Olympisches Boykott-Säbelrasseln

Es ist immer wieder verwunderlich, mit welch ungeheuerlicher Naivität die Politik immer und immer wieder meint, mit einem Boykott etwa könne man Veränderungen herbeiführen, ja erzwingen. Im Augenblick versucht die USA mal wieder, Partner zu gewinnen, um einen Olympia-Boykott für die Winterspiele 2022 in Peking in Erwägung ziehen zu können.

Es sind vor allem Politiker der Republikaner, die jetzt mit dem Säbelrasseln beginnen. Als Grund führen sie Menschenrechtsverletzungen der chinesischen Behörden in Xinjang an. Menschenrechtsorganisationen zufolge sind in der nordwestchinesischen Provinz mindestens eine Million Uiguren und andere Angehörige muslimischer Minderheiten in Haftlagern eingesperrt. Dort werden sie den Angaben zufolge zur Aufgabe ihrer Religion, Kultur und Sprache gezwungen und teilweise auch misshandelt. Peking weist die Anschuldigungen zurück und spricht von Ausbildungs- und Arbeitsprogrammen, die den Extremismus in der Region bekämpfen sollen. Bach war selbst Boykott-Opfer Ein Olympiaboykott soll das also ändern? Ein Blick in die Vergangenheit genügt, um festzustellen, dass ein Boykott noch nie die erhoffte Wirkung gezeigt hat. Es ist im Gegenteil ein harmloses und stumpfes Schwert, das Nachteile nur für diejenigen bringt, die jahrelang darauf hingearbeitet haben, bei den Olympischen Spielen dabei sein zu können: Die Sportler. Thomas Bach ist mittlerweile der Präsident des IOC. © APA/afp / FABRICE COFFRINI

Thomas Bach, erst kürzlich für eine zweite Amtszeit als Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) bestätigt, hat der Boykott 1980 in Moskau tief geprägt. Wegen der Invasion sowjetischer Truppen in Afghanistan blieben die USA, Deutschland und 63 weitere westliche Staaten damals den Spielen fern. 16 westliche Staaten mit Großbritanien und Italien an der Spitze machten indes nicht mit. Bach fühlte sich wie alle anderen Sportler als Spielball der Politik. Der damalige deutsche Bundeskanzler sah gar den Weltfrieden gefährdet, wenn Deutschland in Moskau an den Spielen teilnehmen würde. So weit ich weiß, hat Bach, der damals engagierter Athletensprecher war, danach nie mehr mit Helmut Schmidt gesprochen. Nach Moskau folgt Los Angeles Der eine Boykott zog den anderen nach sich. In Los Angeles fehlten vier Jahre später die Sowjetunion und 14 weitere Ostblockstaaten mit Ausnahme von Rumänien und dem blockfreien Jugoslawien. Durch diese Maßnahmen, die allesamt von Regierungen über die Köpfe der Sportorganisationen in ihrem Land beschlossen wurden, drohte den Spielen das Ende. Auch 1988 wurde noch einmal boykottiert. Nordkorea blieb in Seoul zuhause, weil man nicht als Co-Organisator der Spiele in Südkorea eingebunden wurde. Seit den Spielen in Barcelona 1992 blieb alles ruhig. Bis jetzt.

Wieder einmal meinen ein paar Politiker vorwiegend in den USA, sie könnten China mit einem Boykott in die Knie zwingen. Dabei sollten sie zunächst mal in punkto Menschenrechte vor der eigenen Türe kehren. Das Hauptproblem ist indes die Tatsache, dass dieses Gift des Boykotts sich ausbreiten könnte, weil es auf den ersten Blick ein einfaches Mittel ist, um Druck zu erzeugen. Es belastet nur vorübergehend das Verhältnis der Staaten zueinander, rüttelt aber nicht einmal ansatzweise an den wirtschaftlichen Verbindungen.

Allerdings ist das IOC an der Sachlage nicht ganz unschuldig, weil man in der Zeit, in der die Wahl für 2022 auf der Agenda stand, nur noch mit Almaty (Kasachstan) und Peking zwei Kandidaten zur Wahl hatte, in denen nachweislich Pressefreiheit und Menschenrechte zweitrangig sind. Man hätte beide erst gar nicht zulassen sollen. St. Moritz, Oslo, Stockholm und München, allesamt tolle Kandidaten, hatten dem IOC zuvor Absagen erteilt, die man hätte verhindern können. Mit jeder dieser Städte wäre das Thema Boykott nicht einmal ansatzweise aufgekommen.

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