Die Seine wird olympischer Hotspot

Leinen los. Als die Organisatoren erstmals ihr Projekt vorstellten, die Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele auf der Seine stattfinden zu lassen, wurde das zunächst als undurchführbare Idee abgetan. Doch dann tauchten erste Computeranimationen auf. Brücken – und davon gibt es 37 in Paris – mit Zuschauerrängen und Booten mit Teilnehmern. Vorneweg Griechenland, wobei das nichts damit zu tun hat, dass die Hellenen über eine große Schifffahrttradition verfügen. Das ist schlicht Teil des olympischen Protokolls. Natürlich auch auf dem Wasser.

Am Schluss kommen die Boote für den künftigen Gastgeber USA (Los Angeles 2028) und jene des Gastgebers Frankreich. Ambitioniert, ein wenig verrückt aber irgendwie auch toll. So etwas hat es in der olympischen Geschichte noch nie gegeben. Die Seine, die im Burgund entspringt, 770 Kilometer durch Frankreich fließt und dann bei Le Havre in den Ärmelkanal mündet, war ja schon immer schiffbar. Doch Schwimmen sollte man bitte in ihr nicht und seit 1923 war es auch behördlich untersagt. Dabei sagt schon der gesunde Hausverstand, dass sich eine Kloake nicht für eine Erfrischung eignet. Kolibakterien lauern. Durchfall, Erbrechen, gar Blut im Urin drohen. Die zulässigen Grenzwerte waren unerreichbar. Und olympischen Anforderungen genügte das Wasser natürlich erst recht nicht. Doch jetzt gibt es charmante Entwarnung.

In der Seine finden olympische Wettkämpfe statt. © APA/afp / MIGUEL MEDINA

Zunächst hüpfte die französische Sportministerin, Amelie Ouodéa-Castéra, wagemutig in die Fluten. Dabei machte die 46jährige ehemalige Tennisspielerin nicht viel Aufhebens von ihrer Aktion. Schon wesentlich mehr Publicity hatte die Bürgermeisterin von Paris, Anne Hidalgo (65), als sie durchaus sportlich ambitioniert mit einigen gekonnten Kraulzügen aufwarten konnte. Flankiert wurde sie von einem der erfolgreichsten Olympioniken Frankreichs, Toni Estanguet, dem dreimaligen Olympiasieger im Kanu (Wildwasser), der ja auch Präsident des Olympischen Organisations-Komitees von Paris ist. Alle haben den Sprung in die Seine augenscheinlich wohlbehalten überstanden. Es war freilich auch ein teures Vergnügen. 1,4 Milliarden Euro (Milliarden wohlgemerkt) hat Paris in ein unterirdisches Wasserspeicherbecken investiert, das 50.000 Kubikmeter verschmutztes Regenwasser auffangen kann, das dann gereinigt in die Seine zurückfließen wird. Es ist 30 Meter hoch mit einem Durchmesser von 50 Metern. Das Wasser von 20 olympischen Schwimmbecken findet dort Platz. Es ist das Herzstück der vielen Infrastrukturmaßnahmen, die Paris eilig vorgenommen hat mit olympischem Schwung, um die Seine sauber zu machen. Letztlich soll das natürlich auch den Bürgern künftig zugutekommen. Bürgermeisterin Hidalgo plant nach ihrem erfolgreichen Test Flussbäder. Bereits im nächsten Jahr soll mit dem Bau begonnen werden.

Der Kampf gegen die Strömung Doch die Wasserqualität ist nur ein Teil des Problems für die Wettkämpfe in der Seine. Es sollen dort ja die Schwimmer beim Triathlon und vor allem die Freiwasser-Wettkämpfer in die Fluten tauchen. Für die 10 Kilometer etwa sind sechs Runden mit je 1,66 Kilometer vorgesehen. Flussabwärts und flussaufwärts. Und gerade der Endspurt (flussaufwärts) bereitet Sorgen. Ist zu viel Wasser in der Seine kann die Fließgeschwindigkeit 1,2 Meter pro Sekunde betragen. Florian Wellbrock, der Olympiasieger von Tokio über 10 Kilometer, sagt klipp und klar, dass Schwimmen gegen eine solche Strömung nicht möglich ist. &bdquo;Wir kennen Strömung aus dem Meer, aber dass wir frontal angeströmt werden, dass gab es auf diesem Niveau noch nie“, bekennt der 26jährige. Er hofft, wie vor allem die Organisatoren, auf besseres Wetter, das den Wasserstand erheblich reduzieren würde und damit auch die Strömung. Die Chancen stehen nicht schlecht. Die Meteorlogen sagen hauptsächlich Sonnenschein voraus und nur wenig Regenfälle. Immerhin gibt es einen kleinen Plan B. Als Ausweichrevier stünde die Ruderstrecke &bdquo;Vaires- sur-Marne“ zur Verfügung. Wellbrock wäre das genehm, denn dort beträgt die Wassertemperatur lauschige 25 Grad, die Wellbrock eher bevorzugt als die klar kühlere Seine. Momentan beträgt deren Temperatur 19 Grad, weshalb Hidalgo auch einen Neoprenanzug bei ihrer Schwimmvorführung getragen hat. Eine Steigerung auf 21,5 Grad wird prognostiziert. Das wäre beinahe tragbar. Gerade noch. Für die Eröffnungsfeier ist das sowieso nicht wichtig. Die Sportler sitzen bequem und trocken in ihren schaukelnden Booten. Kolibakterien und Strömungsgeschwindigkeiten sind da weit weg.

Zum Autor: Sigi Heinrich Der vielfach prämierte Sportjournalist (u.a. Gewinner des Deutschen Fernsehpreises, des Bayerischen Sportpreises und nominiert für den renommierten Grimme-Preis) widmet sich in der seiner Kolumne &bdquo;Sigi´s Spitzen“ der gesamten Vielfalt des Sports. Mal mit schmunzelndem Augenzwinkern, mal nachdenklich oder bewusst provozierend. Es soll ja für alle etwas dabei sein. In Paris kommentiert er für Eurosport zum 16. Mal eine olympische Eröffnungsfeier, dazu die Wettkämpfe im Kunstturnen, in der Leichtathletik und die Schlussfeier.

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