Lisa Fissneider: „Rio 2016 ist jetzt mein großes Ziel“

SportNews: Lisa, die Olympischen Sommerspiele in London laufen auf Hochtouren. Eigentlich hätten Sie auch mit dabei sein sollen. Doch statt der Olympischen Spiele wurden es die Kalterer Seespiele, die Sie vor kurzem mit Ihren Eltern besucht haben… Lisa Fissneider: Mein großes Ziel waren die Olympischen Spiele in London. Die Zeiten aus dem Vorjahr bei der Junioren-WM in Lima hätten gereicht, um dabei zu sein. Und mein Ziel war es, diese Leistungen zu wiederholen. Ich war sicher, dass ich es schaffen würde. Dementsprechend motiviert startete ich in die Saison. Ich habe sogar noch mehr trainiert als sonst, habe mit Krafttraining begonnen. Und auch in der Schule wollte ich natürlich so gut als möglich weiterkommen. Am Ende wurde es aber alles zuviel? Ja, leider ist es so. Begonnen hat alles damit, dass ich im November krank wurde. Ich hatte eine Nebenhöhlen-Entzündung und auch sonst war ich angeschlagen. Im Nachhinein hat mich wohl der Stress krank gemacht. Ich habe mir einfach zu wenige Pausen gegönnt, hatte meinen Fokus nur noch auf das Training und auf die Schule gerichtet. Ich befand mich in einem Hamsterrad, das sich unaufhörlich weiterdrehte. Vor den Italienmeisterschaften haben wir zum Beispiel drei bis vier Mal in Verona trainiert. Vor der Schule habe ich trainiert, dann ging es zum Unterricht. Nach dem Unterricht an den Pfarrhof, von dort sind wir direkt nach Verona gefahren, weil es hier ja kein 50-Meter-Becken gibt. Dann haben wir trainiert, nach dem Training ging es wieder zurück. Die Müdigkeit habe ich einfach unterschätzt. Und ich war wohl zu ehrgeizig und wollte unbedingt schnell schwimmen und die Quali schaffen. Was hat denn sonst nicht gepasst? Ich habe in dieser Zeit das Wassergefühl komplett verloren. Eine Schwimmerin muss das Wasser spüren, muss sich darin wohlfühlen. Bei mir war das komplett weg. Ich hatte keinen Spaß beim Schwimmen, keinen Spaß am Training. Und das über Wochen. Und das Schlimme daran war, dass ich einfach nicht verstehen konnte, warum es so gekommen ist. Denn das Kuriose war ja, dass es dann wieder Phasen gegeben hat, in denen ich sehr wohl gut geschwommen bin. Zum Beispiel vor dem Sette-Colli-Meeting in Rom, da habe ich sehr gut trainiert. Das Training selbst konnte ich im Wettkampf gut umsetzen, da ich dort eine Zeit schwimmen konnte, die ich mir nicht erwartet hätte. Allerdings wären zwei bis drei Wochen zusätzliches Training notwendig gewesen, um die vorgegebene Zeit zu schaffen. Was haben Sie dann getan? Ich habe mir diesen Sommer eine Auszeit genommen. Mit meiner Familie bin ich nach Ägypten gereist, bevor ich mit meinen Freundinnen nach Mallorca gefahren bin. Wer weiß, wann und ob ich mir das noch einmal im Sommer &sbquo;gönnen‘ kann. Diese Menschen, also meine Familie und Freunde, waren auch sehr, sehr wichtig, damit ich meine Krise meistern konnte. Derzeit trainiere ich ganz locker, mache viel Sport auch außerhalb des Beckens wie zum Beispiel laufen. Und im September werde ich dann definitiv mit der Saisonvorbereitung beginnen. Mit welchen Gefühlen verfolgen Sie derzeit die Olympischen Spiele? Je näher sie gekommen sind, desto ärgerlicher wurde ich. Denn ich habe mir schon oft gedacht, das wären jetzt meine ersten Olympischen Spiele gewesen. Deshalb hat es schon weh getan, dass ich nicht dabei sein konnte. Aber ich lerne auch durch das Fernsehen und mache auch hier wertvolle Erfahrungen. Welche Gedanken schießen Ihnen durch den Kopf, wenn Sie Ihre Gegnerinnen im Fernsehen sehen? Ich denke mir, dass ich es Ihnen 2016 in Rio zeigen werde. (lacht) In Brasilien hoffe ich mit von der Partie zu sein. Wer von den Schwimmerinnen und Schwimmern hat Sie bisher in London am meisten beeindruckt? Ruta Meilutyte aus Litauen, die über 100 Meter Brust gewonnen hat, oder die Chinesin Ye Shiwen mit ihren Fabel-Rennen über die Lagendistanzen haben mich schon sehr beeindruckt. Ich habe mich gefragt, gibt es das wirklich? Es ist schon unglaublich, was diese Schwimmerinnen leisten… Es ist auffällig, dass verhältnismäßig viele &bdquo;Neue“ Edelmetall geholt haben… Das stimmt. Man denkt immer, dass gewisse Stars zu 100 Prozent Gold abholen werden. Aber Olympische Spiele sind einfach etwas Besonderes, der Druck ist viel größer. Das hat man auch bei unseren Schwimmern deutlich gesehen. Und man muss lernen, diesem Druck Stand zu halten. Ihm gewachsen zu sein. Sie haben gesagt, dass Sie im September mit der neuen Saison beginnen werden. Welche Ziele haben Sie? Mein größtes Ziel ist, dass sich so ein Jahr wie das abgelaufene nicht wiederholt. Ich hoffe, dass ich aus meinen Problemen und Schwierigkeiten gelernt habe und positiv ins neue Schwimm-Jahr starte. Als Wettbewerbe möchte ich mich für die Kurzbahn-EM in Frankreich und die WM in der Türkei qualifizieren. Es wäre meine erste WM bei der allgemeinen Altersklasse. Sie werden im Sommer 2013 die Matura ablegen. Wie wollen Sie Schule und den Sport unter einen Hut bringen? In meinem Alter muss man als Schwimmerin durchstarten. Deshalb lege ich die Priorität ganz klar auf den Sport. Ich habe schon ein Jahr verloren, aber ein zweites soll und darf nicht dazu kommen. Das soll nicht heißen, dass ich die Matura nicht machen werde. Denn die Ausbildung ist mir schon sehr wichtig. Aber der Fokus liegt ganz klar beim Schwimmen. Fragen: Hannes Kröss

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