EM-Tagebuch | Überall Erinnerungen an Olympia 1972

Schon allein die Namen vieler Austragungsorte der verschiedenen Wettbewerbe tragen dazu bei: Olympiapark, Olympiastadion, Olympiahalle, Olympiaberg – alles sehr olympisch. Allerdings dominiert auch überall wie vor 50 Jahren die Farbe Hellblau: Die 6000 Volunteers sind so gekleidet, und alle Logos und Schriftzüge haben dieselbe Farbe wie die Wegweiser und Piktogramme von 1972, die man noch überall sieht.

Apropos Piktogramme: Diese 1972 erstmals eingeführten Grafiken zählen auch zu meinen persönlichen Erinnerungen an Olympia in München. Ich war damals 9 Jahre alt und schon recht sportinteressiert, wohl auch beeinflusst durch meinen Vater und meine 2 älteren Brüder. Obwohl 50 Jahre vergangen sind und ich noch ein Kind war, sind mir viele sportliche Highlights von damals in bester Erinnerung: Der Bozner Klaus Dibiasi, der seine zweite von 3 Goldmedaillen im Turmspringen eroberte; der US-Schwimmer Mark Spitz, der 7 Rennen in 8 Tagen bestritt und alle gewann; die zierliche sowjetische Turnerin Olga Korbut, die 3-mal Gold holte; ihr Landsmann Waleri Borzow, der zu Olympiagold über 100 und 200 Meter sprintete; der Italiener Pietro Mennea, der als 20-Jähriger Dritter über 200 Meter wurde, 8 Jahre später in Moskau Gold gewann und seit 1979 den Europarekord über 200 Meter hält (zumindest bis zu den Halbfinalläufen am gestrigen Abend). Und dann war da noch die Bundesdeutsche Ulrike Meyfarth, die als 16-jähriges Mädchen mit 1,92 m den Hochsprung gewann und noch immer die jüngste Leichtathletik-Olympiasiegerin aller Zeiten ist.

Ein Tagebuch-Eintrag von Dieter Seifert. © ÖA / jaidermartina

Meine 1972er-Erinnerungen sind aber nicht nur sportlicher Natur. Eine der Olympia-Hostessen hieß Sylvia Sommerlath. Sie heiratete später den damaligen schwedischen Kronprinzen Carl-Gustav und wurde danach Königin. Und dann gab's &bdquo;Waldi“: Der Dackel war das erste offizielle Maskottchen in der Geschichte der Olympischen Sommerspiele. Kopf und Schwanz waren – wie auch sonst – hellblau, der Rest des Körpers bunt gestreift. Ich kann mich erinnern, dass ich damals auch einen &bdquo;Waldi“ geschenkt bekam und mächtig stolz darauf war. Was nicht viele wissen: Die olympische Marathonstrecke stimmte mit der Form des Maskottchens zusammen. &bdquo;Waldis“ Nachfolger ist diesmal ein Eichhörnchen mit dem für Nicht-Alpenländler kryptischen Namen &bdquo;Gfreidi“. Einem Südtiroler muss man den bayerischen Dialekt wohl nicht übersetzen: Das &bdquo;Freue Dich“ soll die Stimmung von Teilnehmern und Zuschauern wiedergeben.

Meine Erinnerungen an Olympia 1972 können natürlich nicht jenes schreckliche Attentat wegblenden, das am 5. September 1972 im Olympischen Dorf seinen Anfang nahm. Wenn man heute durch den Olympiapark geht, wird man mehrfach an jenes Attentat erinnert, das mit dem Tod aller 11 israelischen Geiseln, eines Polizisten sowie von 5 palästinensischen Geiselnehmern endete. An einer Gedenkstätte kann man auf Schautafeln und Videos das damalige Geschehen nacherleben. Auf einem Denkmal an anderer Stelle sind in hebräischer Schrift die Namen der 11 getöteten Israeli – 5 Sportler, 4 Trainer und 2 Kampfrichter – eingemeißelt sowie in lateinischen Lettern der Name des deutschen Polizisten. Mich stimmt das Vertiefen in die damaligen Ereignisse nachdenklich und traurig. Auch weil viele spätere Attentate und Kriege zeigen, dass die Menschheit nichts dazulernt.

Szenenwechsel: Ich muss mich bei den Tischtennisspielern entschuldigen. Gestern hatte ich an gleicher Stelle gelästert, dass die Stimmung bei deren Partien in der Sedlmayerhalle nicht mit jener im Olympiastadion mithalten könne. Wer die TV-Bilder der Partie des deutschen Superstars Timo Boll gesehen hat, als der 41-Jährige gegen seinen polnischen Gegner aus einem 1:3-Satzrückstand noch einen 4:3-Sieg machte, weiß, dass auch Tausende Tischtennis-Fans eine Halle zum Tollhaus machen können. Das hoffe ich mitzuerleben, wenn ich heute Nachmittag ab 14.15 Uhr dem Achtelfinale von Giorgia Piccolin beiwohnen werde, das sie sich gestern erobert hat.

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