Bewegungslos im Medaillenspiegel

Heute bleibt die Küche kalt, wir gehen in den Wienerwald. Gemeint war damit in der Vergangenheit ja nicht die bewaldete Bergregion, die sich im Nordwesten und Südwesten der österreichischen Hauptstadt Wien erstreckt. Es war dies der Reklamespruch einer weitverbreiteten Restaurantkette, die saftige und knusprige Hendl im Angebot hatte (selbst mal ausprobiert damals). Wenn man so will, könnte man die Hähnchen am Fließband als Vorläufer der heutzutage bekannten Fast-Food-Restaurants, die vorwiegend amerikanischen Ursprungs sind, bezeichnen.

Der Spruch freilich ist aktueller denn je, denn angesichts der Hitzewelle erweist sich der Hinweis, dass die Herdplatte nicht eingeschaltet werden soll – kalte Küche also – als perfekt. Es ist bei 30 Grad einfach gesünder, eine frische Melone zu essen, als ein fett frittiertes Schnitzel. Zudem wird ordentlich Strom gespart, was natürlich auch besonders aktuell ist im Augenblick. Zurück zu den Wurzeln Die tropischen Temperaturen verändern unser Leben und so kommt auch ein Hauch der guten alten Zeit, die freilich, wie wir wissen, nicht immer so supergut war, zurück. Die Wäscheleine erlebt eine wunderbare Renaissance. Schön, wie sich Hemden und Handtücher endlich wieder im Rhythmus des Windes wiegen dürfen. Ein buntes Schauspiel, das uns jahrelang versagt worden war, denn die Wäsche, die steckte im Trockner fest und kam nur an die frische Luft, wenn sie ausgewählt wurde von ihrem jeweiligen Besitzer. Natürlich auch Besitzerin.

Jetzt hat diese Haushaltshilfe Pause. Der Stromrechnung kommt das zugute und irgendwie auch dem Lebensgefühl. Unsere Neugier auf den Inhalt des Kleiderschrankes im Nachbarhaus wird endlich wieder gestillt. Wir Nordlichter wurden da ja von den Menschen aus Südeuropa diesbezüglich gewaltig abgehängt in den letzten Jahren, denn in Palermo oder Neapel flattert die Wäsche ja schon immer zwischen den Häuserzeilen, festgezurrt mit Holzklammern, die schon viele Stürme überstanden haben.

Deutschlands Teamchefin Martina Voss-Tecklenburg. © APA / GEORG HOCHMUTH

Wir holen also auf und sind auch sonst hitzemäßig schon ganz ordentlich eingestellt. Wir treiben, weil uns das ja so suggeriert wird von den vielen Gesundheitsaposteln dieser Welt, weniger Sport, denn es soll eben ungesund sein, sich körperlich zu sehr zu verausgaben in diesen Tagen mit ständig neuen Hitzerekorden. Wohin sogar das Nichtstun führen kann, sah man in der deutschen Hauptstadt Berlin. 400 Soldaten und Soldatinnen waren im Berliner Bendlerblock angetreten, um am 78. Jahrestrag des gescheiterten Attentats auf Adolf Hitler ihr Gelöbnis abzulegen. 28 von ihnen mussten mit Kreislaufproblemen ihre Mission abbrechen. Dabei bewegten sie sich nicht einmal, denn bei so einem Gelöbnis muss man hauptsächlich strammstehen. Hinterherlaufen im Reigen der Besten Die deutschen Leichtathleten haben sich das auch zu Herzen genommen und sich dafür entschieden, möglichst mit wenig Bewegung auszukommen. Und wenn sie schon mitlaufen, dann eben sehr ruhig, fast schon gemächlich. Dieses Laufen ist eher schon ein Dahinschleichen, um der Hitze, die auch in Eugene in den USA, wo derzeit die Weltmeisterschaft stattfindet, ein Schnippchen zu schlagen. Sollen sich doch die anderen im Schweiße ihres Angesichts plagen und Medaillen gewinnen. Die DLV-Mannschaft ficht das nicht. Zurückhaltung ist das Gebot der Stunde, denn der eigentliche große Wettkampf, der, bei dem dann wieder gejubelt werden soll, steht ja noch bevor: Die Europameisterschaft Mitte August in München.

Da sind dann endlich die hitzeerprobten Afrikaner nicht mehr dabei und auch die farbenfroh und fröhlich auftrumpfenden Jamaikanerinnen dürfen nicht mitmachen. Selbstverständlich ist das auch keine Plattform für die US-Boys oder für Athleten aus Südamerika. Man ist endlich wieder unter sich. So streuen sich das deutsche Team und auch viele andere kräftig Sand in die Augen. Nur vereinzelt nämlich sind Europas Sportler und Sportlerinnen noch einigermaßen konkurrenzfähig. Auf den Laufstrecken werden es immer weniger, so dass, wie meist auch schon in der Vergangenheit, vor allem die technischen Disziplinen das Absinken in die Bedeutungslosigkeit der Leichtathletikwelt verhindern. Am Abend ist es ein bisschen kühler Nicht alle freilich sind mit der Gnade vorsichtiger Bewegungen bei dieser Hitze gesegnet. Die Helden der Tour de France etwa müssen den Wahnsinnstemperaturen ebenso trotzen wie die kickenden Damen bei ihrer Europameisterschaft. Immerhin haben diese den Vorteil, dass der Ball erst immer in den etwas kühleren Abendstunden rollt. Dann ist auch das Wohnzimmer, wo der Fernseher steht, schon etwas abgekühlt. Und wenn dann noch etwas übrig ist von der Melone des Tages, angereichert mit hauchdünn geschnittenem Südtiroler Speck, können wir getrost auch diesen Hitzetag sportlich beobachtend ausklingen lassen. Natürlich nicht, ohne zuvor die trockene und sonnenduftende Wäsche von der Leine genommen haben.

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