Sigi's Spitzen: Dem Sport droht Dunkelheit

Der schlaue Mann sorgt vor. Frau, schlau natürlich auch, ebenso. Ist ja heutzutage wahnsinnig kompliziert, weil bei jedem Satz die Genderwaage mächtig ausschlägt. Also nehmen wir die Frau mit zum Baumarkt und ordern fleißig: Zündholzer, lange brennende Kerzen. Da dürfen wir erst mal nicht auf den Preis schauen, denn nur gutes Wachs leistet uns lange Dienste. Weihnachten rückt näher? Ja schon, aber das ist nicht der Grund für unseren ungewöhnlichen Einkaufszettel. Es ist vielmehr eine Angst, die in uns allen steckt, die uns manchmal packt mit großen Schwingen und scharfen Krallen und die uns dann fest im Griff hat. Sie umklammert uns und schnürt uns die Kehle zu. Die Angst vor der Dunkelheit. Sie rückt jetzt näher, Tag für Tag, Schritt für Schritt, Minute für Minute. Irgendwann, so interpretiere ich die dramatischen Drohgebärden der Politiker, irgendwann dreht man uns das Licht total ab. Ein Anfang soll demnächst gemacht werden. Ab 22 Uhr abends sollen die Werbetafeln in den Stadien keinen Saft mehr erhalten. Weitere Maßnahmen drohen am noch hellen Horizont. Turnhallen sollen mit Notbeleuchtung laufen, so dass man nur noch in der Dämmerung üben kann. Die Gegenreaktionen werden skizziert. Der Tischtennisball ist zum Glück fluoreszierend. Die Hausfrauengymnastik wird auf wenige Übungen beschränkt. Abstand ist jetzt auch wichtig, damit man sich nicht verletzt, wenn man sich im Dunkeln zu nah kommt. Aber das kennen wir ja noch aus den düsteren Coronazeiten. Der Staffellauf muss mit brennenden Kerzen absolviert werden. Neue Weltrekorde sind dann natürlich nicht mehr möglich. Die Flamme muss brennend ins Ziel gebracht werden, das sich kaum erkennen, mehr nur erahnen lässt. Die Qualität liegt in einer kontrollierten Langsamkeit. Gut so, denn die Zuschauer würden sonst gar nichts mehr sehen. Stirnlampen für Torhüter Die neue dunkle Sportwelt rast wie ein Meteorit schier ungebremst auf uns zu und ist in der Lage, alles Sportleben auszulöschen, denn in der Champions League zum Beispiel starten die Spiele erst um 21 Uhr. So weit bekannt ist, dauert so ein Kick dann eineinhalb Stunden, meist mehr, weil es längst kein Spiel mehr gibt ohne Nachspielzeit. Die Halbzeit sollten wir nicht vergessen, weil in dieser die ersten tiefsinnigen Analysen getätigt werden. Gerade noch so eben zu sehen, denn, wie gesagt, dann rücken die Zeiger der Uhr gnadenlos nach vorne. Es ist zehn Uhr abends. Das Flutlicht ist plötzlich nur noch eine Funzel, die Werbebanden sind nicht mehr zu erkennen, was natürlich auch daran liegt, dass sie nun Leuchtbanden sind mit wechselseitigen Reklamenachrichten, während man früher einfach bedruckte Plastikplanen aufgehängt hat. Es droht schon wieder wie bei Corona ein finanzielles Desaster, weshalb zunächst ein Spielabbruch nicht denkbar ist. Es muss weitergehen. Der Ball leuchtet jetzt wie eine Weihnachtskugel und die Torhüter tragen Stirnlampen. Gerade in Dortmund oder Schalke, wo man früher in die Grube fuhr, sollten noch genug davon verfügbar sein. Eishockeyfelder freilich schmelzen, weil die dafür notwendige Energie jetzt dazu verwendet wird, um die Haushalte zu versorgen. Rollhockey, tagsüber natürlich, bietet sich als Alternative an. Der Breitensport ist das erste Opfer Die Sparmaßnahmen, die uns warme Wohnungen sichern sollen, könnten sich fatal auf den Sport auswirken. Und nicht nur auf den Spitzensport oder auf den Fußball, der natürlich ein gewichtiges Wort einbringen kann, wenn es darum geht, Energieressourcen zu ergattern. Es ist wie schon in der Coronazeit der Breitensport, der geopfert wird, ohne dass es einen Sturm der Entrüstung geben würde. Es ist ein schleichender Verfall. Ohne Sportstätten können keine Angebote mehr gemacht werden, was langfristig auf Kosten der Volksgesundheit geht. Es wächst eine Generation von Jugendlichen heran, die keine Rolle rückwärts mehr können. Vorwärts vielleicht gerade noch so eben. Noch schlimmer: Die nicht mal schwimmen können. Und Bademeister, die umso dringender wären, sind längst eine aussterbende Spezies. Es wäre an der Zeit, dass sich der Spitzensport und der Breitensport auf eine Stimme einigen, um die bevorstehenden Einschränkungen abzufedern, so gut das eben geht. Der Fußball könnte für eine gewisse Zeit fehlende Einnahmen aus den Werbebanden verkraften. Der Breitensport kann das nicht. Er lebt von der Hand in den Mund und ist noch immer geschädigt von den Coronamaßnahmen. Es braucht kein Feuerwerk in Monza oder gar in Katar bei der bevorstehenden Fußball-Weltmeisterschaft, wo Energie in unvorstellbarem Maße verschwendet wird. Weniger wäre jetzt nicht nur mehr, sondern sportlich lebensnotwendig. Vielleicht kann man sogar die guten, alten Plastikwerbebanden wieder entstauben oder ein paar Stunden früher ein Spiel anpfeifen lassen, damit vor allem der Schulsport und der Breitensport aufgefangen werden können, bevor die sportliche Dunkelheit undurchdringlich wird. Zur Person: Sigi Heinrich Der renommierte Sportjournalist, Buchautor und vielfach ausgezeichneter Eurosport-Kommentator (u.a. Gewinner des Deutschen Fernsehpreises und des Bayerischen Sportpreises) widmet sich in seiner Kolumne “Sigi´s Spitzen“ nicht nur der gesamten Vielfalt des Sports. Auch Themen außerhalb seines gewohnten Metiers beschäftigen ihn. Mal sehr ernsthaft, oft auch mit einem verschmitzten Augenzwinkern und mitunter auch bewusst provozierend. Es soll ja für alle was dabei sein.

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Sigi's Spitzen: Dem Sport droht Dunkelheit

Überlegungen der Politik, den Sportbetrieb zu reduzieren, um Energie zu sparen, könnten fatale Auswirkungen haben. Unser Kolumnist Sigi Heinrich sieht dabei neben dem Spitzensport vor allem eine große Gefahr für den Breitensport und mithin auch für die Entwicklung der Jugend.

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