Das will der neue Trainer Stefan Mair in Bruneck bewegen

Im nachfolgenden Interview blickt Mair auf die letzten 6 Jahre beim HC Thurgau in der Schweiz zurück, erklärt seine Philosophie und seine Ziele und gibt einen Ausblick, was sich die Wölfe-Fans im kommenden Winter erwarten können.

S+: Wie würden Sie die letzten 6 Jahre beim HC Thurgau beschreiben?

Stefan Mair: &bdquo;Es war eine sehr interessante Reise. Schließlich hat sich in den letzten 6 Jahren beim HC Thurgau fast alles geändert: Angefangen vom Verwaltungsrat bis hin zu unzähligen Spielern. Der Assistenztrainer Benjamin Winkler und ich waren am Ende die am längsten Angestellten. Für mich war es jedes Jahr eine große Herausforderung, weil wir in der Regel bis zu 10 neue Spieler holen und einbauen mussten. Neben den 2 Ausländern waren sehr viele junge Spieler. Ich habe aus der Not eine Tugend gemacht und mich als Trainer enorm weiterentwickelt. Als ich im Sommer 2016 zum HCT gekommen bin, war der Verein beinahe bankrott. Wir sind mit nur 15 Spielern in die Saison gestartet und haben danach 2 billige Ausländer unter Vertrag genommen. Am Ende haben wir das Play-off erreicht. Wir haben uns in den letzten 6 Jahren den Ruf verschafft, vor allem junge Spieler weiterzuentwickeln und ein Sprungbrett für höhere Aufgaben zu sein.“

Was ist in der Schweiz anders als bei uns?

&bdquo;Das Eishockey hat in der Schweiz einen viel höheren Stellenwert als hierzulande. Zudem ist mehr Geld vorhanden. Das merkt man in der individuellen Ausbildung der Spieler. Es gibt gut ausgebildete Spieler, aber nur wenige Mannschaftsspieler. Es gibt unzählige Individualisten, die sehr schnell sind. Die Schnelligkeit spielt eine wichtige Rolle: Gute Eisläufer sind das Um und Auf.“

Warum hat es trotz der Erfolge nie mit einem Engagement in der National League geklappt?

&bdquo;Das hängt in erster Linie mit der mangelnden Courage der einzelnen Sportchefs zusammen, einem Trainer aus der Swiss League in der National League eine Chance zu geben. Zudem spielt meine Herkunft eine entscheidende Rolle: Als Trainer aus Italien hat man in der gesamten Eishockey-Welt einen schweren Stand. Die Top-Teams wie Bern, ZSC Lions oder Zug nehmen in der Regel ohnehin nur Trainer mit großen Namen unter Vertrag. Die französischen Klubs wie zum Beispiel Ajoie tendiert zu französischen Coachs. Deshalb bleiben nicht mehr viele Vereine über. In den letzten Monaten haben Sierre und Visp ihr Interesse bekundet, die Swiss League hat mich aber nicht gereizt. Es ist ein von Agenten gesteuerter Kreislauf.“ „Beim ersten Treffen mit Präsident Erich Falkensteiner hat es schnell gefunkt.“ Stefan Mair Sie waren bereits für 3 Jahre Spieler und für 3 Jahre auch Trainer in Bruneck. Was hat Sie dazu bewogen, ins Pustertal zurückzukehren?

&bdquo;Es hat schon sehr früh einen Kontakt mit dem HC Pustertal gegeben. Als der Klub in die ICEHL aufgenommen worden ist, hat mich Jochen Schenk ein erstes Mal kontaktiert. Zudem ist der Kontakt mit dem jetzigen Sportdirektor Patrick Bona, mit dem ich in Bruneck zusammen gespielt habe und den ich danach trainiert habe, nie abgebrochen. Wir haben uns im vergangenen Sommer bei der Spielersuche ausgetauscht. Die letzte Entscheidung bei den Verpflichtungen haben der Verein und der Sportdirektor getroffen. Beim ersten Treffen mit Präsident Erich Falkensteiner hat es schnell gefunkt. Mich hat seine positive Einstellung beeindruckt und ich war von seiner Idee, etwas Nachhaltiges aufzubauen schnell begeistert.“

Sie haben die Premierensaison Ihres neuen Arbeitgebers bestimmt aus der Ferne verfolgt. Was sagen Sie zum Abschneiden des HC Pustertal im abgelaufenen Winter?

