Sigi's Spitzen: Richtungswechsel im Skisport

Sigi Heinrich

Eigentlich ist es klar: Es gibt nur eine Richtung im alpinen Skisport und die geht von oben nach unten. Alles andere ginge auf Kosten der Zeit und das wiederum würde sich gar fürchterlich auf das Ergebnis auswirken. Ein Blick auf das erste Resultat dieses Ski-Winters genügt freilich, um die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass einige Teilnehmer der Nationen, die früher zu den Großen der Szene gehörten, ihre Skispitzen ab und zu doch entgegen der Fahrtrichtung bergwärts stellten. Oder dass sie ihre Schwünge zu weit von den Toren weg platzierten und somit die Schussfahrt ad absurdum führten, obwohl diese doch schon durch Richtungsänderungen abgebremst wurde.

Die österreichische Flagge fehlte in den vorderen Rängen sowohl bei den Damen als auch bei den Herren-Rennen. Nicht viel anders verhielt es sich mit dem deutschen Team. Als hätten sich beide abgesprochen. Bloß nicht zu früh die Karten auf den Tisch legen. Dabei haben beide Teams nichts mehr in der Hinterhand, weil ihre Asse nicht mehr stechen können. Es gibt nicht mal Joker. Vorbei ist all die Herrlichkeit. Hirscher hat das Austria-Team jahrelang bei den Männern am Leben erhalten, vor allem in den technischen Disziplinen und nach dem Rücktritt von Anna Veith fehlt jetzt auch bei den Damen eine Vorzeigeathletin. Eine, die Lücken schließen und Fehlsteuerungen im System aufgrund ihrer individuellen Klasse ausgleichen kann. Den Nachbarn geht es ähnlich. In der Grunddisziplin des alpinen Skilaufs, dem Riesentorlauf, herrscht im Alpenrandgebiet Deutschland bei den Damen totale Alarmstimmung nach dem Rücktritt von Viktoria Rebensburg. Es ist niemand in Sicht, der auch nur annähernd die Qualität der Olympiasiegerin von Vancouver vorweisen kann, die zudem zuletzt auch in den Speed-Disziplinen vorne weg sauste. Zu lange hat man sich auf beiden Seiten auf die letzten Ausnahmekönner verlassen. Durchhalteparolen gleichen sich Und nun: Ein Satz verbreitete sich schneller als Covid-19 in Europa: Das war, so sagten viele der Trainer, die lange Gesichter machten nach den Auftaktwettbewerben, das war also &bdquo;ein Schritt in die richtige Richtung“. Also doch? Es klang wie abgesprochen, denn mit diesem wunderbaren Satz lassen sich Versäumnisse der Vergangenheit erst einmal abfedern. Er klingt nämlich so, als habe man alles richtig gemacht und es fehlt jetzt nur an der Umsetzung der &bdquo;gezeigten Trainingsleistungen.“ Auch dieser Ausspruch hat Gültigkeit über Grenzen hinweg. Das kam aus Österreich und aus Deutschland. Damit wird uns suggeriert, dass die Resultate ja bei weitem nicht dem eigentlichen Können entsprechen. Das soll die Fans und vielleicht auch die Sponsoren beruhigen. Alles also nicht so dramatisch. Und natürlich lässt sich das auch fast widerspruchslos behaupten, denn wir sind ja selten, respektive nie, im Training dabei. Internationalität im Ergebnisblock Auch wenn alles schwierig war in Sölden, der Hang und die Umstände, so ist doch klar geworden, dass der Ski-Weltcup an Internationalität gewonnen hat. Italien und Schweiz haben hart gearbeitet und ihre Probleme der Vergangenheit scheinbar gelöst. Jetzt sind sie vorne dran wie auch die Norweger, die dank ihres Teamspirits trotz Schwierigkeiten immer wieder im Verband, wozu auch gehört, dass Sponsoren nicht eben Schlange stehen, für Furore sorgen. Der norwegische Brasilianer Lucas Braathen (die Mama ist aus Südamerika) gewann in Sölden. Neuseeland ist vertreten, die USA, das kleine Slowenien, Tschechien.

Peter Schröcksnadel, der nimmermüde Präsident des Österreichischen Ski-Verbandes (ÖSV), hat noch in jedem Jahr seiner langjährigen Amtszeit den Wunsch geäußert, dass möglichst viele Nationen im Ski-Zirkus vorne dabei sein mögen. Das nämlich helfe, so sein Dauercredo, dem Tourismus. Dem in Österreich natürlich. Dabei ist er selbstverständlich davon ausgegangen, dass sich alle respektvoll hinter seinem Team einordnen. Doch der Respekt ist weg. Österreich und Deutschland sind im alpinen Skisport in weiten Bereichen abgehängt worden. Und die Sache mit den Touristen, die hat in diesen Tagen auch an Bedeutung verloren. Wegen ein paar Weltcuppunkten kommt niemand mehr zum Skilaufen. Das Virus bestimmt die Richtung. Das ist im Augenblick die einzige, leider viel zu verlässliche Größe, nach der wir uns richten müssen. Und dabei soll es nicht bergab, sondern bergauf gehen.

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