Das Dilemma des Alex Insam: „Manchmal ist es zum Verzweifeln“

Südtirols einziger Skispringer auf Weltcup-Niveau hat eine schwierige Saison hinter sich. Geprägt von Diskrepanzen mit dem Nationalteam, einer Corona-Infektion zum schlecht möglichsten Zeitpunkt und Formschwankungen blickt der Grödner auf den abgelaufenen Olympia-Winter zurück und gewehrt im Interview Einblicke in den Kampf einer Sportart, die der nationale Verband links liegen lässt.

Herr Insam, nach der Saison ging es für Sie erstmals in den Urlaub um sich etwas erholen...

&bdquo;Genau, mit Freunden bin ich für eine Woche in die Toskana. Nach einem hektischen Winter brauch es etwas Abstand vom Sport, um abschalten zu können und die Batterien neu aufzuladen.“

Nun haben Sie eine Saison mit Berg- und Talfahrten hinter Ihnen, wie würden Sie die abgelaufene Saison resümieren?

&bdquo;Puh, es war durchwachsen. Zu Beginn des Winters und auch zwischendurch habe ich immer wieder gute Sprünge zeigen können, öfters kam ich gut vorbereitet zu den Wettkämpfen. Zum Beispiel war ich bei den Weltcups in Oberstdorf und Lillehammer beim ersten Trainingssprung in den Top-10. Von Sprung zu Sprung habe ich mich verschlechtert, bis meist gar nichts mehr zusammenlief. Mit den Trainerteam bin ich heuer gar nicht zu fahren gekommen. Wenn der Trainer Korrekturen im Sprungsystem vornimmt, die alle nur nach hinten losgehen und du davon null überzeugt bist, ist das zermürbend.“

Besonders im Skispringen muss der Athlet seinen Trainer vertrauen können.

Eigentlich hätten Sie sich für die Olympischen Spiele qualifiziert, doch dann kam alles anders...

&bdquo;Eine Woche vor Abflug nach Peking wurde ich positiv getestet, sofort wurde mir von italienischer Seite mitgeteilt, dass es unmöglich sei, noch an Olympia teilzunehmen. Ich musste mich für zehn Tage in Quarantäne begeben, wurde nach vier Tagen schon wieder negativ getestet, mehrmals. Zudem hätte ich das sportärztliche Attest neu machen müssen. Da fühlte ich mich von der FISI enorm im Stich gelassen, niemand hat versucht, sich für mich einzusetzen. Athleten aus anderen Nationen wie Daniel Andre Tande und Jarl Magnus Riiber bei den Norwegern hatten viel später als ich positive Testergebnisse, durften dann aber noch nachreisen. Natürlich hätte ich nicht um eine Medaille gekämpft, aber ein zweites Mal Olympia wäre dennoch toll gewesen.“

2018 waren Sie in Pyeongchang dabei, 2022 mussten Sie zuschauen. Wie haben Sie die Spiele wahrgenommen?

&bdquo;Natürlich war es für mich nicht leicht, das Saisonhighlight nur als Zuschauer zu verfolgen. Einziger Trost war es, dass meine Teamkollegen nicht viel Positives über die &bdquo;Corona-Spiele“ verloren haben. Es war ein bisschen wie im Gefängnis sagten die meisten, keinen Kontakt zu anderen Athleten oder Sportarten, abgeschottet sein, nur mit Polizeieskorte vom Olympischen Dorf raus… Der Olympische Spirit ist wohl nicht aufgekommen.“

„Alle anderen Nationen sind bereits voll in der Vorbereitung, wir stehen still.“ Alex Insam

Normalerweise starten die Wintersportler mit Anfang Mai in die Saisonvorbereitung, haben Sie auch schon losgelegt?

&bdquo;Im Gegensatz zu allen anderen Wintersportarten, hat die FISI bei uns Skispringern noch keine Kader veröffentlicht. Ich weiß also rein gar nichts! Unser Technischer Direktor hat drei Wochen nach Saison kurzerhand hingeschmissen, ein Ersatzmann ist noch nicht in Sicht. Der Cheftrainer ist weg, der eigentliche Wunschkandidat hat wohl bei den Norwegern unterschrieben. Bis dato gab es keine Kommunikation mit der FISI, alle anderen Nationen sind bereits voll in der Vorbereitung, wir stehen still.“

Wie wissen Sie mit dieser Ungewissheit umzugehen?

&bdquo;Zuhause in Gröden haben wir eine Art Stützpunkt aufgemacht. Zusammen mit den Kombinieren und den zwei Malsiner-Schwestern trainiere ich nun bei Romed (Moroder), der ja nicht mehr als Trainer bei den Österreicherinnen beschäftigt ist und uns unterstützt, wo er kann. Ein Amt in der FISI will er aber nicht mehr innehaben, deswegen bleibt es beim 'Team Gröden'.“

Sommertraining bedeutet für Insam Gewichte stemmen und Trockensprünge machen.

Zuletzt ging die Anzug-Thematik im Skispringen durch die Medien, Renndirektor Sandro Pertile ist bemüht, Fairness zu schaffen. Wie seit ihr in Sachen Material ausgerüstet?

&bdquo;Gerade diese Woche hat die FIS das neue Regelwerk rund ums Material veröffentlicht. Es wurde wirklich alles umgekrempelt, Maße werden neu genommen, es gibt Änderungen bei Ski und Bindungen. Manche Sachen sind sinnvoll, anderes wiederum ist lächerlich, wie zum Beispiel die Vorschrift, wie man seinen Anzug über den Schuh ziehen darf. Vor allem bei den Anzügen hinken wir als kleine Nation seit jeher hinterher. Für jeden Skisprungfan sind die Unterschiede bei den Anzugsgrößen durch den Fernseher hindurch ersichtlich. Wer einen Namen hat, wird von den Kontrolleuren bevorzugt, disqualifiziert werden immer nur Nobodys, es ist absurd.“

„Es ist als rede man gegen eine Wand, als Athlet im italienischen System wirst du nicht gehört!“ Alex Insam

Wie sehen Sie persönlich die Entwicklung im italienischen Skispringen?

&bdquo;So lange ich noch am Skigymnasium in Stams war, sind die Tumulte in der italienischen Nationalmannschaft an mir vorbeigegangen. Nun bin ich allerdings vom FISI-System und dessen Trainingsmilieu abhängig. In Italien ist es als Skispringer schwierig, es fehlt an Expertise, Finanzierung, Nachwuchsarbeit und Wille. Bis 2025 soll für Olympia an den einzigen Sprunganlagen Italiens in Predazzo gebaut werden, dadurch werden sich unsere Trainingsmöglichkeiten zusätzlich verschlechtern. Für mich ist es einfach nur enttäuschend! Im Team will ich mich einbringen, neue Inputs geben, mache Vorschläge für Verbesserungen. Sie sagen zwar 'ja gut passt', aber eigentlich hört dir niemand richtig zu, man rennt gegen eine Wand!“

Was sind Ihre Pläne für die kommende Saison?

&bdquo;Ich will den Kopf nicht hängen lassen und zu alter Stärke zurückkehren. Jedenfalls werde ich nochmals motiviert angreifen und mein Bestes versuchen.“

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