Rebecca Passler gegen Dorothea Wierer

Es war ein langer Sommer, ein schöner irgendwie auch mit vielen Sonnentagen. Gut, vielleicht hat es zu wenig Regen gegeben. Aber insgesamt gesehen war es ein Traum. Wenn der Winter so werden soll wie der Sommer war, dann muss er sich anstrengen. Die Meteorologen machen uns Mut. Sie prophezeien Schnee am ersten Advent und sogar an Weihnachten. Wäre natürlich toll, keine Frage. Für mich beginnt mit diesem kommenden Wochenende die 23. Biathlon-Saison und so verrückt es klingen mag, so ehrlich ist es auch: Ich bin nervös. Dabei müsste ich doch ganz auf coole Socke machen können mit all den Erfahrungswerten im Gepäck. Aber meine Gefühlslage unterscheidet sich da nicht von jener der Aktiven, über die ich bei Eurosport berichten darf. Darf. Das schreibe ich so bewusst, weil ich es auch nach der langen Zeitspanne beim Sender (seit Beginn 1989) immer noch als Privileg sehe, dass ich meinen persönlichen Traum des Sportreporters ausleben kann. Ich betrachte es nie als Arbeit, sondern ich freue mich nach wie vor tierisch, wenn ich meinen Kopfhörer aufsetzen darf. Dann bin ich in einer anderen Welt, die sich mir öffnet wie ein Schmuckkästchen. Und dauernd entdecke ich etwas Neues. Das wird auch diesmal so sein.

Die 20-jährige Rebecca Passler zum Beispiel wird in Östersund am Start sein. Zum ersten Mal beim Weltcup. Klar werden da Erinnerungen wach an Dorothea Wierer, die dereinst vor vielen Jahren mit der Pferdekutsche durchs Antholzer Tal chauffiert wurde, nachdem sie drei Goldmedaillen bei den Junioren-Weltmeisterschaften in Nove Mesto na Morave (Tschechien) gewonnen hatte. Sie ist längst einer der großen Stars der Biathlon-Szene. Rebecca Passler, die Nichte der Antholzer Biathlon-Legende Johann Passler, wird nun schon als potentielle Nachfolgerin von Wierer gehandelt. Sie hat bei zwei Junioren-Weltmeisterschaften vier Silbermedaillen gewonnen und bei den italienischen Meisterschaften am Ende der vergangenen Saison sogar Wierer und Lisa Vittozzi im Massenstart besiegt. Deshalb durfte sie vor diesem Winter im sogenannten A-Kader trainieren. Also auch mit Lukas Hofer und Dominik Windisch. Keine Wunderdinge von Passler erwarten Es wird spannend sein zu beobachten, wie sich das Küken aus Südtirol in der rauen Welt des Weltcups schlagen wird. Wunderdinge sollte man bitte nicht erwarten. Wie sagte doch unlängst Dorothea Wierer: &bdquo;Die meisten wissen nicht, wie schwer Biathlon ist.“ Da könnte man auch bei einer Quereinsteigerin nachfragen: Stina Nilsson aus Schweden ist Olympiasiegerin. Im Langlauf. Sie gewann in Pyeongchang den Sprint. Danach erwachte das Interesse am Biathlon. Sie sattelte um, fand aber im vergangenen Winter noch nicht den ultimativen Zugang zum Biathlon. Auch das wird eine interessante Beobachtung werden, zumal es schon einige Athletinnen gab (tatsächlich fast nur Frauen), die den Umstieg in Angriff genommen haben und am Ende Weltklasse waren. Magdalena Forsberg aus Schweden zum Beispiel oder Kati Wilhelm.

Auch Denise Hermann, die jetzt zusammen mit Franziska Preuss die deutsche Mannschaft anführt, begann als Langläuferin. Sie alle wissen um die Problematik im Biathlon. Der Umgang mit dem Kleinkalibergewehr muss automatisiert werden und dann ist da der besondere Umstand, dass man nach ein paar Kilometern plötzlich wieder stehen bleiben muss. Um zu Schießen eben. Dann wieder laufen. Der Puls soll oben gehalten werden dabei, weshalb auch das Training gänzlich anders gestaltet wird wie bei den reinen Langläufern. Die besondere körperliche, aber auch mentale Belastung fordert deshalb mitunter ungewohnt früh ihren Tribut. Obwohl noch im besten Wettkampfalter haben Simon Schempp und auch Arnd Peiffer ihre Skier in die Ecke gestellt und die Gewehre entsorgt und dass, obwohl doch in ein paar Monaten olympische Spiele auf dem Programm stehen. Doch nicht einmal der Lockruf der fünf Ringe konnte sie umstimmen, weshalb gerade bei den deutschen Biathlon-Männern eine neue Zeitrechnung beginnt, die mancher gar mit Sorge betrachtet, denn aus der erfolgreichen Generation der letzten Jahre ist nur noch Erik Lesser geblieben.

Andererseits kann man sich im deutschen Team auch mit einem Blick auf die Konkurrenz trösten. In Norwegen folgte auf Ole-Einar Björndalen, der momentan Trainer in China ist, Johannes Thingnes Boe, gemeinsam mit dessen Bruder Tarjei. Oder in der vergangenen Saison Sturla Holm Laegreid. Und auch in Frankreich wurde nicht lange gejammert, als Martin Fourcade seine Laufbahn beendete. Da machte sich gar das gesamte Team auf, um ihn zu ersetzen. Eine solche Reaktion erhofft man sich natürlich auch von der deutschen Mannschaft, denn eines ist auch klar. Nur mit Erfolgen kann das Interesse am Biathlon weiter auf dem bislang hohen Stand gehalten werden. Ein verlässlicher Sport Biathlon ist auf jeden Fall ein verlässlicher Sport. Der Wettkampfkalender folgt stets dem gleichen Rhythmus. Nach dem Start mit zwei Einzelwettkämpfen in Östersund (Schweden) folgt an gleicher Stelle der erste große Block, dem zwei weitere Wochen folgen bis Weihnachten. Ja und dann kommt das klassische Dreigestirn mit Oberhof, Ruhpolding und Antholz. Das Finale ist nach den Olympischen Spielen wie immer in Oslo (Norwegen). Die einzige Unsicherheit beschert uns dabei Covid-19. Mit oder ohne Zuschauer: Das ist noch immer das große Fragezeichen, das auch über dieser Saison schwebt. Und so bleibt im Grunde vor allem das Prinzip Hoffnung wie auch bei allen Mannschaften, die hoffen, dass alle Trainingsmaßnahmen jetzt auch im Wettkampf greifen. So genau weiß man das nämlich nie vorher, weshalb wir uns alle freuen, dass wir nun bald Gewissheit haben. Meine Kopfhörer liegen jedenfalls bereit. Ich kann es kaum erwarten.

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Rebecca Passler gegen Dorothea Wierer

Am kommenden Wochenende steht endlich auch der erste Biathlon-Weltcup auf dem Programm. Unser Kolumnist Sigi Heinrich wird alle Rennen live für Eurosport kommentieren und ist schon voller Vorfreude.

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