Sigi`s Spitzen: Die Leichtathletik geht langsam unter

Sigi Heinrich ist jahrzehntelanger Sportreporter und TV-Kommentator.

Es gab da mal, dereinst, vor scheinbar schon langer Zeit, eine Sportart, die bezeichnete man als &bdquo;Kernsportart“ der Olympischen Spiele. Die meisten von uns haben darin sogar Erfahrung gesammelt. An der Schule vielleicht schon, wenn im Sommer Weitsprung auf dem Programm stand. Oder ein 50m-Lauf. Schlagballwerfen gab es auch noch, obwohl ich zugeben muss: Einen Wurfarm hatte ich nie. Ich kam kaum mit einem Kieselstein über die Isar. Trotzdem hat es mir die Leichtathletik angetan. Als Kommentator habe ich großartige, ja elektrisierende Moment erlebt, wie etwa den 100m-Weltrekord 2009 von Usain Bolt auf der magischen, blauen Bahn in Berlin. Mit geöffneten Schnürsenkeln kam er nach gerade mal 9,58 Sekunden ins Ziel. Unvergesslich. Ich finde kein anderes Wort dafür. Der Lauf ist noch in mir drin. Ich brauche nur einen imaginären Knopf in meinem Kopf zu drücken und Bolt startet. Ein Fabelweltrekord über 5000m Und jetzt: Da läuft der 23jährige Ugander Joshua Chepkegei in Monte Carlo einen neuen Weltrekord über 5000m. Nur 12:35,36 Minuten benötigte er. Genau zwei Sekunden war er damit schneller als die Legende Kenenisa Bekele vor 16 Jahren. Pro Runde benötigte er 60 Sekunden. Er lief mit der Präzision eines Uhrwerks und auf den letzten 400m packte er noch ein Pfund drauf mit 59.6 Sekunden. Wahnsinn ist das. Und dann kam noch das norwegische Supertalent Jakob Ingebirgtsen, der mit seinen 19 Jahren den 19 Jahre alten Europarekord von Mo Farah über 1500 verbesserte. Und doch waren dies nicht mehr als nur kurze Stromstöße. Die sportliche Tagesordnung gab dem Ereignis nur eine Nebenrolle. Die Leichtathletik ist eine der großen, sportlichen Verlierer der Corona-Krise und auch der Verschiebung der Olympischen Spiele in Tokio auf das nächste Jahr. Die Veränderungen sind spürbar Momentan sind die Läufer, Werfer und Springer eine Spezies, die um ihr Überleben kämpft. Und die momentane Situation ist erst der Anfang. In den USA etwa stoßen immer mehr Universitäten ihre Leichtathletik-Abteilungen ab. Die Gelder werden umgeleitet zu prestigeträchtigeren Sportarten wie Football oder Basketball. Die schnellen Läufer aus den USA gibt es zwar noch aber wer weiß, wie lange noch. Hinzu kommt der Ausfall der Olympischen Spiele, denn die Leichtathletik hat in den USA nur alle vier Jahre die ihm gebührende Aufmerksamkeit. Die Jahre dazwischen schleppen sich ätzend dahin und nur durch die Meetings in Europa kommen die US-Asse überhaupt über die Runden. Sporthilfe oder Anstellungen bei Behörden gibt es nicht. Das wird die Welt dieser olympischen Kernsportart bis in die Grundfesten hinein erschüttern und gravierend verändern. Auch in den Ausdauersportarten potenzieren sich die Probleme. Ohne Marathonrennen wird den afrikanischen Läufern ihre Lebensgrundlage entzogen. Auch in diesem Bereich ist nur das Prinzip Hoffnung ein freilich wackeliger Rettungsgriff. Die Leichtathletik fristet ihr Dasein momentan im Verborgenen. Die jüngsten Rekorde haben daran nichts geändert. Ja, sie sind sogar mit Vorsicht zu genießen, denn in den Corona-Zeiten mit den vielen Reisebeschränkungen sind Dopingkontrollen nicht möglich. Und wer wie Chepkegei nach einer viertägigen Odyssee von Kampala über Nairobi, Istanbul und Nizza Weltrekord läuft als käme er gerade von einem Einkaufsbummel zurück, säht Zweifel. Dabei würde ich mich gerade jetzt wirklich reinen Herzens über solche Resultate freuen wollen. Doch dafür ist momentan kein Platz mehr. Die Angst vor der Zukunft ist zu groß.

Fußball

Italien

Internationale Ligen

International

Wintersport

Tennis

Weitere Sportarten

Motorsport

Radsport

Wassersport

Events

Favoriten

Sigi`s Spitzen: Die Leichtathletik geht langsam unter

Empfehlungen

Kommentare (0)