
Michael Piccolruaz im Interview mit SportNews. © Privat
Südtirols Sportkletter-Pionier: „Jetzt plane ich eine Erstbegehung“
Michael Piccolruaz’ Name war lange ein Synonym für das heimische Sportklettern. Der 29-Jährige aus St. Christina kletterte als erster Südtiroler bei Olympischen Spielen, war über ein Jahrzehnt lang Dauergast im Weltcup und ist heute in der Athletenkommission aktiv, um seinen geliebten Sport, dem er letzte Woche den Rücken zugekehrt hat, weiterzuentwickeln. Nach dem Rücktritt hat der Grödner aber auch persönlich große Pläne.
01. Oktober 2025
Von:
Leo Holzknecht
Mit sieben Jahren begann Michael Piccolruaz mit dem Klettern. Getrieben von seiner großen Leidenschaft schaffte es der Polizeisportler bis in die Weltelite. Seinen ersten und einzigen Podestplatz im Weltcup holte er 2016 beim Bouldern in Kazo. Ein Jahr später gewann er bei der Europameisterschaft in München die Bronzemedaille. 2021 schrieb er dann Geschichte, als er sich für den damals erstmals olympischen Kletterwettbewerb in Tokio qualifizierte. Zuletzt richtete sich dessen Fokus immer stärker auf das Felsklettern, wo er in den nächsten Jahren ambitionierte Projekte plant. Mit SportNews sprach Piccolruaz über sein emotionales letztes Rennen, den Wandel in der Sportkletterszene, seine schönsten Erinnerungen und vieles mehr.
In den sozialen Medien haben Sie erklärt, dass Ihre Leidenschaft für das Sportklettern zuletzt nachgelassen hat, während jene fürs Felsklettern immer stärker wurde. Wo liegt für Sie der wesentliche Unterschied zwischen diesen beiden Disziplinen?
„Der größte Unterschied ist jener, dass ich beim Felsklettern nur jenen Druck verspüre, den ich mir selbst auferlege. Ich kann alles besser einteilen, entscheiden, welche Dinge ich probieren möchte und welche nicht und bin nicht an irgendeinen Wettkampfkalender oder andere Richtlinien gebunden. Zudem habe ich alle Zeit der Welt, das Problem zu lösen – und nicht nur drei Versuche, wie beim Bouldern, oder fünf Minuten, wie beim Vorstiegsklettern.
Beim Felsklettern tritt man gegen die Wand an, beim Sportklettern gegen andere Sportler. Fällt demnach eine kleine Last von Ihren Schultern, sich nicht mehr gegen andere beweisen zu müssen?
„Ja, eine kleine Last fällt schon ab – wobei sie sich fast ausschließlich auf die nationalen Wettkämpfe bezieht. Dort muss man sich durchsetzen, um überhaupt die Qualifikation für den Weltcup zu schaffen. Genau dieser Schritt ist der schwierigste. 2024 habe ich diese Qualifikation verpasst, was sehr hart war. Die Freude und der Spaß, bei einem Weltcup zu starten, waren jedoch bis zuletzt immer da. Deshalb macht es mich traurig, dass es nun vorbei ist. Ich werde es definitiv vermissen.“
Haben die nicht mehr herausragenden Resultate eine Rolle in Ihrer Entscheidungsfindung gespielt?
„Auf jeden Fall. Nach den Olympischen Spielen habe ich die Weltcups im Jahr 2022 und 2023 noch bestritten, danach habe ich wie gesagt die interne Quali verpasst. Das war schon enttäuschend. Damals dachte ich aber nicht ans Aufhören. Ich hatte noch Motivation, weil ich wusste, dass noch etwas in mir steckt. Mit dem Halbfinaleinzug beim diesjährigen Weltcup in Innsbruck habe ich mir selbst bewiesen, dass ich es noch kann. Insgesamt fehlte mir jedoch die Konstanz. Und weil ich keine realistische Chance sah, mich für die Olympischen Spiele 2028 in Los Angeles zu qualifizieren, habe ich einen Schlussstrich gezogen.“
Im Sportklettern – und besonders im Bouldern – findet man in den Siegerlisten immer jüngere Athleten. Spüren Sie auch diesen Generationenwechsel? Und wie schwer ist es, mit 30 Jahren den Anschluss nicht zu verlieren?
