Dank frischer Luft zu Bestleistungen

Wenn ein Sportplatz geplant wird, was sowieso nur noch selten genug passiert, gibt es auf jeden Fall ein paar Kubikmeter feinen Sand für die Weitsprunganlage. Ist ausreichend Platz vorhanden, entsteht möglicherweise sogar eine 400m-Rundbahn mit elastischem Belag. Auf jeden Fall werden 50m- Bahnen für schnelleres Laufen ausgelegt. Und scheinbar unverzichtbar ist ein Ring zum Kugelstoßen, denn wir wissen ja längst, dass Kinder und Jugendliche im Sportunterricht nichts lieber machen als Kugelstoßen. Und Weitspringen lieben sie, weil sich dann in den modischen Sneakern, die man auch im Sport trägt, der Sand so schön verteilen kann. Igitt. Genau. Willkommen in der Leichtathletik, jener Sportart, die aus so vielen unterschiedlichen und spannenden Disziplinen besteht, wobei die Säulen immer gleich sind. Laufen, Springen, Werfen, wie wir gerade eben wieder drei Tage lang bei den Hallenweltmeisterschaften in Glasgow beobachten konnten. Es ist trotz mancher Vorbilder nicht einfach, die sportliche Begeisterung anzufachen, denn die Begeisterung für Bewegung ist bei den Kids beiderlei Geschlechts nicht unbedingt ausgeprägt vorhanden. Und Sport ist auch aus sozialer Sicht ein wichtiger Baustein im Leben, ja er ist gar das Leben an sich mit seinen vielschichtigen Strukturen. Ich habe nach meiner Ausbildung zum Sportlehrer an einer Privatschule gearbeitet. Die Schüler wollten dabei nicht Sport treiben, auch wenn das der Stundenplan vorsah, sondern ihre Positionskämpfe aus der Klasse im Sport festigen. Richtig klar wurde mir das, als ich zwei Teams für ein kleines Fußballmatch aufstellte und dabei bewusst die Gruppen trennte. Die Folge war für mich ein Desaster. Sie ignorierten schlicht die Aufstellung und schossen reihenweise Eigentore. Sie fühlten sich ihrer Gruppe verantwortlich und nicht dem Team, für das ich sie vorsah. Sie ließen sich nicht auseinanderdividieren. Was die Lehrer in den üblichen Fächern nicht schafften, blieb an mir hängen. Ich sollte wieder für eine vernünftige Struktur in den Klassen sorgen, was in einer Stunde pro Woche natürlich ein sinnloses Unterfangen war. Nach einem halben Jahr gab ich entnervt auf. Ich habe mich hinterher gefragt, was falsch gelaufen war, was ich eventuell auch falsch gemacht habe? Kam der Spaß zu kurz? Oder verfügte ich schlicht nicht über die notwendigen pädagogischen Fähigkeiten? In diesem Fall war der Sport freilich auch das Ventil, um die gruppendynamischen Prozesse in der Klasse zu festigen. Ich war da als Lehrer nur im Weg. Sport als Gesundheitsprogramm Es ist ja unstrittig klar, dass Sport eine extrem wichtige Bedeutung für die Gesellschaft hat. Vor allem, weil regelmäßige Bewegung vorbeugend wirken kann gegen vielerlei gesundheitliche Probleme. Vorbeugen, vorbeugen. Man sollte es wie ein Mantra lesen. Doch auch das kennen wir alle: Dann kommt die Phase, in der es beruflich endlich aufwärts gehen soll. Termine, Termine. &bdquo;Ich habe keine Zeit“, ist die wohl gängigste Ausrede. Zwei, drei Wanderungen im Jahr dienen als Deckmantel für die vielen Versäumnisse während des Jahres. Der Sport in der Schule sollte deshalb mehr umfassen als nur körperlichen Ausgleich für die vielen Stunden an der Schulbank. Vielleicht ist sogar das Wort &bdquo;Sport“ falsch, irreführend