A Radsport

Wout van Aert (Belgien) wird sich auch heuer den Herausforderungen der Tour de France stellen. © APA/afp / ANNE-CHRISTINE POUJOULAT

Flirt mit dem Limit: Tour de France zwischen Sicherheit und Spektakel

Radsport macht die Bühne für seine größte Attraktion frei. Doch nach dem Tod von Gino Mäder wird auch der Start der Tour de France von einer Sicherheitsdiskussion begleitet. Lösungen gibt es kaum.

Tony Martin versteht die Welt nicht mehr. Der tragische Tod von Gino Mäder hat kurz vor der Tour de France eine kollektive Wunde des Radsports wieder weit aufgerissen, dabei dreht man sich beim Thema Sicherheit offenbar nur allzu gern im Kreis. „So wie ich es sehe, ist relativ wenig passiert. Gefühlt fahren wir immer noch mit demselben Standard rum wie zum Start meiner Karriere. Ich habe versucht, viel herbeizuführen, da ist aber relativ wenig bis gar nichts passiert“, sagte der 38 Jahre Ex-Profi vor dem Start der Tour de France.


Die erste Woche der Tour ist ohnehin oft halsbrecherisch und von schweren Stürzen überschattet. Jeder Profi ist etwas motivierter, jedes Team drängt noch ein wenig mehr auf Erfolg. Ein Etappensieg beim größten Spektakel des Radsports kann ganze Karrieren prägen. Und wenn am Samstag im Baskenland der Startschuss fällt, dann heißt das in den ersten beiden Tagen vor allem: Viele kleine Straßen, steile und kurvenreiche Abfahrten – und jeder will vorn fahren. „Aber es können nicht alle vorn fahren. Deswegen nimmt das Feld so eine Eigendynamik an. Stürze werden wahrscheinlich nicht vermeidbar sein“, sagte Ralph Denk, Chef des deutschen Top-Teams Bora-hansgrohe.

Vor allem Bergabfahrten bergen viel Gefahr. © ANSA / YOAN VALAT

Es ist ein Dilemma des Sports, für das es nur bedingt Lösungen gibt. Es ist durchaus Potenzial vorhanden, wie man Streckenabschnitte besser absichern oder Etappen besser planen kann. Das betrifft vor allem Ortsdurchfahrten, Verkehrsinseln, Kreisverkehre oder die Gestaltung des Finals einer Etappe. „Radsport ohne Stürze und schwere Verletzungen wird es nicht geben“, sagt Martin. Einige kleinere Veränderungen hat es dort in den vergangenen Jahren bereits gegeben.

Immer wieder lebensgefährliche Stürze

Doch es musste immer erst etwas passieren. So werden seit dem lebensgefährlichen Sturz des Niederländers Fabio Jakobsen bei der Polen-Rundfahrt 2020 spezielle Banden in den Sprintfinals aufgestellt, statt einfacher Absperrgitter. Der Tod von Mäder, der vor anderthalb Wochen bei der Tour de Suisse in der Abfahrt vom Albulapass verunglückte, wäre wohl kaum zu verhindern gewesen. „Das zu sichern auf einem Standard, wie es zum Beispiel im Skirennsport in Kitzbühel mit dreifachen Fangnetzen der Fall ist, ist nicht möglich“, meinte Denk.

Der schwere Sturz von Fabio Jakobsen hat im Radsport etwas verändert. © APA/afp / SZYMON GRUCHALSKI

Ein anderes Argument als Spektakel gibt es für eine solche Streckenplanung selten. Es wird offenbar spekuliert, dass am Berg abgehängte Fahrer in der Abfahrt ein zusätzliches Risiko eingehen, um Zeit aufzuholen. Ralph Denk ist das allerdings etwas zu einfach argumentiert: „Wenn noch ein Berg kommt, wird die Abfahrt genauso runtergehämmert.“

Ein Hintergrund ist, dass die Räder aufgrund der technischen Entwicklungen immer schneller werden. Dreistellige Geschwindigkeiten sind für Profis in einer alpinen Abfahrt heutzutage nichts Besonderes mehr. Was – so makaber das klingen mag – für einen Profi dazugehört, ist, einfach den Kopf auszuschalten „Das ist schon immer präsent, dass etwas passieren kann“, sagt Radprofi Emanuel Buchmann. „Ich denke, das muss man ein Stück weit ausblenden. Sonst kann man den Sport nicht auf Dauer machen.“

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