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Bozens Matt Frattin hat eine bewegende Karriere hinter sich. © Vanna Antonello

Bozens NHL-Größe: Er flog vom College und machte dann Karriere

Er ist in der Finalserie zwischen dem HC Bozen und Red Bull Salzburg jener Spieler, der mit Abstand am meisten NHL-Einsätze auf dem Buckel hat. Dass es HCB-Crack Matt Frattin in die beste Liga der Welt geschafft hat, ist aber alles andere als selbstverständlich, denn in jungen Jahren hing seine Karriere am seidenen Faden.

Von:
Thomas Debelyak

Im Gespräch mit Matt Frattin merkt man schnell: Über dieses eine Kapitel in seinem Leben spricht er nicht besonders gerne. Und doch hat es seine spätere Karriere, die ihn in den Eishockey-Olymp namens NHL geführt hat, entscheidend mitgeprägt. Der heute 35-jährige Kanadier war Anfang 20, besuchte die University of North Dakota in den USA und spielte im dortigen College-Team gutes Eishockey. Um nicht zu sagen hervorragendes. Bereits mit 19 Jahren war er vom NHL-Franchise Toronto Maple Leafs an 99. Stelle gedraftet worden, auf dem College sollte er reifen, um später den Sprung in das Konzert der ganz Großen zu packen. Doch plötzlich stand dieser Traum auf der Kippe.


„Es passierten einige Sachen abseits des Eises und ich wurde aus dem Team und somit vom College geworfen“, erklärt Frattin. In einem Online-Artikel aus jener Zeit ist die Rede davon, dass der Teenager mit einem Teamkollegen Gegenstände auf eine Straße geworfen habe und später auch noch von der Campus-Polizei erwischt wurde, wie er in einem angetrunkenen Zustand mit dem Auto fuhr. Frattin musste das College also verlassen und kehrte in seine kanadische Heimat Edmonton zurück. „Mein Vater hat mich da arbeiten gemacht. Wir haben zu Hause eine Bäckerei, und da habe ich dann eben angepackt“, so der HCB-Stürmer.

Er lieh sich Geld, um den Traum am Leben zu erhalten

Zu jener Zeit durchlebte Frattin eine ungewisse Zeit. „Wenn du vom College fliegst, weißt du natürlich nicht, ob es das war mit der Eishockey-Karriere oder nicht. Ich wollte es aber nach wie vor unbedingt schaffen. Zu Hause habe ich viel selbst trainiert und hielt mich auch bei einem Juniorenteam in Form“, so Frattin. Nach einem halben Jahr kam dann der erlösende Anruf seines College-Trainers, der ihm eine zweite Chance geben wollte. Das Eishockey-Talent kehrte nach North Dakota zurück, zunächst allerdings ohne Stipendium. Und so nahm Frattin einen Kredit über 10.000 Dollar auf, um weiter an seinem NHL-Traum basteln zu können.

Mit vollem Einsatz dabei: Matt Frattin (rechts) im Trikot von Toronto. © GETTY IMAGES NORTH AMERICA / CLAUS ANDERSEN


Es war eine Investition, die sich bezahlt machte. Frattin war fortan kein Lausbube mehr, sondern ein geläuterter junger Erwachsener, der seinem großen Ziel alles unterordnete. Zu Beginn der Saison 2010/11 gewann er den teaminternen Fitnesswettbewerb, so hart hatte er in der Offseason geschuftet. Es folgte ein herausragendes Jahr in der College-Meisterschaft – und im Frühjahr 2011 schließlich das NHL-Debüt. „Ich kann mich noch erinnern, wie turbulent das alles damals war. Die Finalspiele mit dem College sind gerade erst zu Ende gegangen, da unterzeichnete ich einen Vertrag mit Toronto und habe schon am nächsten Abend mein Debüt gegeben. Meine Eltern, meine Geschwister, meine Cousins – alle sind gekommen. Da war ich schon stolz auf mich“, strahlt Frattin auch heute noch.
„Gegen Sidney Crosby zu spielen, war ein Wow-Moment.“ Matt Frattin

Jenes Match war der Startschuss für eine abenteuerliche Zeit in der besten Liga der Welt, in der Frattin drei Saisonen lang für Toronto spielte und sich in einer Spielzeit auch das Trikot der Los Angeles Kings bzw. der Columbus Blue Jackets überstreifte. „Das Beeindruckende waren die Gegner auf dem Eis: Ich habe teilweise gegen Profis gespielt, die früher meine Idole waren. Besonders in Erinnerung ist mir die Begegnung mit Sidney Crosby geblieben: Das war ein Wow-Moment.“

40 Spiele absolvierte Frattin auch für die Los Angeles Kings. © GETTY IMAGES NORTH AMERICA / STEPHEN DUNN


Insgesamt 141 Spiele bestritt Frattin in der NHL (37 Punkte), dazu 250 Partien in der AHL (173 Punkte), der zweithöchsten Spielklasse, wo er parallel zur NHL für die Farmteams zum Einsatz kam. 2017 zog es ihn schließlich weg aus Nordamerika und in die KHL, die ihm von einem früheren Teamkollegen empfohlen worden war. Fünf Saisonen verbrachte der Kanadier in der russischen Liga, wobei er das Jersey des kasachischen Klubs Barys Astana sowie des russischen Vertreters Ak Bars Kazan trug. Zudem machte er einen kurzen Abstecher in die Schweizer National League zu Lausanne. „Es war eine schöne Zeit in der KHL, nur die weiten Reisen hatten es in sich“, meint Frattin.

Nach Bozen – auch der Familiengeschichte wegen

Im vergangenen Sommer hat es den dreifachen Familienvater schließlich nach Bozen gezogen. „Ich wollte immer schon mal in Italien spielen, weil meine Großeltern von hier sind. In Treviso leben auch einige meiner Cousins, die wir in diesem Jahr schon besucht haben“, erklärt Frattin, der sich mit 35 Jahren auch Gedanken über seine Zukunft macht: „Nach der Saison muss ich mich mit meiner Frau zusammensetzen und dann entscheiden wir, wie es weitergeht. Hier gefällt es mir jedenfalls.“

In den Playoffs trumpft Matt Frattin auf. © Vanna Antonello


Matt Frattin hat also eine bewegende Karriere hinter sich. Es ist eine Laufbahn, die sich ein klein wenig mit seiner aktuellen Spielzeit beim HC Bozen vergleichen lässt. Anfangs noch etwas zaghaft und unter dem Radar, hat er sich im Laufe der Zeit immer mehr gesteigert und läuft in den Playoffs mit seiner physischen Spielweise, der technischen Finesse und dem großen Erfahrungsschatz zur Hochform auf. Im Herbst seines sportlichen Schaffens könnte dem 35-Jährigen zudem noch ein Kunststück gelingen, das ihm im Erwachsenen-Eishockey bisher verwehrt geblieben ist. Meister war Matt Frattin nämlich noch nie. Das würde seine außergewöhnliche Karriere sprichwörtlich vergolden.

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