Sigi's Spitzen | Törggelen mit Jannik Sinner

Sigi Heinrich, TV-Kommentator aus Deutschland und Südtirol-Liebhaber.

Es ist ein großes Glück, wenn man gute Freunde hat. Beste Freunde, die nicht geizen mit ihrem Wissen. Die Plätze kennen und sie verraten, in denen man ruhig und angenehm dem Südtiroler Herbstbrauch Törggelen frönen kann. Ich werde nur so viel verraten: Man sieht von dort oben logischerweise hinunter ins Tal, erkennt die Asphaltschlange der Autobahn und sitzt in einem Haus, dessen Grundstein im 16. Jahrhundert gelegt wurde.

Es ist wie eine Trutzburg mit gemütlichem Ambiente. Dicke Mauern umhüllen uns wie ein Kokon. Wir bekommen einen Platz im angebauten Salettl. Es sei etwas heller hier, sagt uns der rüstige Gastgeber, dem man seine 78 Jahre nun wirklich nicht ansieht. Eine umlaufende Bank bietet bequemen Platz und genug Abstand für vier Leute. Auf dem Tisch liegen zwei Ausgaben der &bdquo;Dolomiten“, ein Teroldego (autochthone Rotweinsorte, die hauptsächlich im Trentino angebaut wird) kommt frisch im Steinkrug aus dem Keller und schon die kleine Vorspeise mit kräftigem, hauchdünn geschnittenem Speck und Schüttelbrot macht Appetit auf die typischen Gerichte beim Törggelen wie Schlachtplatte, Gerstensuppe, Hauswurst und natürlich Kastanien. Überraschende Antworten An Themen für hitzige Diskussionen fehlt es zudem nicht. Die jüngsten Gemeinderatswahlen mit ihren Stichwahlen in Bozen und Meran werden noch einmal seziert. Dazu gibt es eine Prise Donald Trump, die unausweichlich ist und auch die mögliche bevorstehende Maskenpflicht bringt unterschiedliche Meinungen hervor. So wie sich das gehört. Und dann natürlich das sportliche Geschehen. Ich frage mal nach, wie sich das bei unserem Wirt mit Jannik Sinner verhält. Ob er den kenne? Und so für mich denke ich mir: Vermutlich nicht. In dem Alter wird er sich nicht für den Bub aus Sexten interessieren.

Gegen Rafa Nadal musste sich Sinner am Dienstag geschlagen geben. © AFP / ANNE-CHRISTINE POUJOULAT

Die Überraschung hätte nicht größer sein können. &bdquo;Ich habe bis jetzt jedes Spiel von ihm gesehen.“ Und er würde sich auch am Dienstagabend das Match gegen Nadal anschauen. Den kennt er also auch. Wahnsinn. Ob er denn immer schon am Tennis interessiert gewesen sei, will ich noch wissen, weil ich ob seiner Reaktion schon ziemlich baff bin. &bdquo;Nein“, sagt er. &bdquo;Erst seit Sinner.“ Und dann ist plötzlich jeder am Tisch ein Tennisfan. Die Vorhand von ihm sei &bdquo;gnadenlos“. Athletisch, gut, könne er noch zulegen. Aber seine Nerven. Irre mit dem Alter. Würden nicht alle sitzen, sie würden sich verneigen. Große Namen und viel Stolz Und dann, wie auf Knopfdruck, geht es los: Die Galerie der großen Sieger und bekannten Athleten, zu der Sinner scheinbar jetzt schon gehört, wird zum Leben erweckt. Es beginnt mit Gustav Thöni und Dominik Paris. Und ich spüre, wie Stolz mitschwingt in den Stimmen der Freunde, dass aus dem kleinen Südtirol immer wieder so große Sportler hervorgehen. Armin Zöggeler, Carolina Kostner, Klaus Dibiasi, Tania Cagnotto, Michael &bdquo;Much“ Mair, Erwin Stricker, Carlo Senoner, die Mölgg-Geschwister, Dorothea Wierer. Der Wasserfall der Namen scheint schier nicht zu versiegen. Ich erinnere an den Olympiasieger von 1992 in der alpinen Kombination, Josef Polig, der beinahe schon in Vergessenheit geraten ist.

Und endlich kommt man auch auf Tennis zurück und fairerweise (so sehe ich das) auf Andreas Seppi aus Kaltern, der es leider nie schaffte, einen solchen Hype auszulösen, wie das nun mit seinem Nachfolger Jannik Sinner der Fall ist. Dabei hat Seppi auf jedem Belag bei Grand-Slam-Turnieren mindestens einmal das Achtelfinale erreicht und war mal die Nummer 18 der Welt. So weit ist Sinner noch immer nicht. Und dennoch liegt dem Youngster die Tenniswelt zu Füßen, wobei das natürlich auch an der massiven Medienpräsenz liegt, die der 19-jährige in diesen Tagen erhält und die zu Seppis besten Zeiten nicht annähernd so intensiv war.

Bei den Tirteln (ich liebe sie mit Spinat) sind wir immer noch beim bevorstehenden Match gegen Nadal und es gibt einen klaren Konsens. Wir freuen uns auf die nächsten Spiele mit Jannik Sinner, der den unschätzbaren Vorteil hat, kein Saisonsportler zu sein. Das wird seine jetzt schon riesige Popularität ganzjährig am Köcheln halten. Und uns immer wieder Stoff für Diskussionen geben. Auch nach dem Törggelen.

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