Die Kleinen mucken auf

Es ist eine von vielen, von viel zu vielen Show- oder Quizprogrammen im Fernsehen. Klein gegen Groß. Klar, das kommt gut an, wenn ein talentiertes Kind gegen einen Star in dessen Hoheitsgebiet antritt. Das ist rührend und automatisch drückt man vermutlich dem vermeintlich chancenlosen Nachwuchs die Daumen. Nehme ich jedenfalls an, denn zugegeben öden mich persönlich diese TV-Formate an. Ab und zu freilich bleibt auch unsereiner beim beliebten Zappen, der verzweifelten Suche nach einem guten Programm, bei einer solchen Sendung hängen. Und wenn es sportlich dabei zugeht, wie vermutlich öfters, mag es auch ganz unterhaltsam sein. Denn es spricht uns natürlich an.

David gegen Goliath. Das hat ja schon mal funktioniert, als der riesige Philister vom Hirtenjungen David von einem Stein aus einer Schleuder am Kopf getroffen zu Boden sank. Zum Lohn wurde David später König von Juda und Israel. Es sollen nämlich, so steht es im Alten Testament, fünf Riesen gewesen sein, die der Kleine mit fünf glatten Kieselsteinen, die vielleicht scharfe Kanten hatten, erledigte. Zweifellos eine Großtat und im heutigen Sprachgebrauch immer noch gerne zitiert. David gegen Goliath. Der Sport hält dafür fast regelmäßig neue Kapitel bereit. Da wird etwa in der Basketball-Liga in Deutschland Ratiopharm Ulm Deutscher Meister, obwohl das Team vor den Playoff-Spielen nur den siebten Platz belegt hatte. Vor ihnen lagen die Favoriten. Alba Berlin, Brose Bamberg oder der FC Bayern München. Die üblichen Verdächtigen für die Titelvergabe. Diesen Teams steht weitaus mehr Geld zur Verfügung als Ulm. Der Etat der Münchner etwa ist dreimal so hoch wie jener der Ulmer. Genützt hat es nichts. Die Schwaben gewannen in den Playoffs dreimal gegen den neureichen FC Bayern München und besiegten jetzt im Finale sogar den Champions-League-Sieger Telekom Baskets Bonn mit 3:1, wobei die Bonner sogar Hauptrundenerster waren.

Der FCS macht es vor Ein Hoch auf David und damit auch auf die Handballer des SC Magdeburg, die sogar das Kunststück vollbrachten, die Champions-League zu gewinnen durch Siege im Finalturnier gegen den favorisierten FC Barcelona und die auch höher eingeschätzten Polen aus Kielce mit dem deutschen Nationaltorwart Andreas Wolff. Es war, logisch, stets knapp, doch am Ende waren die Gegner platt und Magdeburg feierte und setzte mit dem unerwarteten Erfolg auch ein beeindruckendes Zeichen. Trainer Benet Wiegert war als Spieler bereits vor 21 Jahren beim ersten Triumph im damaligen Europapokal dabei und ist in Personalunion auch Geschäftsführer Sport, mithin sein eigener Chef. Kontinuität ist eines der großen Geheimnisse des SC Magdeburg. Eine besondere Qualität, die im Sport allgemein als Auslaufmodell betrachtet wird. Nur eine kleine Niederlagenserie reicht oft schon aus, um alles und vor allem die Trainer in Frage zu stellen. Schön, dass es noch solche Vorbilder wie den SC Magdeburg gibt und mithin einen weiteren David, der sich mutig dem schier übermächtigen Gegner entgegenstemmt.

Der SC Magdeburg hat die Champions League gewonnen. © APA/afp / ROBERTO PFEIL

Wie das übrigens auch der FC Südtirol in dieser Saison getan hat. Nach drei Niederlagen zum Saisonauftakt und einem befürchteten Debakel als Aufsteiger öffnete sich am Ende sogar die Türe einen klitzekleinen Spalt zur Serie A. Es ist dabei keineswegs tragisch, dass man nach dem sechsten Platz in der Hauptrunde nun weiter in der Serie B spielen muss. Vermutlich war die Niederlage gegen Bari im Playoff ein Gewinn, denn nun kann man sich konsolidieren in der zweithöchsten Spielklasse, die wie maßgeschneidert zu sein scheint für den FC Südtirol, der ähnlich wie der SC Magdeburg in Sachsen-Anhalt, eine ganze Region in einen Freudentaumel stürzen konnte. Der Südtiroler David hat es auch mit einem im Verhältnis zu fast allen Konkurrenten kleinen Etat geschafft, ein kleines Wunder zu vollbringen.

In Vegas steigt die große Party Und noch ein David holte zum großen Wurf aus. Diesmal in der Wüste. Im Eishockey. Erst vor sechs Jahren wurde das Franchise &bdquo;Vegas Golden Knights“ gegründet. Aufgrund der bestehenden Regeln und auch Gehaltsobergrenzen gelang es, hauptsächlich Spieler zu verpflichten, die woanders keine Chance mehr bekamen. Im fünften Spiel gewann das neue Team mit einem Torrausch (9:3) gegen die Florida Panthers den Stanley Cup. Das Team aus der Wüste gab im Roulette der nordamerikanischen Eishockeyliga dem Puck immer eine perfekte Richtung mit. Danach, so berichten Augenzeugen, gab es wohl kein Halten mehr.

Der 80-jährige Don Putho, der die Handtuchhalter in einem der großen Hotels verantwortet, erzählte ergriffen: &bdquo;Ich habe Sinatra gesehen und Elvis. Aber was hier abgeht am Strip, das habe ich noch nie erlebt.“ So ist das vermutlich, wenn ein vermeintlicher Außenseiter gegen die schier übergroßen Gegner triumphiert. Und gerade davon lebt der Sport. Von den großen Geschichten der Kleinen. Von unerwarteten Erfolgen, die allen deutlich machen, dass trotz vielleicht fehlender Chancengleichheit immer sehr wohl die Möglichkeit besteht, die Riesen zu stürzen.

Zum Autor: Sigi Heinrich

Der vielfach ausgezeichnete Sportjournalist und Eurosport-Kommentator (u.a. Deutscher Fernsehpreis, Bayerischer Sportpreis, Biathlon-Award und World-Sports-Trophy) widmet sich in seiner Kolumne &bdquo;Sigi´s Spitzen“ der gesamten Vielfalt des Sports und wildert auch gerne mal in fremden Gefilden. Mal mit schmunzelndem Augenzwinkern, mal ernst oder auch bewusst provozierend. Es soll ja für alle etwas dabei sein.

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