Sigi`s Spitzen: Geld schießt wohl doch Tore

Sigi Heinrich ist jahrzehntelanger Sportreporter und TV-Kommentator.

Es ist schon irre: Das Gesamtbudget von Atalanta ist geringer als das Jahresgehalt des Brasilianers Neymar, der bei Paris St.-Germain spielt. Demzufolge waren die Italiener, die eine bärenstarke Saison spielten, krasser Außenseiter im Viertelfinale der Champions-League. Alleine das Erreichen des Finalturniers, das aus der Corona-Not geboren, möglicherweise Schule machen wird, durfte ja als Sensation gewertet werden.

Ich habe das Match im Live-Ticker verfolgt und – ich gebe es zu – ich bin zu einem glühenden Atalanta-Fan geworden. Der Kleine muckt auf und – ja – er gewinnt gegen dieses französische Star-Ensemble. Dachte und hoffte ich lange. Niederschmetternd dann die letzten Minuten. Zwei späte Tore des französischen Teams und die Hierarchie des schnöden Mammons war wieder in Ordnung. Ich ertappte mich, wie ich mich darüber geärgert habe. So sehr hätte ich dem Team aus Bergamo den Sieg gegönnt gegen alle vorherigen Prognosen. Schießt also Geld doch Tore? Otto Rehhagel, der mit Griechenland 2004 Europameister wurde, widersprach dem immer hartnäckig. Verständlich aus seiner Sicht, denn er bevorzugte seinerzeit die gnadenlose Defensive. Sein Motto war eher: Glück schießt Tore. Das hat ihm immerhin lebenslange Freiflüge mit einer griechischen Fluglinie eingebracht.

Stürmer bestimmen die Transfersummen

Diese Zeiten sind indes vorbei. Den Fans kann kein Trainer mehr eine destruktive Spielweise verordnen. Deshalb erreicht auch kein Abwehrspieler je die Bedeutung eines Stürmers, was bei der Wahl der Weltfußballer stets deutlich dokumentiert wird. Messi oder Ronaldo. So war das in den vergangenen Jahren. Und beide prägen deshalb auch den Geldfluss auf dem Transfermarkt. An beiden orientiert sich die Szene, wobei die jeweiligen Jahresgehälter jenseits von 20 Millionen Euro beginnen.

Und doch hat jetzt eine Mannschaft das Halbfinale erreicht, das keinen Spieler in seinen Reihen hat mit vergleichbarer Vergütung: Rasen Ballsport Leipzig. Kurz RB Leipzig genannt. Die Namensnennung alleine war schon genial, denn jeder weiß so sehr schnell, dass ein in Österreich beheimateter Energiedrink als Geldgeber fungiert. Allerdings geschieht dies auf sehr subtile Art und Weise. Bei weitem nicht so brachial wie bei Paris St.-Germain, dem Gegner im Halbfinale. Bei den Franzosen kommt das Geld für die Stars unverblümt vom katarischen Staatsfond, was vor zwei Jahren auch schon die Frage nach dem &bdquo;Financial-Fairplay“ aufgeworfen hat. Geld, das ist nicht nur ein Eindruck, sondern eine Tatsache, spielt bei den Parisern keine Rolle.

Ein Baukasten für RB Leipzig

Und bei RB Leipzig? Da kann man sich aus einem internationalen Baukasten bedienen. Typisch der Schütze des entscheidenden Tores gegen Atletico Madrid. Es war Tyler Shaan Adams, ein 21jähriger US-Amerikaner, der von den &bdquo;New York Red Bulls“ gekommen war. Einem Farmteam quasi der Leipziger, die sich auch noch in Salzburg und in Brasilien bei Mannschaften bedienen können, die zum Firmenimperium der scheinbar beflügelnden Brause gehören. RB Leipzig versteckt so geschickt die Investitionssumme, die dem Verein zur Verfügung steht. Leipzig ist eine Werbekampagne auf dem Fußballfeld. Das ist auch einer der Gründe, warum der Verein in Deutschland nicht die hohen Beliebtheitsgrade erzielt, die dem attraktiven Spielstil entsprechen würden.

Wahrscheinlich ist es eben doch so, dass Geld letztlich Tore schießt. Jetzt ist mit Olympique Lyon nur noch ein vergleichsweise armer Schlucker in Lissabon mit von der Partie. Der Rest ist Geldadel pur mit Manchester City, dem FC Bayern und dem FC Barcelona. Doch der Außenseiter hat Lunte gerochen, nachdem er mit Juventus schon einen Club eliminiert hat, der auch gerne den Krösus gibt. Vielleicht hat Lyon gegen Manchester City ja etwas mehr Glück als Atalanta. Glück immerhin kann man ja leider nicht kaufen. Es wandert von einem zum anderen und es ist immer noch irgendwie schade, dass es für die Piemontesen diesmal keine Zeit hatte.

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