Galgenfrist für den Motorsport

Unser Kolumnist Sigi Heinrich erinnert sich dabei an sein erstes Auto und sieht eher die Chance in weiteren Innovationen als in ständig neuen Verboten. Es ist klar, dass wir jammern. Auch wenn sich die Benzinpreise jetzt einigermaßen stabilisiert haben, müssen nach wie vor etwa zwei Euro (aufgerundet) für den Liter bezahlt werden. Gut, dafür fahren wir dann mit einem vollen Tank, weil wir einen sparsamen Diesel haben, eintausend Kilometer. Geht doch eigentlich und ist ein Schnäppchen, wenn ich da an die Formel-1 denke. Für einen Liter Kraftstoff sind 200 Dollar hinzublättern. Aber angesichts der Gesamtkosten für den Renn-Wahnsinn ist das jetzt schon wieder ein Schnäppchen. Doch bald hört sich der Spaß vermutlich auch in der Motorsportbranche auf, denn der deutsche Wirtschaftsminister von den Grünen, Robert Habeck, plädiert selbstverständlich für ein Ende der sogenannten Verbrenner, hat aber jetzt ampelmäßige Gegenwehr erhalten vom Verkehrsminister in seiner Koalition, Volker Wissing, der seine FDP-Klientel natürlich weiter verwöhnen will. Mein Diesel ist jetzt fünf Jahre alt und ich hoffe, dass er noch ein Jahrzehnt hält. Dann dürfte ich beim Verbotstermin 2035 freilich noch weiterfahren, denn all die neuen Regularien gelten dann ja nur für Neuwagen. Vermutlich baut auch die Formel-1 schon vor und schichtet ein paar Renner oder nur Motoren ins Regal, um sie dann bei Bedarf, also in zwölf Jahren, in die windschnittigen Chassis einzubauen. Der Kraftstoff ist bis dahin natürlich längst synthetisch. Habeck entgeht das, wie so vieles. Innovationsminister sollte er eigentlich sein als Verantwortlicher für eine funktionierende Wirtschaft. Doch seine Partei liebt Verbote. Habeck will ganz schnell jetzt auch alle Öl-und Gasheizungen verbieten. 30 Millionen Haushalte in Deutschland heizen noch damit. Weg damit. Und dann bitte auch gleich den Diesel verschrotten. Es macht keinen Spaß mehr, denn wie bitte soll der normale Haushalt diese Umstellungen finanziell stemmen? Es drohen kalte Zeiten. Wenn wir wenigstens noch ohne Gewissensbisse Schokolade essen dürften, um ein paar Glücksgefühle zu erleben, wäre es erträglich. Vielleicht. Aber Habecks Kollege von der gleichen Partei, Cem Özdemir, hebt mal wieder warnend den Zeigefinger. Das kann er besonders gut. Er will, ähnlich wie bei Zigaretten, jetzt auf Schokoriegel einen Hinweis anbringen, wie zersetzend, grausig und ungesund Schokolade ist. Vor allem für Kinder natürlich. Özdemir ist Bundesminister für Landwirtschaft und Ernährung in Deutschland und hat vermutlich noch nie eine Mistgabel in der Hand gehalten. Der Reiz des Autos bleibt Regulieren und kontrollieren scheint das Gebot der Stunde zu sein. Es ist ein Ausdruck von Hilflosigkeit. Dabei hat die Vergangenheit längst bewiesen, dass der Markt durchaus die Stärke in sich birgt, auf neue Bedingungen und Veränderungen selbst zu reagieren. Die Formel-1 etwa ist nicht stehengeblieben in ihrer Entwicklung und die Ingenieurkunst, die dort eingebracht wird, kommt immer wieder auch in normalen Autos zum Einsatz. Wir profitieren durchaus von den Neuerungen. Die Formel-1 ist ein riesengroßer Testlauf und für viele Motorfans immer noch ein faszinierendes Schauspiel. Autos haben uns schließlich ein Leben lang begleitet, waren der Motor im wahrsten Sinne des Wortes für unseren zeitweiligen Wohlstand. Es gab eine Zeit, da wollten Jungs vor allem eines werden: Automechaniker. Und war nicht der erste fahrbare Untersatz dereinst ein überwältigendes Glückserlebnis? Bei mir war es ein Fiat 850. Schnuckelig, klein aber mit ordentlich Power unter der Haube. So habe ich es jedenfalls empfunden. Er hatte einen wassergekühlten Vierzylinder-Reihenmotor und Heckantrieb. Es war ein Mordsspaß im Winter. Und er hat mitunter auch ordentlich Krach gemacht. Das ginge heutzutage natürlich nicht mehr. Die leisen Töne sind gefragt, respektive gar keine mehr. Nur Abrollgeräusche kündigen ankommende PKW noch an, weshalb es auch schon die Formel-E gibt. Leise wie Raubkatzen schleichen die schnellsten Fahrzeuge mit Elektroantrieb um die Kurven. Und natürlich gibt es auch schon eine Rennserie dazu, die auch im Fernsehen gezeigt wird. Fahrerweltmeister ist derzeit Stoffel Vandoome, den nur eingeweihte Fans kennen. Der Belgier kommt natürlich aus der bösen Benzinbranche und hat auch weiterhin einen Vertrag mit Aston Martin, wo er Ersatz-und Testfahrer ist. Er konnte jubeln in Bahrain über den sensationellen dritten Platz von Altmeister Fernando Alonso seines Rennstalles. Darüber wird diskutiert, das bewegt die Fans und natürlich auch die Frage, ob es neuerlich einen Alleingang von Max Verstappen im Red Bull gibt. Noch haben wir eine Galgenfrist. Vermutlich kommt der Warnhinweis für Schokoriegel früher als das Verbot für Autos mit traditionellem Antrieb, wobei die Frage erlaubt sein darf, wie es denn mit der Entsorgung der vielen Chemikalien aussieht, die in den Batterien stecken. Aber darüber machen wir uns natürlich erst später Gedanken. Ähnlich wie bei Atomkraftwerken über die Entsorgung der Brennstäbe. Vielleicht 2035. Das wäre ein geeigneter Zeitpunkt. Bis dahin wollen wir noch ein wenig das Leben genießen und in den Pausen auf dem Rastplatz bei einem Autoausflug in den Alpen mit spektakulären Serpentinen ordentlich Schokolade futtern. Jetzt erst recht, denn so schnell geben wir nicht klein bei. Der Autor: Sigi Heinrich Der preisgekrönte Sportjournalist und TV-Kommentator (u.a. Deutscher Fernsehpreis, Bayerischer Sportpreis, Biathlon-Award, World-Sports-Trophy) widmet sich in seiner Kolumne der gesamten Vielfalt des Sports. Mal launig und schmunzelnd mit Augenzwinkern, mal ernsthaft oder auch bewusst provozierend. Es soll ja für alle etwas dabei sein. Heinrich war nach seinem Sportstudium an der TU München zehn Jahre Redakteur der Süddeutschen Zeitung und ist gehört seit 34 Jahren zum Kommentatorenteam bei Eurosport.

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Das erste Formel-1-Rennen in Bahrain hat die gewohnte Hierarchie in der höchsten Motorsportserie bestätigt. Doch vielmehr als über Max Verstappen und Red Bull wird über den Ausstieg aus den Verbrenner-Motoren diskutiert.

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