„Der Trend ist im Bouldern schon seit Jahren erkennbar. Ich stamme aus einer Generation, die noch anders kletterte. Der Stil ist heutzutage dynamischer. Diesen zu erlernen, ist unheimlich schwer, weshalb man fast damit aufwachsen muss, um erfolgreich zu sein. Das Vorstiegsklettern ist noch mal eine andere Sache. Dort kann man auch im fortgeschrittenen Alter sehr wohl vorne mitspielen.“
„Ich war etwas zwiegespalten.“ Michael Piccolruaz über die Wochen vor dem letzten Wettkampf
Am Sonntag haben Sie bei der Weltmeisterschaft in Seoul im Bouldern Ihren letzten Wettkampf absolviert. Konnten Sie die Emotionen im Zaum halten?
„Es war schon sehr emotional. Die Trainingswochen im Vorfeld der WM fühlten sich speziell an. Ich wollte konzentriert bleiben und alles aus mir herausholen. Gleichzeitig wusste ich aber, dass es danach fertig ist, weshalb es mir nicht immer leichtfiel, alles im Training zu geben. Ich war etwas zwiegespalten. Vor dem Wettkampf war ich dann mehr emotional als nervös. Am allerletzten Boulder musste ich mich dann zusammenreißen, weil mich die Emotionen fast übermannten. Meine Teamkollegen haben mir anschließend eine gute Zeit bereitet. Ich bin sehr dankbar für diesen gelungenen Abschluss.“
Wenn Sie auf Ihre Karriere zurückblicken: Welchen Moment werden Sie nie vergessen?
„Darüber habe ich mich kürzlich mit Filip (Schenk, Anm. d. Red.) unterhalten. Natürlich haben sich die Olympischen Spiele in Tokio in meinem Kopf tief eingeprägt. Aber ich erinnere mich auch gerne an einen Weltcup in München zurück, als ich im Halbfinale als erster Athlet rauskam, sofort ein Top schaffte und die ganzen Zuschauer ausrasteten. Was jedoch am meisten hängen bleibt, ist das Rundherum: Die Reisen, die Feiern mit den Teamkollegen, das Schließen neuer Freundschaften.“
Michael Piccolruaz bei den Olympischen Spielen 2021.
In Ihren ersten Jahren im Weltcup war das Sportklettern eine Nischensportart. Heute werden Wettkämpfe im TV übertragen, die Disziplin ist olympisch verankert und immer mehr junge Menschen entscheiden sich, diesen Sport auszuüben. Sind Sie stolz, einer jener Athleten gewesen zu sein, die einen entscheidenden Anteil an dieser Entwicklung hatten?
„Absolut. Der Trend unserer Sportart ist sehr positiv – und darauf bin ich unglaublich stolz. Ich habe jetzt auch in Tokio gesehen, dass ich als Teilnehmer der ersten Olympischen Spiele und als Mitglied der Athletenkommission von der Community geschätzt werde. Mir liegt das Sportklettern am Herzen und ich will, dass wir weiter wachsen. Es ist cool, wohin es geht, doch uns ist auch bewusst, dass es noch viel zu verbessern gibt.“
Welche sind Ihre nächsten Projekte?
„Schon nächste Woche fliege ich nach Mallorca zum Deep Water Soloing (Freiklettern über tiefe Gewässer, Anm. d. Red.). Am Felsentor Es Pontas versuche ich mich an einer Route, die ich schon 2021 geklettert bin. Im nächsten Jahr fahre ich dann für ein ambitioniertes Projekt nach Südafrika. Dort peile ich eine Erstbegehung an.“
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