Die Schwazer-Verschwörung: Chronologie eines Sportkrimis

2012 Kurz vor den Olympischen Spielen in London platzt die Bombe: Alex Schwazer ist positiv auf Epo getestet worden. Der damals 27-jährige Kalcher gesteht sofort und wird für 3 Jahre und 9 Monate gesperrt.

Schwazer sitzt seine Sperre ab, schmiedet aber gleichzeitig Pläne für ein Comeback. Das Ziel: Die Olympischen Spiele 2016 in Rio. Zu dieser Zeit muss der Wipptaler auch des Öfteren vor Gericht und macht dort in Sachen Doping reinen Tisch. Schwazer sagte damals: &bdquo;Das war eine schwere Zeit für mich. Es ist kein Vergnügen, wiederholt vor Gericht und vor das Anti-Doping-Tribunal zu müssen. Ich habe gesagt, was ich wusste und habe damit auch Leute in Schwierigkeiten gebracht, und ich würde das wieder so machen.“ 2016 1. Jänner 2016: Alex Schwazer gibt die Urinprobe ab. Aus der Ortsangabe im begleitenden Formular ist leicht darauf zu schließen, von wem die Probe stammt, sie ist somit nicht anonym. Wenige Tag später wird die Probe im von der Welt-Antidopingbehörde WADA akkreditierten Labor in Köln auf Dopingmittel untersucht – das Ergebnis ist negativ.

Im Juni dann der Paukenschlag: Bei einem Nachtest im April auf Antrag des Leichtathletik-Weltverbandes (IAAF) wird eine geringe Menge an synthetischem Testosteron gefunden. Die Bozner Staatsanwaltschaft leitet Ermittlungen gegen Schwazer ein. Er selbst betont von Anfang an, nicht gedopt zu haben.

Schwazer in Rio: Seine Mühen waren vergebens. © os

Schwazer ist zwar suspendiert, versucht aber alles, um im August bei den Olympischen Spielen in Rio doch dabei zu sein. Er reist nach Brasilien, trainiert dort, doch wenige Tage vor dem Wettkampf gibt es den endgültigen K.o.-Schlag: Bei einer achtstündigen Anhörung vor 3 Richtern des Internationalen Sportgerichtshof (CAS) wird der Wipptaler nicht freigesprochen, sondern für 8 Jahre gesperrt.

Im September wird die Urinprobe im Kölner Labor beschlagnahmt. In der Folge soll sie von den Forensikern des RIS (reparto investigazioni scientifiche) der Carabinieri in Parma untersucht werden. Doch der Weg dahin gestaltet sich zum juridischen Hürdenlauf. Der Leichtathletik-Weltverband (IAAF) beanstandet die Überführung, auch die WADA meldet Bedenken an. 2017 Erst im Juli 2017 entscheidet das Oberlandesgericht Köln nach langem Tauziehen – und zwar im Sinne des IAAF-Antrags: Nur 10 Milliliter Urin der A-Dopingprobe sollen ans RIS übermittelt werden. Die B-Probe soll nicht herausgegeben werden.

Im Oktober macht sich die Hartnäckigkeit des Schwazer-Clans schließlich bezahlt: Köln gibt endlich auch die B-Probe frei – allerdings nur 6 Milliliter davon. Doch damit ist das Hickhack noch lange nicht vorbei. 2018 Im Februar 2018 werden RIS-Chefermittler Oberst Giampietro Lago und Rechtsanwalt Gerhard Brandstätter beim Kölner Labor vorstellig und trauen ihren Augen nicht: Oberst Lago wird ein Plastikröhrchen ausgehändigt, in dem sich – wie es heißt – der Rest der B-Probe befindet. Lago verweigert die Annahme des Röhrchens, Brandstätter droht mit Strafanzeige, sollte die richterliche Verfügung, wonach alle Parteien bei der Entnahme der Probe aus dem Behälter anwesend sein müssen, nicht ordnungsgemäß umgesetzt werden. Schließlich klappt es doch, die Proben gehen auf die Reise nach Parma. 10 Tage später beginnen die RIS-Experten mit der Analyse.

