Dorothea Wierer: „Sie verstehen nicht, wie schwierig Biathlon ist“

Die Saisonvorbereitung geht nun in die finale Phase über. Wie fit ist Dorothea Wierer gut 3 Wochen vor dem Weltcupauftakt in Östersund? &bdquo;Ich hatte jetzt rund zwei Monate lang ein Tief, eine schwierige Phase. Da ist vieles gleichzeitig zusammengekommen, das Training, die Vorbereitung und unzählige Termine. Jetzt bin ich froh, dass wir uns in Schweden etwas vom Alltagsgeschehen abschotten und wir an nichts denken müssen, außer an Biathlon. Diese zwei Wochen sind mental enorm wichtig, jetzt wird der Grundstein für eine erfolgreiche Saison gelegt.“

Gleichzeitig ist das Trainingslager aber auch eine sportliche Standortbestimmung. &bdquo;Genau, die kommenden Tage stehen mehrere Testevents mit der schwedischen Nationalmannschaft an. Da die Skandinavierinnen bereits seit gut einem Monat auf Skiern üben und ihren Trainingsvorteil bislang nutzen konnten, sind die Ergebnisse sicherlich mit Vorsicht zu genießen. Allerdings schafft der Vergleichskampf durchaus Anreize. Da beginnt langsam wieder das Kribbeln.“

Apropos Skandinavierinnen: Läuft kommenden Winter wieder alles auf das Duell Dorothea Wierer gegen Norwegen hinaus? &bdquo;Es gibt im Weltcup eine ganze Reihe an Sieganwärterinnen. Aber es ist schon so, dass die Norwegerinnen eine unglaublich starke Truppe stellen. Bei ihnen im Team ist das Level einfach extrem hoch, sie pushen sich schon im Nachwuchsalter gegenseitig und dringen schließlich in großer Zahl in die Weltspitze vor. Das ist bei anderen Nationen anders. In Italien etwa haben wir nicht diese breite Masse an Biathletinnen, deshalb sind auch nicht alle auf Weltklasse-Niveau. Wir versuchen aber, aus unseren Möglichkeiten das Beste zu machen und die großen Wintersportnationen zu ärgern. Das ist uns bisher ganz gut gelungen. Und wir werden auch diesen Winter wieder angreifen, versprochen.“

Dorothea Wierer will Gesamtweltcup-Siegerin Tiril Eckhoff (vorne) in diesem Winter Paroli bieten. © APA/afp / MICHAL CIZEK

Haben Sie im Vergleich zu anderen Jahren etwas umgestellt in Ihrer Vorbereitung? &bdquo;Ich habe in diesem Sommer mit Lukas Hofer, Dominik Windisch, Didier Bionaz und Tommaso Giacomel eine Trainingsgruppe gebildet. Sie sind Athleten, die in jedem Training ans Limit gehen und dich auch an schwierigen Tagen oder in Momenten extremer Müdigkeit nochmal anspornen und dich 'guzzeln'. Das waren teilweise richtig harte Einheiten und dieser ungewohnte Vergleich durchaus eine neue Erfahrung für mich. Inwieweit sich das bezahlt macht, wird man aber erst im Laufe des Winters sehen.“

In fast exakt 3 Monaten beginnen die Olympischen Winterspiele. Wie häufig schweifen Ihre Gedanken bereits nach Peking? &bdquo;Das spielt aktuell noch keine Rolle. Ich weiß, dass die Erwartungen hoch sind – speziell bei jenen Personen, die nicht direkt in diesen Sport involviert sind. Sie verstehen einfach nicht, wie schwierig Biathlon ist. Man vergleicht es gerne mit dem Langlaufsport, doch dort fehlt das Schießen als große Variable, die alles auf den Kopf stellen kann. Man kann noch so gut in Form sein, Prognosen sind kaum möglich. Deshalb kann ich nicht hergehen und sagen, ich gewinne in Peking eine Medaille.“ „Auf mich wetten würde ich nicht.“ Dorothea Wierer Sie sind aber durchaus jemand, der das Rampenlicht sucht und sich dadurch nochmal zusätzlich pusht. Ist das nicht eine schmale Gratwanderung? &bdquo;Das stimmt schon. Denn einerseits freut es mich, wenn mit mir mitgefiebert wird. Das heißt, dass ich etwas geleistet habe und meine Ergebnisse honoriert werden. Andererseits darf man nicht vergessen, dass man für einen Sieg nicht nur die passende Form sondern auch eine gehörige Portion Glück benötigt. Uns Biathleten spielt da zweifelsfrei in die Karten, dass wir bei Olympia 6 Rennen bestreiten und damit de facto 6 Medaillenchancen haben. Aber sagen wir mal so: Auf mich wetten würde ich in Peking nicht.“

Sie haben die Erwartungen angesprochen. Wie gehen Sie mit diesem Druck um? &bdquo;Den Druck bin ich mittlerweile gewohnt. Ich werden es im Weltcup, aber auch später bei Olympia so machen, wie ich es immer mache: Ich werde hinfahren und versuchen, einfach das Rennen zu genießen, die Atmosphäre aufzusaugen und dadurch für mich selbst eine positive Grundstimmung aufzubauen. Dann geht bei mir meist alles wie von alleine. Ich hoffe, das hilft mir dann auch, mit widrigen Umständen fertigzuwerden.“

Mit welchen Widrigkeiten rechnen Sie? &bdquo;Zum einen meine ich damit die von Ihnen angesprochene Erwartungshaltung, aber zum Beispiel auch die Corona-Auflagen, die an den Wettkampforten zu erfüllen sind. Sie sind natürlich sinnvoll und notwendig, gleichzeitig ist das Protokoll über eine Saison hinweg aber auch anstrengend. Hinzu kommen die Wettkampfbedingungen vor Ort, mit denen man klarkommen muss. Im Olympiazentrum in China etwa kann es am Schießstand sehr kalt und windig sein, da ist es wichtig, eine gewisse Coolness zu bewahren. Aber für gewöhnlich fällt mir das nicht schwer. Ich hoffe, mit meiner positiven Einstellung und einem Quäntchen Gelassenheit erfolgreich durch die anstehende Saison zu kommen.“

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