Die Krise bewältigen: So geht es mit den Ski-Damen wieder bergauf

Was der Landesverband zuletzt versäumt hat, hat s+ im ersten Teil der umfangreichen Ursachenforschung zur Ski-Krise bereits aufgegriffen. Ausbleibende Ergebnisse sind allerdings immer die Summe aus mehreren negativen Faktoren, die auf ihrer Weise die Entwicklung eines Athleten negativ beeinträchtigen. Wie steht also um die Masse in Südtirol, um die Trainingsmöglichkeiten- und Methoden, um den Willen der Athleten, die Bravour der Coaches. Skisport so beliebt wie noch nie Sie ist Präsidentin des größten Skiclubs in Italien, Leiterin des Ski-Colleges in St. Ulrich, seit Jahrzehnten in der Branche aktiv, sitzt im Vorstand des VSS und weiß, wovon sie spricht: Lidia Bernardi. Die &bdquo;Macherin“ des Skiclub Grödens hat in der männerdominierten Welt schon vieles gesehen. Und sie sagt, dass Südtirol zurzeit einen wahren Boom an Skifahrern erlebt: &bdquo;Die Zahlen der Eingeschriebenen waren weder im Skiclub noch in der Sportoberschule jemals so hoch.“ Alleine in ihrem Club zählt die Frau aus St. Ulrich 128 Skifahrer – ein Rekord. Im Rest Südtirols sei die gleiche Tendenz zu erkennen. Das Problem der Masse an Athleten ist damit schon vom Tisch. &bdquo;Alles war zu spielerisch – und jetzt bekommt man die Quittung.“ Lidia Bernardi Der Unterschied zu anderen Teilen Italiens, wo ein ähnlicher Boom zu erkennen ist, die Zahlen aber beileibe nicht so hoch wie hierzulande sind, sei ein anderer. Dort werde das professionelle und zielgerichtete Arbeiten seit Kindesalter vorgelebt. Laut Bernardi ist es nicht ungewöhnlich, dass 10- oder 12-jährige Mädchen 40 Tage im Sommer am Gletscher verbringen. In Südtirol sei man davon weit entfernt. &bdquo;Alles war zu spielerisch – und jetzt bekommt man die Quittung“, sagt sie. Der Beginn dieser Entwicklung liege schon über 10 Jahre zurück, seit einigen Jahren habe man hierzulande eingelenkt und begonnen, wieder härter zu trainieren. &bdquo;Gute Ergebnisse sind daher erst in ein paar Jahren zu erwarten, aber wir sind auf einem guten Weg“, versichert Bernardi und verweist auf äußerst erfolgreiche nationale U12- und U14-Rennen im letzten Winter.

Seit Jahrzehnten im Skisport aktiv: Lidia Bernardi © Ski Club Gröden

Darüber hinaus hapert es aus Bernardis Sicht auch an den Trainingsmöglichkeiten für die kleineren Vereine. Südtirols Klubs müssten hier an einem Strang ziehen und sich zusammentun, um das Skifahren im allgemeinen zu fördern. Sie schlug im Landesverband vor, dass die besten Athleten stützpunktartig in Südtirols größten Ski-Zentren trainieren sollen. Zunächst ist daraus allerdings noch nichts Konkretes hervorgegangen. Eine Karriere abseits der Sportoberschule, so wie sie Denise Karbon oder Karen Putzer eingeschlagen hatten, sei heutzutage indes undenkbar. Tourismus als große Hürde Eine andere Meinung vertritt Karl Heinz Goller. Er ist der Mann hinter den Kulissen und gilt als ausgewiesener Experte und Kenner der Szene, der seit Jahrzehnten den Nachwuchsskisport der Mädchen hautnah verfolgt. Goller ist überzeugt, dass der immer größer werdende Tourismus sich negativ auf den Leistungssport auswirkt. &bdquo;Für die Trainer und Clubs wird es Jahr für Jahr schwerer, den Mädchen ein qualitativ hohes Training zu bieten. Man muss sich Beine ausreißen, um eine adäquate Piste zu finden und diese zu sichern“, betont Goller.

Zudem – und das hat auch Dominik Paris etliche Male unterstrichen – ist der Grödner überzeugt, dass der Mangel am &bdquo;frei Skifahren“, sprich ohne Tore, den Athleten schadet. Allerdings sei ihnen kein Vorwurf zu machen, da man beim heutigen Andrang das schnelle Fahren auf Pisten verantwortungslos und gefährlich wäre. &bdquo;Ich kann ihnen nicht sagen, fahrt schnell. Das geht nicht. Und hat man das frei fahren nicht in seinem System verinnerlicht, dann fehlen einige Prämissen.“ Die Athleten würden sich nur während der angedachten Trainingszeit die Skier anschnallen. An deren Anschluss oder an freien Tagen hätten sie fast keine Chance, das zu tun. &bdquo;Wir sind darauf angewiesen, dass die Lifte öffnen.“ Karl Heinz Goller Unabhängig davon sagt Goller, dass Stars wie Marta Bassino oder Federica Brignone auch in Südtirol so gut geworden wären. &bdquo;Man sah schon mit 14 Jahren, dass sie einzigartiges Talent besitzen.“ Dennoch weist er nicht von der Hand, dass Regionen in Italien, in denen die Touristen nicht den Großteil der Pisten für sich beanspruchen, im Vorteil sind. Dieses spezielle Jahr, in dem die Gäste zunächst ausbleiben, sei eine Chance, zugleich jedoch auch eine Gefahr. &bdquo;Wir sind darauf angewiesen, dass die Lifte öffnen. Wir können nicht mit dem Schneemobil eine ganze Trainingsgruppe transportieren“, sagt der langjährige Trainer von Nicol und Nadia Delago. Einfach einige Tage eine Piste mieten – so wie es Petra Vlhova vor kurzem auf Piz Sella getan hat – sei nicht drin.

Außerdem üben in den anderen Ski-Regionen in Italien viele Trainer der Skiclubs diese Arbeit hauptberuflich aus. In Südtirol ist dies die Ausnahme, obwohl sich dies durch die Umstrukturierung des Landeskaders zum Besseren gewendet hat. Ein weiterer Grund, warum der Rest Italiens unserem Land enteilt ist.

Abschließend kann festgehalten werden, dass Südtirol nach Jahren der völligen Stagnation die richtigen Hebel angesetzt und zumindest die Bedingungen geschaffen hat, dass in Zukunft Südtiroler Damen nicht mehr nur tröpfchenweise im Weltcup an den Start gehen. Eine schnelle Besserung ist dennoch noch nicht in Sicht – ganz zu schweigen von einer Rückkehr zur goldenen Ära, wie es zu Zeiten von Denise Karbon, Manuela Mölgg & Co. war. &bdquo;Der Weg ist noch lang“, lautet der Tenor bei den Verantwortlichen.

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