und möglicherweise abschreckend. Gesundheitsschulung wäre vielleicht passender. Genauso wie ein Krankenhaus eigentlich Gesundheitszentrum heißen sollte. Das klänge schon wesentlich sympathischer, gar verlockend, wenn es mal irgendwo zwickt und kratzt. Leider ist eine mögliche Neugestaltung des Sportunterrichts auf fast keiner Agenda irgendeines Kultusministeriums zu finden und es ist immer noch gängige Praxis, dass als erstes der Sport ausfällt in den Grippephasen, wenn plötzlich wieder Lehrermangel herrscht. Vielleicht ist der Kugelstoßring ein Relikt aus einer anderen Zeit, vielleicht auch die Weitsprunganlage. Vielleicht bräuchte es nichts außer dem Anstoß, an die frische Luft zu gehen. Wir wundern uns oft, warum die wenigen Norweger im Vergleich zu vielen anderen bevölkerungsstärkeren Nationen im Sport so erfolgreich sind. Dabei ist das Grundrezept dafür vermutlich relativ simpel und sogar preiswert. Einfach rausgehen. Raus aus den vier Wänden, raus in die Natur. Irgendwo ist sie immer. Die Norweger haben dafür sogar ein eigenes Wort. &bdquo;Friluftsliv“. Übersetzt heißt es &bdquo;Freiluftleben“. Es gibt sogar ein Studienfach an einer Universität dafür. Mit dem Besenstil übers Sofa Natürlich können wir uns trotzdem an den vielen Sportprogrammen im Fernsehen erfreuen und fasziniert zuschauen, wie etwa bei den Hallenweltmeisterschaften der Leichtathleten Höchstleistungen erzielt werden. Das darf uns begeistern, mitunter auch verwirren. Mir geht das immer so, wenn ich acht Meter ausmesse und mir dann denke, dass ein Mensch einfach über diese Marke mit einem Satz hinwegspringt. Ja fast neun Meter mittlerweile. Oder eine Latte überquert, die zwanzig Zentimeter höher ist als mein Türstock. Aber das ist die Spitze, dass sind die zirzensischen Auswirkungen des Hochleistungssports, der indes auch seine Basis irgendwann mal bei allen hatte im einfachen, reinen Bewegungsdrang. Der weltbeste Stabhochspringer, Armand Duplantis aus Schweden, sprang als Kind mit dem Besenstil über das heimische Sofa. Mittlerweile ist er Olympiasieger und Weltmeister. Das müssen und können die meisten natürlich nicht erreichen und es ist auch nicht notwendig. Jedes Niveau ist ausreichend, denn Sport kann wirklich einfach sein. Man braucht, wie gesagt, nicht viel dazu. Nur ab und zu mal die Bereitschaft, denn inneren Schweinehund zu überwinden. Ich kenne das. Zum Autor: Sigi Heinrich Der vielfach ausgezeichnete Sportjournalist (u.a. Gewinner des Deutschen Fernsehpreises und des Bayerischen Sportpreises), Buchautor und Eurosport-Kommentator der ersten Stunde (seit 1989) widmet sich in seiner regelmäßigen Kolumne &bdquo;Sigi´s Spitzen“ der gesamten Vielfalt des Sports und wildert gerne auch in fremden Gefilden. Mal mit schmunzelndem Augenzwinkern, mal ernst und nachdenklich oder bewusst provozierend. Es soll ja für alle etwas dabei sein.

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Dank frischer Luft zu Bestleistungen

Der Sportunterricht muss nicht die Basis für spätere Höchstleistungen sein. Er sollte vielmehr, findet unser Kolumnist Sigi Heinrich, das Verständnis für die eigene Gesundheit fördern. Ein gutes Beispiel dafür sind die Norweger, die sogar ein Studienfach haben das „Freiluftleben“ heißt.

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