Sigi's Spitzen: Ein Dopingsünder wird Präsident

Sigi Heinrich

Zunächst eine Meldung, die – Vorsicht bitte - eine reine Fiktion ist, die freilich später noch einen fatalen Bezug zu realen Geschehnissen erhalten sollte. Schon gespannt? Also. Lance Armstrong, dem wegen Dopings seine sieben Tour de France-Siege aberkannt wurden, ist mit überwältigender Mehrheit Präsident des Internationalen Radsport-Verbandes (UCI) geworden. Als Athlet ist er zwar lebenslang von eben jener Institution gesperrt worden und er gilt als &bdquo;einer der größten Betrüger der Sportgeschichte“, aber als Funktionär ist er natürlich bestens geeignet. Schließlich hat er jahrelang seine Kollegen betrogen und belogen, dass den Rädern die Luft wegblieb. Und nun diese umjubelte Rückkehr in den Schoß der Radfamilie. Ein Wahnsinn. Ende der Märchenstunde.

Oder doch nicht, denn dieser Fall, der aus dem Reich der Fabel stammt, ist eingetreten. Auf einer anderen nicht weniger furchterregenden Ebene. In der Leichtathletik, einer Sportart, die immer wieder wegen vieler Dopingvergehen in die Schlagzeilen gerät. Und deren ehemaliger Präsident Lamine Diack erst kürzlich in einem Korruptionsprozess zu vier Jahren Haft (zwei Jahre davon auf Bewährung) und einer Geldstrafe von 500.000 Euro verurteilt wurde. Sein Sohn Papa Massata, eine Schlüsselfigur in diesem Skandal, ist abgetaucht und wird von Interpol gesucht. Zweifelhafte Qualifikationen Der neue Präsident des Internationalen Leichtathletikverbandes (früher IAAF, jetzt &bdquo;World-Athletics“), Lord Sebastian Coe aus Großbritannien, ehemals Vizepräsident unter Diack, begrüßte die Entscheidung auf dem Weg zu Offenheit und als großen Schritt im Kampf gegen Doping. Der smarte Brite konnte sich nicht lange über dieses Urteil freuen, da ereilte ihn schon wieder eine erschütternde Nachricht. Keine Fiktion übrigens: In Weißrussland wurde Iwan Tikhon zum Präsidenten des dortigen Leichtathletik-Verbandes gewählt.

Das ist im Grunde erst einmal eine fast logische Angelegenheit, denn der Hammerwerfer Tikhon ist der Olympiazweite von Rio de Janeiro 2016, der Weltmeister von Paris 2003 und von Osaka 2007 und wurde in Amsterdam 2016 Europameister. So einer bringt demnach alle Qualifikationen für ein hohes Amt in seiner Sportart mit, wären da nicht andere Titel, die keine mehr sein dürfen. Denn wegen Testosteron-Missbrauch und Steroid-Doping wurde ihm der WM-Titel von 2005 und der EM-Titel von 2006 aberkannt. Ebenso verschwanden bei Nachtests die Silbermedaille der Olympischen Spiele von 2004 und die Silbermedaille von London 2012 aus seiner Bilanz. Tikhon gilt als einer der schlimmsten Doper der Leichtathletik. Jetzt steht er einem Verband vor, der Doping augenscheinlich als Kavaliersdelikt betrachtet. Nur eine Sperre kann wirken Erinnern wir uns an London. Die zunächst als Olympiasiegerin ausgerufene Nadeshda Ostaptschuk aus Weißrussland wurde noch vor Ort überführt, (Methonolon – ein anaboles Steroid) und musste die Medaille zurückgeben. Und auch die Hammerwerferin Oksana Menkova durfte ihre Goldmedaille von den Olympischen Spielen in Peking 2008 nicht behalten. Ihr Trainer Waleri Woronzow bezeichnete daraufhin übrigens die Weltdopingagentur WADA als &bdquo;Terrororganisation“. Und nun kommt Tikhon, der das Amt übrigens von seinem Kumpel Vadim Devjatovskiy übernahm, dem die Olympische Silbermedaille von 2008 wegen Dopings aberkannt worden war. Nette Truppe.

Und wenn man glaubt, es kann nicht schlimmer kommen, dann ist das ein folgenschwerer Irrtum. Iwan Tikhon will nächstes Jahr als Präsident auch noch einmal als Athlet antreten. Dem Entsetzen kann eigentlich nur eine Entscheidung folgen: Ausschluss des weißrussischen Verbandes von allen Wettkämpfen. Im Falle des längst bewiesenen russischen Staatsdopings hat man darauf zurückgegriffen. Es sind dies die Momente, da wünschte man sich, man hätte es wirklich nur mit einer Fiktion zu tun. Aber es ist leider wieder einmal bitterböse, ungeschönte und kaum glaubliche Realität. Eine Horrorgeschichte. Hoffentlich weckt das bei Lance Armstrong keine Begehrlichkeiten.

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