Ein Winter ohne Gröden-Abfahrt?

Nach dem Winter ist vor dem Winter. Und noch so eine flotte Binsenweisheit: Der Sommer ist schneller vorbei als man denkt und im Herbst, ja im Herbst geht es schon wieder weiter in Sölden. Der Riesenslalom auf dem Gletscher im Ötztal steht Ende Oktober auf dem Programm. Vermutlich noch einmal in zwei Durchgängen. Also alle starten und die besten 30 dürfen noch einmal ran, um den Sieger zu ermitteln. So wie wir das halt gewohnt sind seit Jahr und Tag.

Aber diesmal wird es vielleicht ein letztes Mal so sein, denn der neue Präsident des Internationalen Ski-Verbandes (FIS), der schwedisch-britische Geschäftsmann Johann Carl Eliasch, hat Großes vor. Aus seiner Sicht jedenfalls. Er will schlicht den alpinen Skisport einer kompletten Runderneuerung unterziehen und dazu gehört eben auch die Überlegung, die Entscheidung im Riesenslalom nur mehr in einem Durchgang auszutragen. Es wäre eine der krassesten Regeländerungen in der Sportgeschichte. Volleyball, Tischtennis & Co. Bislang hat man sich eher mit vorsichtigen Schritten in verschiedenen Verbänden den Anforderungen an die Fernsehwelt genähert. Im Volleyball konnte man früher nur Punkte erzielen, wenn man den Ball als Aufschlag in Spiel brachte. Das führte zu schier grenzenlos langen Spielzeiten. Mittlerweile hat man noch mehr Veränderungen beschlossen, um dem Spiel mehr Dynamik zu verleihen. Das ist gelungen. Auch die Zählweise im Tischtennis ist gestrafft worden und der Umfang des Balles wurde ebenso erhöht wie dessen Beschaffenheit. Auch das hat sich alles positiv ausgewirkt.

FIS-Präsident Johann Carl Eliasch. © KEYSTONE / JEAN-CHRISTOPHE BOTT

Was freilich im alpinen Skisport gerade passiert, ist von einer Größenordnung, die man nie für möglich gehalten hat. Es ist eine Revolution, ausgelöst vom neuen Präsidenten, einer durchaus schillernden Figur. Er ist Milliardär und wohl nach wie vor Besitzer der Firmengruppe Head.n.V, deren CEO er jahrelang war. Dieses Amt zumindest hat er wohl nach seiner Wahl zum FIS-Präsidenten abgegeben. Er besitzt einen Regenwald in Brasilien mit mehr als eintausend Quadratkilometern, mit dem er den ökologischen Fußabtritt im Skisport verringern will, wie immer das gehen soll. Er ist politisch bestens vernetzt und auch im Jet-Set zuhause. Und er sagt von sich selbst, ohne Zweifel aufkommen zu lassen, dass der Skisport erneuert werden muss und natürlich er der beste Mann dafür sei, dieses zu bewerkstelligen.

Eliasch bringt sich in Stellung und will noch viel, viel mehr. Die Eigenvermarktung des Skisports etwa. Diese hat sein Vorgänger Gianfranco Kasper an Fremdfirmen vergeben. Bestehende Verträge gibt es. Eliasch ficht das nicht an, weshalb derzeit eine unfassbar große Unsicherheit herrscht. Der Terminkalender für die kommende Saison steht immer noch nicht. Veranstalter wie etwa in Gröden oder Alta Badia haben noch immer keinen blassen Schimmer, ob sie überhaupt Rennen planen können. Der neue Präsident hängt nämlich nicht an den Traditionsorten. Er will nach China, denn dort sieht er auch die monetäre Zukunft des Verbandes und wohl auch drastisch erhöhte Verkaufszahlen aller Wintersportartikel. Die seiner Firma vermutlich eingeschlossen. Die Gunst der Athleten? China soll der Heilsbringer sein für den Wintersport der Zukunft und weil Eliasch wohl ahnt, dass er viele mit seinen Ideen gegen sich aufbringt, sichert er sich das Wohlwollen der Aktiven. Sein Satz, er sehe nicht ein, dass ein Skifahrer in einer Saison nur so viel verdient, wie ein Tennisspieler in einer Woche, wird den Ski-Assen die helle Freude ins Gesicht treiben. Und man muss kein Prophet sein, um vorauszusehen, dass ihm die Protagonisten des alpinen Skisports vor allem mit einem Blick auf ihre Bankkonten willig folgen werden. Etwa auf das Matterhorn. Denn dort soll schon in der nächsten Saison eine Abfahrt durchgeführt werden. Die längste, die es je gegeben hat mit dem höchsten Start der Geschichte. Auf fast 4000 Metern Höhe soll das Spektakel losgehen.

Nachtrennen, in der Abfahrt wohlgemerkt, sind geplant, der Super-G hat wohl keine Zukunft mehr. Vielleicht geht es ja weiter, denn der alpine Skisport ist ja nur eine Sparte der FIS. Eine neue Schanze, von der man mehr als 300 Meter fliegen kann. Langlauf, der schon pervertiert wurde durch den Abschluss der Tour de Ski, bei dem es mit den schmalen Latten eine Skipiste hinaufgeht, was mit Langlauf nun gar nichts mehr zu tun hat, darf vor weiteren Einschnitten nicht sicher sein. Der alpine Skisport ist in Gefahr Johann Carl Eliasch hat eine neue Spielwiese gefunden, die zum Glück aber noch verbandsdemokratischen Strukturen unterliegt. Der Schweizer Präsident von Swiss-Ski, Urs Lehman, ehemaliger Abfahrtsweltmeister, wird sich im Vorstand der FIS ganz sicher mit deutlichen Worten einbringen. Aber viele Mitstreiter wird er vermutlich nicht haben, denn es ist auch der schnöde Mammon, der viele auch in der Führungsriege blenden wird.

Der alpine Skisport, wie wir ihn kennen und lieben, ist in Gefahr, seine Wurzeln zu verlieren. Aber vielleicht ist das auch der Zeitgeist. Immer mehr Zirkus, laut und schillernd. Der Sport als Nebensache. Es ist eine traurige, wenngleich wohl kaum mehr umkehrbare Situation. Fest steht nur eines unwiderruflich: Der nächste Winter kommt bestimmt und er wird vermutlich wieder spannend werden. In jeder Beziehung. Nicht nur auf der Skipiste.

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Ein Winter ohne Gröden-Abfahrt?

Der neue Präsident des Internationalen Ski-Verbandes (FIS), Johann Carl Eliasch, will im Eiltempo den Skisport revolutionieren. Traditionsrennen wie Gröden oder Alta Badia stehen auf dem Prüfstand und blicken in eine unsichere Zukunft.

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