Faustball statt Fußball. Ein willkommener Tippfehler

Wir müssen schon höllisch aufpassen. Jeden Tag, an dem wir in die Tasten unseres Laptops oder Computers greifen. Ein paar kleine Unachtsamkeiten nur und wir sind schlagartig in einer anderen Welt. Fußball, klar, ist längst ein Automatismus. Würde man jetzt aber, vielleicht am frühen Morgen, wenn die Augen noch nicht ganz klar sind und die Bewegungen der Finger noch etwas tapsig, ein wenig unkonzentriert sein, könnte stattdessen Faustball aufscheinen.

Und verrückterweise wäre das nicht mal so verkehrt, denn – ganz aktuell – findet auch in dieser Sportart gerade eine Weltmeisterschaft statt. In Mannheim (Deutschland). Und es könnte sogar ein neuerliches Sommermärchen geben, denn das Team des Gastgebers ist der große Turnierfavorit und Titelverteidiger und hat auch noch keinen Satz verloren.

Für Olympia kein Thema – leider Es läuft und das ist nicht überraschend, denn Deutschland gehört zu den Schwergewichten im Faustball, einer Sportart, die man freilich als Leichtgewicht sieht. Es ist eine sogenannte Randsportart und gerade das macht sie im Grunde sympathisch. Es könnte beinahe ein Gegenentwurf zum ziemlich ausgereizten und mitunter nervigen kommerziellen Fußballgetriebe sein. Während die Kicker, die gerne bei ihren Titelkämpfen schon in den Vorrunden ausscheiden, bereits vor dem ersten Ballkontakt ihre Prämien verhandeln, sind die Faustballer landauf und landab wirklich noch lupenreine Amateure. Mithin fast schon eine aussterbende Spezies.

Volle Kraft voraus: Italiens Faustballer bestreiten die WM. © Franz Spiess

Wenn in fast genau einem Jahr die Olympischen Spiele in Paris stattfinden, wird Faustball auch nicht vertreten sein. Für die Hüter der Ringe ist dieses Rückschlagspiel schlicht ein alter Hut. Verstaubt und betrieben von Turnern, die vorher Stützkehren am Barren und Feldaufschwünge am Reck geübt haben. Der eine oder anderen Salto am Boden kam noch hinzu. Als Ausgleich wuchtete man danach gerne den Lederball über eine Schnur. Ich kam als ehemaliger Turner beim TSV Wolfratshausen (30 Kilometer südlich von München in der Nähe des Starnberger Sees) auch mal in den Genuss dieses Spieles und soweit ich mich noch erinnern kann, hat es mächtig Spaß gemacht.

Mit Grasflecken übersätes Trikot Man musste schnell sein und vor allem wendig. Gute Reaktionen waren wichtig und intuitives Handeln. Klare Regeln gab es zudem. Das Trikot war hinterher übersät mit Grasflecken, die meine Mutter bei der Wäsche zum Verzweifeln brachten. Beim Turndress musste sie ja nur ein wenig den Magnesiastaub ausklopfen. Ansonsten kam es sauber zurück. Möglicherweise war eben auch die Bewegung in der frischen Luft seinerzeit eine große Verlockung und nach stundenlangem Training in der Halle eine willkommene und wahrscheinlich sogar gesundheitsfördernde Abwechslung.

Voller Körpereinsatz bei den Faustballern. © Franz Spiess

Ich ahne natürlich, Sie hätten heute an dieser Stelle vielleicht ein paar schlaue Sätze über die Frauenfußball-Weltmeisterschaft erwartet. Aber davon gibt es gerade genug und es ist irgendwie auch befreiend aus meiner Sicht, sich mal in die Nischen des Sports zu wagen. Gegen den Strich zu bürsten, sich nicht dem &bdquo;Mainstream“, wie man neudeutsch dann gerne sagt, hinzugeben.

Faustball wurde schon im Alten Rom gespielt Faustball eben. Vielleicht sogar das älteste Spiel der Welt. Die ersten schriftlichen Aufzeichnungen datieren aus dem Jahr 240 n.Chr. durch Gordianus, Kaiser von Rom. 1555 verfasste Antonio Scaino die ersten Regeln für einen italienischen Volkssport, das &bdquo;Gioco del Pallone“, zu deutsch Ballonspiel. Johann Wolfgang von Goethe schrieb in einem Bericht seiner Italienreise: &bdquo;Vier Veroneser schlugen Ball gegen vier Vicentiner. Sie treiben dies sonst unter sich das ganze Jahr etwa zwei Stunden vor Nacht“.

Und sie haben Nachfolger gefunden. Begeisterte Faustballer des SSV Bozen, der bei der derzeit laufenden Weltmeisterschaft Italien als Nationalmannschaft vertritt. Erfolgreich zudem, denn schon jetzt steht fest, dass die Südtiroler in zwei Jahren bei den World Games in Chengdu (China) teilnehmen dürfen, weil sie immerhin um Platz fünf spielen. Im Viertelfinale verloren sie gegen Brasilien. Und ja, die Südamerikaner gehören auch im Faustball zu den führenden Nationen, weshalb die Niederlage nicht allzu tragisch ist. Vielmehr müssen sich die Cracks des SSV Bozen jetzt allmählich Gedanken machen, wie sie in zwei Jahren die Reise nach China finanzieren können, denn wie alle anderen Teams auch, sind Faustballer natürlich finanziell nicht eben üppig ausgestattet.

Fußball-Prämien für Faustballer Ich hätte da einen Vorschlag: Da die Fußballspieler zuletzt eine Menge an Ausgaben gespart haben inklusive Prämien, die nicht ausgezahlt werden mussten, weil man sich zweimal nicht mal für die Weltmeisterschaft qualifizieren konnte, wären da doch ein paar Euro übrig. Die Reisekosten für die Faustballer könnten die Kicker jedenfalls lässig aus der Portokasse bezahlen für ihre engagierten Kollegen der Faustball-Nationalmannschaft. Deutschland könnte ähnlich verfahren, denn auch dort hat man zuletzt viel Geld gespart. Zudem muss man auch für die Damen, die gerade in Australien und Neuseeland um den Fußball-Titel spielen, nicht in die Tasche greifen, denn die Prämien übernimmt in diesem Fall der Internationale Fußball-Verband (FIFA).

Die Faustballer bemühen sich derweil, moderner zu werden. Die Hauptrunde der WM wird in der Mehrzweckhalle &bdquo;SAP-Arena“ ausgetragen. 12.000 Zuschauer finden dort Platz. Für diese Spiele hat man in der Halle extra einen Naturrasen verlegt, Grasflecken inklusive. Faustball statt Fußball. Ich habe gerne mal ein paar Buchstaben vertauscht.

Zum Autor: Sigi Heinrich Der vielfach ausgezeichnete Sportjournalist und Eurosport-Kommentator (u.a Deutscher Fernsehpreis für die Berichterstattung von den Olympischen Spielen 2008 in Peking) widmet sich in seiner Kolumne Sigi`s Spitzen der gesamten Vielfalt des Sports und wildert darüber hinaus auch gerne in fremden Gefilden. Mal mit schmunzelndem Augenzwinkern, mal ernst oder auch bewusst provozierend. Es soll ja für alle etwas dabei sein.

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Faustball statt Fußball. Ein willkommener Tippfehler

Es finden gerade Weltmeisterschaften statt. Im Frauenfußball. Klar. Unser Kolumnist Sigi Heinrich hat sich dennoch mal einer sogenannten Randsportart gewidmet, in der im Augenblick auch um den WM-Titel gekämpft wird: Faustball.

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