2008 holte sich Schwazer in China Olympia-Gold. © AFP / FABRICE COFFRINI

Schon im Juli verdichten sich die Verdachtsmomente, dass es eine Manipulation gegeben haben könnte: Wie die Forensiker feststellen konnten, weicht die DNA-Konzentration in A-Probe und B-Probe, die ja am selben Tag genommen wurden, erheblich voneinander ab und ist ungewöhnlich hoch.

Im September verfügt U-Richter Walter Pelino beim Beweissicherungsverfahren auf Antrag der Verteidigung eine Vertiefung des Gutachtens. Am selben Tag legt Rechtsanwalt Brandstätter E-Mails vor, in denen explizit von einem &bdquo;Komplott gegen AS“ die Rede ist. Als Absender bzw. Empfänger scheinen ranghohe IAAF-Vertreter auf. Brandstätter macht eine Eingabe gegen Unbekannt. 2019 Im September 2019 wird im Zuge der Ermittlungen erstmals vor Gericht von einer möglichen Manipulation gesprochen: Oberst Giampietro Lago legt seine Ermittlungen vor und kommt zum Schluss, dass Schwazers DNA in der Probe eine Anomalie aufweist. Seiner Auffassung nach könne es nur 4 Erklärungen dafür geben: Dass Schwazer gedopt habe – wofür es aber ebenso wenig Anhaltspunkte gebe wie für die Möglichkeit, dass die Werte aufgrund einer Erkrankung des Athleten zustande kamen. Möglicherweise hätten Stress und hartes Training einen Einfluss haben können – und wenn nicht, dann bliebe nur noch eine Manipulation übrig. Richter Walter Pelino ordnet weitere Untersuchungen an.

Dieser Teilerfolg vor Gericht beflügelt Schwazer, der Mitte November unter der Regie seines langjährigen Trainers Sandro Donati wieder mit dem Training beginnt. 2020 Mit den neuen Erkenntnissen versucht Schwazer, beim Schweizer Bundesgericht gegen die vom Internationalen Sportgerichtshofs verhängte achtjährige Sperre vorzugehen. Das Gericht kommt im März 2020 aber zum Schluss, dass man dem Rekurs bei der derzeitigen Faktenlage nicht stattgeben könne.

Durch die Corona-Pandemie verzögern sich nicht nur die Ermittlungen. Auch die Olympischen Spiele werden von 2020 auf 2021 verschoben – eine Chance für Schwazer? Als Chef-Ermittler Lago im September 2020 seine neuesten Erkenntnisse vorlegt, verdichtet sich der Verdacht einer Manipulation jedenfalls immer mehr. Nun muss Richter Walter Pelino entscheiden: Wird gegen Schwazer Anklage erhoben oder wird das Verfahren eingestellt? 2021 Im Dezember beantragt die Staatsanwaltschaft die Einstellung des Strafverfahrens gegen Alex Schwazer. Nun, 2 Monate später, gibt Richter Pelino diesem Antrag statt. &bdquo;Es wird mit hohem Maß an Glaubwürdigkeit als erwiesen angesehen, dass etwas an der Urinprobe von Alex Schwazer vom 1. Jänner 2016 verändert wurde, damit sie positiv ist, um die Disqualifizierung des Athleten und sowohl seine Diskreditierung als auch jene seines Trainers Sandro Donati zu erreichen“, schreibt Pelino in einem Gerichtsdokument. Ausblick Das Strafverfahren gegen Alex Schwazer wurde nun zwar eingestellt, die Sperre bis 2024 bleibt aber vorerst aufrecht. Dagegen muss der Olympiasieger aus Kalch nun vor dem Internationalen Gerichtshof in Lausanne vorgehen.

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