&bdquo;Nach dem schwierigen Start war es umso bemerkenswerter, wie der HCP die Kurve gekratzt und sich noch auf direktem Weg für das Play-off qualifiziert hat. Es war eine erstaunliche Aufholjagd. Einfach grandios, was das Team unter Raimo Helminen, der einen ausgezeichneten Job gemacht hat, geschafft hat. Hauptverantwortlich dafür war Torhüter Tomas Sholl, der sich als echter Glücksgriff erwiesen hat. Er war aber nicht der einzige Glücksgriff. Der Verein hatte sehr schlaue Transfers getätigt und mehrere Leader und viele sehr mannschaftsdienliche Spieler unter Vertrag genommen. Eigentlich war nur die Verpflichtung von Brad Morrison unglücklich. Ansonsten gab es eigentlich keine Niete.“

Wie bewerten Sie das Niveau in der ICEHL?

&bdquo;Es ist ein gutes Niveau. Das Spiel ist vorrangig nordamerikanisch geprägt und es gibt Ähnlichkeiten zur DEL, wo noch körperbetonter gespielt wird. Die ICEHL ist eine Liga mit hohen Ansprüchen. In den einzelnen Mannschaften gibt es eine große Kadertiefe, was vor allem mit den 10 Ausländern pro Team zusammenhängt. Ziel der Liga ist es, den Einheimischen in Zukunft mehr Platz zu geben. Das ist auch unser Credo: Wir wollen vor allem nachhaltig und langfristig arbeiten.“

Der HC Pustertal hat bereits die Verträge mit 7 Spielern verlängert. Werden weitere Cracks aus der letzten Saison in Bruneck bleiben?

&bdquo;Ein Großteil der einheimischen Spieler aus der vergangenen Saison wird bestätigt werden. Bei den Ausländern wird es dagegen einen größeren Umbruch geben. Wir müssen aber darauf achten, dass die neuen Spieler zusammenpassen.“ „Die Resultate sind die Konsequenz von guter Arbeit.“ Stefan Mair Platz 5 wird schwer zu toppen sein. Was sind Ihre Ziele mit dem HC Pustertal?

&bdquo;Als Neuling den Grunddurchgang auf Platz 5 zu beenden, war schon herausragend und wird schwierig sein, zu wiederholen. Ich lege mich jetzt aber bestimmt nicht auf eine Platzierung fest. Das wäre fahrlässig und viel zu früh. Ich werde nach der Saisonvorbereitung und den Testspielen sagen, welchen Platz wir anstreben. Warten wir einmal ab, wie unsere Mannschaft aber auch unsere Gegner aussehen werden. Unser Ziel ist es, etwas Nachhaltiges aufzubauen. Die Resultate sind die Konsequenz von guter Arbeit. Ich werde die Tiefe des Kaders nutzen und hoffe, dass die Mannschaft im Verlauf der Saison wächst, damit sie in der 2. Saisonhälfte ihre beste Leistung abrufen kann.“

Sie haben zwischen 2008 und 2011 Spieler wie Mike Jarmuth, Greg Barber, Greg Watson, Jeff Jakaitis, Matt Kelly, Rem Murray, Taggart Desmet, Rob Sirianni, Joe Cullen oder Joe Jensen nach Bruneck gelotst, die heute noch unvergessen sind. Können die Fans auch in der kommenden Saison mit Ausnahmespielern beim HCP rechnen?

&bdquo;Wir versuchen das Team auf den einzelnen Positionen so gut wie möglich zu besetzen. Der Verein hat bereits vor 2 Monaten Geld für einen Scout auf internationalem Niveau in die Hand genommen. Durch gutes Scouting kann man bei den Spielerverpflichtungen dann Geld einsparen. Eines kann ich jetzt schon verraten: Es wird einige Überraschungen geben. Wir werden einige Spieler holen, die auf den ersten Blick keine Kracher, sondern eher No-Names sind.“

Sie waren Trainer von Patrick Bona, jetzt ist er Ihr Sportdirektor. Wer entscheidet bei den Spielerverpflichtungen?

&bdquo;Die Situation ist ähnlich wie in Thurgau, wo es eine Sportkommission gab, mit der ich zusammen die Spieler geholt habe. Ich sage, welche Art von Spielern ich möchte. Dann wird geprüft, was der Spieler kostet und wie er ins Mannschaftsgefüge passt. Gemeinsam mit dem Sportdirektor und dem Scout wird dann entschieden, wer unter Vertrag genommen wird. Wir haben eine Liste mit rund 50 Spielern, die potenzielle Neuzugänge beim HCP sind.“ Der Abschied von Thurgau ist Stefan Mair nach 6 Jahren nicht leicht gefallen.

