Die Welt wird zur Scheibe – Eine Darts-Größe im Interview

Gabriel Clemens aus Deutschland hat es in die oberste Spitze der Darts-Weltrangliste geschafft. Kurz vor der WM in London blickt die Nummer 25 der Welt voller Vorfreude auf die Stimmung im geschichtsträchtigen Ally Pally. Doch im Schatten der Darts-Traumwelt lauern auch Abgründe, wie &bdquo;The German Giant“ im Interview mit S+ verrät.

S+: Herr Clemens, mit welchen Erwartungen reisen Sie nach London? Gabriel Clemens: Ich reise wirklich mit einem guten Gefühl zur WM. Ich bin unter den gesetzten Spielern im Turnier, das heißt ich greife erst in der zweiten Runde ein. Das gibt einem schon Selbstvertrauen und ein durchwegs gutes Gefühl. Ich habe vor der WM aber nicht irgendwie anders trainiert oder so.

Der Ally Pally ist zudem die größte Bühne überhaupt im Darts. Man merkt auch schon im Vorfeld, wie das Interesse der Leute am Sport deutlich ansteigt. Da wird viel mehr bei mir nachgefragt, als es unter dem Jahr der Fall ist. In London selbst ist die Bühne seit einigen Jahren immer dieselbe. Der Ally Pally ist atmosphärisch einzigartig, es ist die lauteste Halle überhaupt. Also alles in allem die größte Bühne im Darts, die man sich für die WM vorstellen kann.

Wie erlebt man diese Stimmung als Spieler? Pusht sie einen zusätzlich oder stört der Lärm die Konzentration? Naja, ich würde sagen, dass beides zutreffen kann. Es ist wie so oft im Leben nicht nur einseitig zu betrachten. Es hängt oft auch von der aktuellen Stimmung und Situation ab. Die Lautstärke kann sicher auch mal die Konzentration stören. Das ist dann die negative Seite an so einer Bühne. Aber grundsätzlich sollte die Stimmung und die Unterstützung der Fans mehr Motivation sein als Störung.

Die Vorbereitung auf ein Spiel ist wichtig, wie sieht die bei Ihnen aus? Die sieht bei mir vor jedem Spiel so ziemlich gleich aus. Also es gibt da auch keinen Unterschied, ob ich ein Turnier unterm Jahr spiele oder ein WM-Match in London. Rituale oder so etwas habe ich dabei nicht wirklich. Am Spieltag selbst heißt das in meinem Fall immer, dass ich bereits etwa drei bis dreieinhalb Stunden vor Beginn des Spiels schon in der Halle bin. Da beginne ich damit mich einfach mal warm zu spielen und in den Rhythmus zu finden.

Dann rückt das Spiel immer näher und man versucht den Fokus zu behalten. Genauso werde ich es auch in Kürze in London praktizieren. Der WM-Pokal und sein Verteidiger: Gerwyn Price. © Gerwyn Price/Instagram

Wie gelingt es Ihnen während des Spiels fokussiert zu bleiben? Das ist wirklich immer die Frage. Das gelingt einem Mal besser, Mal schlechter und manchmal leider auch gar nicht. Ein Mittel, um sich besser zu fokussieren sind auf jeden Fall Atemübungen. Damit versuche ich mich besser zu konzentrieren und den Puls auch wieder runterzubekommen, wenn es mal nicht so läuft, wie erhofft. Wenn man mitten im Spiel dann merkt, dass grade nicht viel zusammenläuft, versuche ich natürlich dem entgegenzuwirken. Das geht beispielsweise über Veränderungen in der Art des Spiels.

Ich versuche da zum Beispiel auch mal vielleicht die Pfeile etwas schneller zu werfen oder auf einen anderen Rhythmus umzustellen. Auch mal mehr Kraft in die Würfe zu stecken, kann ein probates Mittel sein. Aber oft hilft einem so etwas auch nicht in einem Spiel. Da heißt es einfach die Zähne zusammenbeißen und sich irgendwie zurückkämpfen.

Hinter der glitzernden Fassade des Darts-Sports lauern aber auch Abgründe. Sie haben nach ihrer Niederlage gegen Fallon Sherrock Hassnachrichten erhalten. Wie gehen Sie damit um und wo ist für Sie eine rote Linie überschritten? Für mich ist das ganz klar – sobald es persönlich wird und einem selbst oder der Familie Krankheiten oder gar der Tod an den Hals gewünscht werden, ist die Linie ganz klar überschritten. Das ist leider aber auch schon passiert. Ich muss aber glücklicherweise sagen, dass nur ganz wenige Menschen solche Kommentare schicken. Deshalb ist es nicht so, dass ich mich dadurch bedroht oder sonst was fühle.

Aber die rote Linie ist bei solchen Sachen eben doch überschritten. Es sind immer wieder ein paar wirklich unschöne Sachen dabei. Wenn es auch 99,99 Prozent schöne Nachrichten sind, die man das ganze Jahr über erhält, so gibt es halt auch diese andere Seite. Das zieht sich aber das ganze Jahr hinweg durch. Vor allem bei größeren Turnieren und sobald es eine Niederlage gibt, kommt es immer wieder zu solchen Kommentaren. Manchmal sind es &bdquo;nur“ zwei oder drei Hasskommentare, manchmal auch bedeutend mehr. Das ist halt leider so.

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