportler ihrer Vorbildrolle gerecht. © APA/afp / PAUL ELLIS

Die Fans im Stadion toben mit, tumb und geifernd und freuen sich tatsächlich, wenn sich ein Spieler der gegnerischen Mannschaft schmerzverzerrt am Boden wälzt. Die sogenannten Vorbilder wundern sich dann später über die emotionale Brutalität, die in Schlachtgesängen von den Rängen auf das Spielfeld wabert und sich später in kaum noch kontrollierbare Aggression verwandelt. Dann werden reumütig Gespräche mit den Fanbeauftragten gesucht, um die Auswüchse einzudämmen. Dabei würde auch mal eine Unterhaltung mit den Akteuren inklusive der Trainer durchaus hilfreich sein. Zverev als Negativbeispiel Klar, der Sport lebt von Emotionen, von Gefühlen, die das reale Leben in seiner oftmaligen Eintönigkeit nicht bietet. Und bis zu einem gewissen Grad kann man vieles akzeptieren. Doch immer mehr offenbart sich eine gewisse Rohheit und auch Rücksichtslosigkeit. Das Gegenteil von Kontenance ist die heutige Realität. Da drischt der deutsche Tennisspieler Alexander Zverev voller Wut und unkontrolliert nach einer Entscheidung des Schiedsrichters, mit der er nicht einverstanden war, auf den Arbeitsplatz des Unparteiischen ein. Nicht einmal, nein mehrmals.

Kollegen von ihm zerstören regelmäßig vor den Augen von Millionen Zuschauern Tennisschläger, in dem sie diese voller Wut, auch über sich selbst, auf die Spielfläche dreschen. Strafen dafür? Kaum der Rede wert für die Akteure, die allesamt dem erlesenen Kreis der Millionäre angehören. Es ist eine deutliche Steigerung von Respektlosigkeit auszumachen. Dazu zähle ich auch den Aufschlag von unten von Zverev im Spiel gegen Jannik Sinner. Dass dieser ihm misslang, ist nur gerecht. Ein gutes Zeichen, dass sich die Fans nicht alles gefallen lassen und mitunter doch ein untrügliches Gefühl für Fehlverhalten offenbaren, war die Reaktion in Monte Carlo von den Rängen. Zverev wurde ausgebuht, obwohl er gewonnen hatte. Die Sympathien gehörten Sinner, dem Unterlegenen. Der beste deutsche Tennisspieler hat auf dem Weg, ein Vorbild zu werden, einen neuerlichen Rückschlag erlitten. Sein Image ist längst schwer beschädigt. Becker ist immer noch ein Idol Dagegen drücken viele Tennisfans Altmeister Boris Becker die Daumen, damit er trotz eines Schuldspruchs wegen Insolvenzverschleppung in London nicht ins Gefängnis muss. Der Widerspruch erklärt sich einfach. Becker war während seiner aktiven Karriere ein untadeliger Sportsmann. Er war der Liebling der Nation. Sein Geschäftsgebaren mindert seine Erfolge auf dem Tenniscourt in keiner Weise. Zu ihm schauen wir, sportlich, noch immer auf. Vielfach wird uns ja suggeriert, dass eine gewisse Bosheit und Ellenbogenmentalität notwendig sei, um letztlich den ganz großen Erfolg zu haben. Dann verweise ich auf den Schweizer Roger Federer, um beim Tennis zu bleiben. Er ist ein Vorbild in jeder Hinsicht, auch für diejenigen, die eigentlich Vorbilder sein sollten.

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Roger Federer: Vorbild für alle

Auf der Suche nach Vorbildern wird auch unser Kolumnist Sigi Heinrich nicht mehr so leicht fündig. Vielmehr erkennt er eine zunehmende Verrohung der Sitten im Sport und stellt auch fest, dass die fehlgeleiteten Emotionen von den Aktiven ausgehend eine fatale Auswirkung auf die Fans haben können.

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