Wie würden Sie das von Ihnen gewünschte Spielsystem beschreiben?

&bdquo;Der Begriff Spielsystem klingt für mich abgedroschen. Ich halte mich an Grundprinzipien. Meine Spielweise basiert auf 3 Säulen. In erster Linie müssen wir kompakt spielen. Das bedeutet, dass wir uns auf das Abwehrverhalten konzentrieren müssen und für Ordnung vor dem eigenen Tor sorgen müssen. Die 2. Säule ist ein schnelles Umschaltspiel. Und die 3. Säule ist der Support ohne Scheibe: Die Spieler ohne Scheibe sollen Eis kreieren und den Spieler mit Scheibe unterstützen. Die Unterstützung des Mitspielers beginnt ganz hinten und erstreckt sich über das gesamte Spielfeld bis ganz vorne. Damit man das umsetzen kann, müssen die einzelnen Linien harmonieren und gut zusammenpassen.“

Sie haben Italien als Nationaltrainer zu 3 Weltmeisterschaften begleitet. Wie sehen Sie die Entwicklung des hiesigen Eishockeys?

&bdquo;Es ist nicht unbedingt eine rosige Situation. Von außen ist es immer einfach zu kritisieren. Dem Schweizer Verband stehen beispielsweise 20 Millionen Euro zur Verfügung, der italienische Verband muss meines Wissens mit einer knappen Million auskommen. Man muss schauen, was möglich ist: Wie gut sind die Basis und die Trainerausbildung? Unser Problem sind die Spieler im Alter zwischen 14 und 18 Jahren. Dort verpassen wir seit Jahren den Anschluss im internationalen Vergleich. Das ist aber nicht nur die Schuld des Verbandes. Weniger Kirchturmpolitik wäre oft wünschenswert. Die Zusammenarbeit zwischen den Vereinen und dem Verband müsste verbessert werden. Momentan geht es nicht ohne Italos. Auch nicht in Bruneck. Trotzdem muss man den Jungen die Chance geben, sich zu beweisen.“ „Es gibt einige junge, talentierte Südtiroler Spieler, die die physischen Voraussetzungen mitbringen und im Ausland viel dazugelernt haben.“ Stefan Mair Gibt es junge, einheimische Spieler, die Sie gerne nach Bruneck holen würden?

&bdquo;Ich habe schon den einen oder anderen im Kopf. Es gibt einige junge, talentierte Südtiroler Spieler, die die physischen Voraussetzungen mitbringen und im Ausland viel dazugelernt haben. Diese könnte man behutsam einbauen.“

Wann beginnt das Training?

&bdquo;Den Beginn des Eistrainings haben wir noch nicht fixiert. Ich gehe aber davon aus, dass wir Anfang August erstmals auf dem Eis stehen werden. Mein Wunsch wäre es, in der ersten Woche eine Art Rookie Camp zu organisieren.“

Wer wird Ihr Assistent sein?

&bdquo;Es gibt mehrere Optionen. Ich habe klare Vorstellungen hinsichtlich der Entwicklung der Spieler und ein genaues Anforderungsprofil für meinen Co-Trainer. Leider hat mein Wunschkandidat Andres Olsson abgesagt, weil er in seine schwedische Heimat zurückkehrt und Trainer bei Vita Hästen in der Alssvenskan wird. Meine Wahl wird wohl auf einen Skandinavier fallen. Es könnte aber auch eine Südtiroler Lösung geben. Ich habe mich auch mit Raimo Helminen ausgetauscht und ein gutes Gespräch geführt. Auch er könnte eine Option sein. Einen eigenen Videocoach benötige ich nicht. Um das Video werde ich mich selbst kümmern, da ich dort in Vergangenheit viel Zeit investiert habe. Als Torhütertrainer würde ich mir Thomas Tragust wünschen. Ihn kenne ich schon lange, nachdem er mein Torhüter beim HC Fassa war. Tschomby hat zuletzt einen super Job gemacht und sich mit Sholl sehr gut verstanden.“

Interview: Kurt Platter

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Stefan Mair kehrt nach Bruneck zurück. Der 54-jährige Eishockeytrainer aus Bozen wird den HC Pustertal ab Mitte September in die 2. Saison der ICE Hockey League führen.

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