Südtirols Ski-Damen in der Krise: Das sind die Ursachen

Nicol Delago ist mit ihren fast 25 Jahren seit etlichen Jahren Weltklasse, ihrer fast zwei Jahre jüngeren Schwester Nadia wird ebenfalls großes Potenzial nachgesagt. Und Verena Gasslitter, die als aufstrebendes Talent am höchsten eingestuft wurde, sieht nach ihrer unglaublichen Verletzungsmisere Licht am Ende des Tunnels. Sie haben das Zeug, Südtirol in den nächsten Jahren große Freude zu bereiten, kaschieren allerdings nicht das weg, was offensichtlich ist: Vor allem in den technischen Disziplinen hapert es – und das nicht erst seit dieser Saison. Ein geplatzter Traum Eine, die es in die Königsklasse des Skisports hätte schaffen können, ist Miriam Gabloner. Die 24-Jährige aus Kastelruth hat die Sportoberschule in St. Ulrich besucht und sagt: &bdquo;Skiprofi zu werden – das war mein Traum.“ Ihre Geschichte, weshalb sie diesen nicht verwirklichen konnte, ähnelt dem vieler Athletinnen. Drei Mal musste sie am Knie operiert werden, danach, erklärt Gabloner, konnte sie einfach nicht mehr ans Limit gehen. Im März 2019, nach einem 13. Rang bei der Italienmeisterschaft im Slalom, zog sie einen Schlussstrich und beendete ihre Karriere.

Miriam Gabloner galt als vielversprechendes Talent. © Miriam Gabloner

Den Entschluss zu fassen, es doch noch einmal zu versuchen oder die Ski in die Ecke zu stellen, fällt keinem leicht. Zumal es oft mit dem Ende des Kindheitstraumes einhergeht. In Italien sei das Risiko vor allem bei Mädchen groß, dass die Entscheidung zu ungunsten des Sports ausfällt, weiß Gabloner. &bdquo;Im Gegensatz zu den Burschen gibt es bei den Mädchen nur zwei Jugend-Kategorien, sprich die U18 (&bdquo;Aspiranti“) und die U21 (&bdquo;Giovani“). Die besten in diesen &bdquo;Grand-Prix-Wertungen“ steigen in die Nationalmannschaft auf. Wer älter ist, muss durch außerordentliche Leistungen auf sich aufmerksam machen, um es ins Team zu schaffen. Wie etwa Vera Tschurtschenthaler bei ihrem Italienmeistertitel bei exakt jenem Rennen, an dem Gabloner zum letzten Mal am Start stand. Dieser Umstand sei mit ein Grund, warum viele talentierte Mädchen durch das Raster fallen. Im Gegensatz dazu fahren die Burschen auch in der Kategorie der allgemeinen Klasse (&bdquo;Senior“) um begehrte Plätze. &bdquo;Warum das so ist, weiß ich ehrlich gesagt nicht“, gesteht Gabloner. Landeskader hatte Aufholbedarf Das ist jedoch ein nationales Problem und kein Südtirol-spezifisches, das gelöst werden muss. Welche sind also die Gründe für die Südtiroler Skikrise? Dass die Athletinnen im Rest Italiens schlichtweg besser sind, lässt Gabloner nicht gelten. &bdquo;Als ich noch gefahren bin, muss ich ehrlich sagen, waren wir mindestens auf Augenhöhe.“ Vielmehr als die Qualität jeder Einzelnen habe sie den Eindruck, dass die Arbeit im Landeskader nicht mehr so gut ist wie vor einigen Jahren. &bdquo;Früher war ein Platz im Landeskader etwas Großes, heute meiden manche ihn sogar.“ Es bestehe die Gefahr, dass ein Athlet mit zu vielen Trainern gleichzeitig arbeitet und keine klare Linie verfolgt. Frei nach dem Motto: Zu viele Köche verderben den Brei. &bdquo;Der Landesverband setzt sich zu wenig ein.“ Miriam Gabloner Das berühmteste Beispiel dafür ist Alex Vinatzer, der nie in den Landeskader wollte und heute zu den besten Slalom-Fahrern der Welt gehört. Neben dem tatsächlichen Training wirft Gabloner den Verantwortlichen zudem fehlendes Engagement bei der Aufnahme von Südtirolern im Nationalteam vor. &bdquo;Der Landesverband setzt sich zu wenig ein, es wird zu wenig Druck gemacht.“ So komme es, dass Athletinnen ihren Platz für andere räumen müssen, die vielleicht das kleinere Talent, dafür aber die besseren Beziehungen hätten. Dies ist laut Gabloner jedoch nur ein kleines Stück des Puzzles. Den größten Teil schreibt sie der Arbeit mit den Athleten zu.

War nie im Landeskader – und hat es trotzdem in den Weltcup geschafft: Alex Vinatzer © Pentaphoto

Der Landesverband gesteht Versäumnisse in den letzten Jahren ein – und hat im Sommer unter der Führung des im Vorjahr neugewählten Landespräsidenten Markus Ortler entsprechend reagiert, um den großen Problemen entgegenzuwirken und Südtirol wieder zu Italiens Vorreiter in Sachen Skisport zu machen. Kein Stein wurde auf dem anderen gelassen. Heißt, mehr Athleten, mehr Trainingsgruppen, mehr Trainer und nicht zuletzt professionelleres Arbeiten. Mit Thomas Valentini als Rennsportleiter und Reinhard Leiter als Koordinator wurden zudem zwei Experten installiert, die dafür sorgen sollen, dass die Trainer sich explizit auf die Arbeit mit den Athleten konzentrieren können.

Apropos Trainer: Bei den Damen hat der erfahrene Florian Runggaldier das Sagen, wo er sich hauptsächlich um die aus 4 Athletinnen bestehende Elite-Gruppe kümmert. Der Grödner hat zur aktuellen Flaute eine klare Meinung. &bdquo;Ich glaube nicht, dass die momentane Situation ein Zyklus ist. Meiner Meinung nach fehlt es schon von den Skiklubs aufwärts. Wir versuchen unser Bestes, aber wir müssen eingestehen, dass andere Nationen uns voraus sind“, betont Runggaldier. Schnelle Besserung nicht in Sicht Die Gründung der neuen Elite-Gruppe sei ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung gewesen, erklärt der Mann aus Wolkenstein: &bdquo;Wir versuchen, den Athletinnen ein wenig Druck zu machen, um die letzten Prozente aus ihnen heraus zu kitzeln.“ Gerade wegen der derzeitigen Flaute erwarte man sich von den Athletinnen um Elisa Schranzhofer (sie ist im Europacup schon mehrfach in die Punkte gefahren) vieles. Ob eine von ihnen das Potenzial hat, in einigen Jahren im Konzert der Großen mitzuspielen? &bdquo;Das ist sehr schwer zu sagen“, entgegnet der 54-Jährige.

Ziel des Landesverbandes sei es wie jedes Jahr, so vielen Athleten wie möglich in die Nationalmannschaft zu verhelfen. Das ist jedoch nur ein Zwischenschritt. Jener in den Weltcup ist eine komplett andere Hausnummer. Runggaldier traut &bdquo;seinen“ Mädchen dies jedoch zu, wenngleich es zu früh ist, um ein Urteil zu fällen. Was jedoch auch feststeht, ist, dass die Schwierigkeiten nicht ausschließlich auf die veralteten Strukturen im Landeskader zurückzuführen sind. Im zweiten Teil der Spurensuche hat sich s+ bei Experten umgehört, die Probleme klar ansprechen, aber eine bessere Zukunft für Südtirols Damen zeichnen.

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