Sinner braucht Olympische Spiele nicht

Es sei mir gestattet, noch einmal auf Jannik Sinner zurückzukommen. Der junge Tennisstar aus Sexten hat viel einstecken müssen zuletzt, weil er nicht an den Olympischen Spielen in Tokio teilnehmen will. Er ist aber auch, nicht zuletzt in den Dolomiten , die ich natürlich digital überall auf der Welt lesen kann, auf Verständnis gestoßen , was ich begrüßt habe. Nicht aber etwa die Reaktion des Präsidenten des Nationalen Olympischen Komitees, Giovanni Malagó, der Sinner fast schon des Hochverrats beschuldigte, weil er diese tollen Olympischen Spiele verschmäht.

Da stellt sich die erste Frage: Was hat die CONI für Sinner getan, um seine sportliche Entwicklung zu unterstützen? Die Frage ist leicht zu beantworten: Nichts. Schon deshalb besteht überhaupt kein Recht, Sinner quasi zwingen zu wollen, nach Tokio zu gehen. Und außerdem: Hat Italien im Moment nicht eine Menge erstklassiger Spieler? Zehn Akteure sind unter den Top-100 der Weltrangliste. Sinner ist, so hart das für den Südtiroler auch klingen mag, tatsächlich in Tokio zu ersetzen, zumal er in den vergangenen Momenten auf dem Weg in die Weltklasse auch feststellen musste, dass die Leichtigkeit des Spieles mit zunehmender Qualität der Gegner etwas gelitten hat. Jannik Sinners Höhenflug ist nicht gestoppt worden, sondern erlebt gerade eine Phase der Konsolidierung nach manchen Niederlagen, die man in seinem Alter (19) noch unter die Rubrik &bdquo;Lernprozess“ einordnen kann. Tennis als Randsportart Und was hätte Sinner in Tokio erwartet? Eine Tennisanlage, vermutlich ohne Zuschauer, denn in der japanischen Hauptstadt hat man ab kommenden Montan einen &bdquo;Virusnotstand“ verhängt. Das heißt in der Konsequenz dieser Entscheidung, dass keine Zuschauer in den Stadien zugelassen werden. Gut, Sinner hat einige Geisterspiele hinter sich wie viele seiner Kollegen, aber die Sache mit der Einmaligkeit der Atmosphäre von Olympischen Spielen ist damit endgültig dahin. Selbst die Eröffnungsfeier wird ohne Zuschauer über die Bühne gehen. Das ist im Grunde nur traurig und vom Erlebniswert nahe der Frustration für alle, die dann einmarschieren mit Musik und viel Vorfreude, die schnell Ernüchterung weichen wird.

Jannik Sinner hat in den letzten Wochen nicht sein bestes Tennis gespielt. © APA/afp / MIKE HEWITT

Nein, ein olympisches Erlebnis wäre das für Jannik Sinner nicht geworden. Es wird auch seinen Kollegen und Kolleginnen verwehrt bleiben, denn diese Olympischen Spiele werden möglicherweise reine TV-Spiele werden. Sogar die Politiker in Japan schwören die wenigen, die noch Spiele wollen im Moment, darauf ein und bitten etwa alle in Sapporo, nicht zu den Marathonstrecken zu gehen, sondern den Wettkampf zuhause im Fernsehen zu verfolgen. Das ist im Grunde eine Bankrotterklärung. Der olympische Geist ist nicht beim Tennis Sinner hat das also grundsätzlich richtig entschieden, zumal es ganz klar Sportarten gibt, die der olympische Geist nicht streift. Fußball etwa gehört dazu. Gerade jetzt nach der Europameisterschaft interessiert das Kickerturnier nicht einmal mehr am Rande. Die Teams rekrutieren sich aus vielen, die in ihren Clubs nur Ersatzspieler sind, zumal ja die Vorbereitung auf die kommende Saison jetzt beginnt. Und außerdem dürfen ja nur U21-Spieler teilnehmen plus drei, die dann auch zehn Jahre älter sein dürfen. Fußball hat keine olympische Tradition und trotz aller Bemühungen und der Tatsache, dass Tennis bei den I. Olympischen Spielen 1896 bereits im olympischen Programm war, haben die Grand-Slam-Turniere die olympischen Wettkämpfe im Tennis an Bedeutung überholt, zumal der Filzball von 1928 bis 1988 Pause hatte unter den fünf Ringen. In Seoul kam er wieder zum Einsatz, vor allem um Steffie Graf aus Deutschland seinerzeit den sogenannten &bdquo;Golden Slam“ zu ermöglichen. Vier Grand-Slam-Siege plus Olympiagold. Das ist ihr gelungen.

Golf etwa wird auch von vielen Menschen gespielt und trotzdem weiß auf Anhieb sicherlich niemand zu sagen, wer bei der Wiederaufnahme des Golf-Turniers bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro nach 112-jähriger Pause als Sieger auf dem Podest stand (Justin Rose aus Großbritanien bei den Männern und Park in-bee aus Korea bei den Frauen). Das Leben hält viele Türen offen Die Faszination Olympische Spiele hat in den letzten Jahren zweifellos gelitten, auch weil für viele Aufwand und Nutzen in keinem Verhältnis mehr als Ausrichter standen. Das ist auch in verschiedenen Sportarten weiterhin so. Tennis gehört dazu. Vielfach fehlen die Besten, weshalb sich Jannik Sinner nicht den Kopf zerbrechen muss, weil ihn ein paar olympiahörige Funktionäre für seine Absage kritisieren. Und nicht vergessen. In drei Jahren gibt es schon wieder olympische Spiele. Sinner wäre in Paris 22 Jahre alt. Das Tennisleben hat noch viele Türen offen für ihn, auch olympische Türen.

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