Probleme für das Wunderkind

Natürlich ist Tadej Pogacar kein Wunderkind. Dann wäre er, um der Definition eines Wunderkindes gerecht zu werden, schon als Kind Tour de France-Sieger geworden, was ja nun definitiv schon aus körperlichen Gründen unmöglich ist. Klar ist Wolfgang Amadeus Mozart das wohl berühmteste Aushängeschild all deren, die dem Können der Erwachsenen schon voraus waren, als sie kaum laufen konnten. Sein erstes Stück, ein Menuett für Klavier, entstand 1761. Da war der Knabe gerade erst fünf Jahre alt. Natürlich konnte Pogacar in diesem Alter auch schon Radfahren. Ohne Stützräder. Mittlerweile ist er 23 Jahre alt und gilt dennoch als Wunderkind. Zumindest in seinem Metier.

Denn schon zweimal hat er bislang die Tour de France gewonnen. In seiner Heimat Slowenien hat er damit einen Hype ausgelöst, der mich an die Begeisterung der Deutschen erinnert nach dem Tour-Sieg von Jan Ullrich 1997. Wer auf sich hielt, fuhr danach mit dem Rad. Da brauchte es keine Hinweise auf den günstigen Effekt für den Klimaschutz. Radfahren war plötzlich in, auch wenn erst Jahre später das Umdenken weg vom Auto, wenigstens für diejenigen, die nur etwa fünf Kilometer zum Arbeitsplatz haben, einsetzte. Und auch Radwege wurden erst nach und nach projektiert. So ist das gerade auch in Slowenien. Fahrräder kann man derzeit nicht kaufen. Die Velos sind, nicht nur wegen unterbrochener Lieferketten und damit verbundenen Problemen bei der Produktion, ausverkauft. Aber wo neue Straßen entstehen oder verbreitert werden, denkt man auch an Radwege. Alleine auf weiter Flur Es ist jetzt nicht so, dass sämtliche Projekte eingestampft werden angesichts der dramatischen Meldungen aus Frankreich. Sportlich gemeint. Pogacar ist eingebrochen. Das Wunderkind, so könnte man leichthin nun formulieren, wurde auf den Boden der Tatsachen geholt. Der &bdquo;Col du Granon“ könnte zum Schicksalsberg für Tadej Pogacar geworden sein. Fast drei Minuten verlor er auf den Dänen Jonas Vingegaard. Noch vor wenigen Tagen hätte man gedacht, dass der Slowene dieses Etappenmonster mit einem Anstieg von 11,3 Kilometern Länge und 9,3 Prozent Steigung mit der ihm gewohnten Leichtigkeit bewältigen würde können. Der neue Mann in Gelb: Jonas Vingegaard © ANSA / YOAN VALAT

Doch leicht ist jetzt nichts mehr für ihn, weil ihn die Konkurrenz nach seinen zwei Husarenritten in den letzten beiden Jahren mit gnadenloser Intensität beobachtet. Und dazu kommt, dass auch ein Ausnahmeathlet wie Pogacar eine gute funktionierende Mannschaft benötigt, um sein Talent auf die Straße zu bringen. Mozart benötigte schließlich auch ein gut gestimmtes Klavier für seine Kompositionen. Gerade die Unterstützung aus dem Team fehlt dem slowenischen Überflieger. Das darf man nicht vergessen. Die Situation ist fatal. Zwei seiner Mannschaftskollegen können nach einem positiven Coronatest nicht mehr mitradeln und zwei andere schwächeln, weil sie angeblich auch positiv getestet wurden, wobei das auch seltsam klingt. Wieso, darf man schon fragen, fahren die dann noch mit. Radelnde Virenverbreiter. Eine neue Tour-Spezialität. Verzweiflung als Antriebsfeder Pogacar ist mithin fast alleine auf weiter Flur. Er ist ein einsamer Kämpfer, umgeben von einer hungrigen Meute, die jede kleine Schwäche gnadenlos ausnutzt. Vor allem das &bdquo;Jumbo-Visma-Team“, für das Vingegaard fährt, nimmt den Slowenen in die Zange, wann immer es geht. Wo immer er auftaucht und was immer er versucht, verzweifelt fast im erzwungenen Alleingang, wird mit strategischen Kontern beantwortet. Und doch ist der Respekt noch immer groß für das sportliche Wunderkind aus Oberkrain, weil jedermann im Peloton weiß, das der Slowene auch aus der Verzweiflung heraus noch kontern kann. Schon einmal hat er mit einem abschließenden Bergzeitfahren eine Tour gewonnen. Das war bei seiner Premiere 2020. Der Führende damals war sein Landsmann Primoz Roglic. Noch ist das bekannteste und berühmteste Etappenrennen der Welt in diesem Jahr nicht zu Ende.

Gewaltige Herausforderungen stehen noch bevor. Nach vier Jahren Pause lockt erneut die Bergankunft in Alpe d´Huez. Ein Klassiker und vielleicht die größte Prüfung für alle und auch für das radelnde Wunderkind Tadej Pogacar. Gewänne er letztlich in diesem Jahr die Gesamtwertung, wäre das vermutlich der Sprung in die nächste Kategorie der Superlative. Dann könnte man gut und gerne davon sprechen, dass er schon jetzt, kaum flügge geworden, bereits eine Legende wäre. Verlöre er, wäre das nicht weiter tragisch, denn es ist ja nun unbestritten, dass er noch genug große Jahre vor sich hat. Bei seiner derzeitigen Mannschaft &bdquo;UAE-Team Emirates“ hat er einen Vertrag bis 2027 unterschrieben. Das ist die längste Laufzeit, die je ein Radprofi eingegangen ist. Wie es sich für ein Wunderkind halt gehört.

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Probleme für das Wunderkind

Bei der Tour de France sieht sich der zuletzt zweimalige Sieger Tadej Pogacar aus Slowenien ungewohnten Problemen gegenüber. Unser Kolumnist Sigi Heinrich glaubt dennoch an die große Zukunft des als Wunderkind gepriesenen Ausnahmekönners.

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