Sigi's Spitzen | Null Bock auf Fußball

Sigi Heinrich

Klar war früher alles besser. Sagt man gerne. Anders auf jeden Fall. Früher hatten Fernsehapparate noch keine Fernbedienung. Viel früher jedenfalls. Das war manchmal ganz angenehm, weil die Versuchung, sich jetzt doch einem anderen Programm zu widmen, quasi im Keim erstickt wurde. Man kann ja die Chipstüte und das Bier schwer alleine zurücklassen am Couchtisch und außerdem: Es war gerade so bequem. Man hätte sich ja erheben müssen. Mühsam. Also: Es läuft was läuft. Wenn es ein Länderspiel der Fußballnationalmannschaft war, stellte sich die Frage nach einem Bildwechsel ja auch nicht. Doch dann änderte sich die Technik. Plötzlich ermittelt zwischendurch mal schnell ein Kommissar hoch im Norden Europas. Oder ein kauziger Antiquitätenhändler übt sich als Privatdetektiv. Nur mal schnell &bdquo;zappen“. Denn, Hand aufs Fußballherz: Man versäumt ja nichts auf dem Kanal, der gerade die deutsche Mannschaft zeigt, die gegen die Türkei spielt. Anleihen beim Eishockey Früher, also viel früher konnten wir es ja gar nicht erwarten bis zum Anpfiff. Und wir waren nie alleine. Fußball schauen war Bürgerpflicht und ein Treffen mit Kumpels. Und jetzt dies. Null Bock auf Querpässe und außerdem stellt sich ja die Sinnfrage. Wer spielt und warum? Wie neulich gegen die Türkei. Soll ein Testspiel, also ein Freundschaftsspiel, gewesen sein.

Aber bald wird es bierernst. Die Nations League steht an. Das ist jenes Kunstprodukt, das vom Europäischen Fußball-Verband (UEFA) ins Leben gerufen wurde, um dem schleichenden Tod zu entgehen. Juckt niemanden und außerdem sind die deutschen Kicker ja sogar abgestiegen in der ersten Saison. Würden also eigentlich maximal gegen die Faröer oder Malta und Andorra spielen dürfen. Hochkaräter des Fußballs. Da hat man doch flugs beim Eishockey-Verband Anleihen genommen. Der hat stets, wenn die deutsche Mannschaft abgestiegen ist, die Anzahl der teilnehmenden Vereine an der Weltmeisterschaft erhöht. Und so darf die DFB-Elf jetzt in den nächsten Tagen sogar gegen die Ukraine und die Schweiz spielen. Unbekannte Spieler Aber wer spielt da wirklich? Der bei der letzten Weltmeisterschaft so krachend gescheiterte Bundestrainer Joachim Löw nominiert momentan Spieler, die nicht einmal in ihren Vereinen erste Wahl sind. Früher, also viel früher, da wären Fußballspieler hundert Kilometer barfuß gegangen, wenn der Ruf des Bundestrainers sie ereilt hätte. Und wir kannten sie alle, inklusive ihrer Schuhgröße. Aber die kickende Elite der Neuzeit hat ebenso wie wir augenscheinlich auch keinen Bock mehr auf die Zusatzeinheiten im Nationaltrikot oder keine Zeit. Schonung und so. Und diejenigen, die noch Lust darauf hätten wie Thomas Müller, die will Löw nicht mehr. Die Nationalmannschaft ist ein unbekanntes Wesen geworden.

Und so schmiegt sich die Fernbedienung wie selbstverständlich in den Handballen und mit einem lässigen Tastendruck sind sie dann weg, die Fußballspieler. Ich habe es eine halbe Stunde ausgehalten. Die Nachfrage bei Freunden ergab eine noch weit ernüchternde Bilanz. Sie hätten, sagten sie mir, das Match gar nicht gesehen. Das hätte es früher wirklich nie gegeben.

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