Halbherzige Reaktion gegen den Krieg

Dem Affront folgte keine Reaktion. Ivan Kuliak klebte sich ein &bdquo;Z“ auf sein Trikot, als er zur Siegerehrung beim Weltcup der Kunstturner in Doha schritt. Der Russe war Dritter am Barren geworden. Der Sieger kam mit Ilja Kovtun aus der Ukraine. Zunächst scheint ein Buchstabe ja noch kein dramatisches Zeichen zu sein. Doch in diesem Fall war es eine unverzeihliche Provokation.

Zur Erklärung: Das &bdquo;Z“ stammt aus der englischen Transkription &bdquo;Za pobyedu“, was so viel bedeutet wie &bdquo;Für den Sieg“. Und dieser Buchstabe ist auf vielen Militärfahrzeugen der russischen Armee zu sehen, die vor zwölf Tagen den Krieg gegen die Ukraine begann. Kuliak, der brave Soldat Putins. Kovtun übrigens reagierte besonnen und unaufgeregt auf diese unverschämte Reaktion seine Konkurrenten. Dabei stellt sich natürlich die Frage: Wie konnte das überhaupt noch möglich sein? Der Internationale Turnverband (FIG) sperrt erst ab dieser Woche die Teams aus Russland und Belarus von allen Wettkämpfen aus. Ziemlich spät, angesichts der Heftigkeit der Angriffe Russlands auf die ukrainische Bevölkerung. Und so manch sportliche Institutionen scheuen sich tatsächlich noch immer, konsequente Entscheidungen zu treffen.

Sehr auffällig sind dabei die Tennisorganisationen ATP und WTA. Während der Internationale Tennisverband (ITF) längst klar reagiert hat wie viele andere, soll der Tenniszirkus weiter wie gewohnt funktionieren. Ein Zirkus eben. Nur die russische Fahne darf nicht mehr wehen, wenn der Weltranglistenerste DaniIl Medvedev spielt. Und immerhin wurden die ATP- und WTA-Turniere in Russland aus dem Terminkalender gestrichen. Sie waren für Oktober geplant. Immerhin. Medvedev und Rublev bleiben &bdquo;brav“ Konsequent ist das nicht. Man wird den Eindruck nicht los, dass sich die Tennisszene ihr Geschäftsmodell nicht kaputt machen will, indem es die starken Teilnehmer aus Russland und Belarus sperrt. Ich empfehle deshalb: Einfach nicht zuschauen, wenn Bälle wie Kanonenkugeln über das Netz fliegen, beschleunigt von Schlägern russischer Athleten. Klar, ich weiß, es ist jetzt viel auch die Rede von sogenannten Kollateralschäden die Rede. In vielen Sportarten. Und klar: Medvedev oder Andrey Rublev sind keine Kriegstreiber. Aber beide haben in ihren Statements nur für den Frieden geworben, aber nie deutlich den Krieg gegen die Ukraine angeführt. Brav bleiben, denn zuhause in Moskau liegen die Millionen, die man schon verdient hat im Tennis, einem Sport, der einen reich machen kann, wenn man erfolgreich ist.

Bedauerlicherweise ist ausgerechnet die Sportorganisation, die eine Führungsposition in der Welt einnehmen soll, ähnlich inkonsequent, auch wenn jetzt plötzlich nach außen hin Stärke demonstriert wird. So hat das Internationale Olympische Komitee (IOC) Vladimir Putin doch tatsächlich dessen Olympischen Orden aberkannt, was diesen vermutlich nicht besonders jucken wird. Putin hat in den letzten 20 Jahren die Sportwelt umgarnt und infiltriert und nur allzu bereitwillig haben sich Präsidenten der großen Sportverbände mit ihm gemein gemacht. Auf Augenhöhe mit der großen Politik fühlten sie sich wohl und auch ein wenig am Ziel ihres persönlichen Strebens.

Aber jetzt ist es an der Zeit, sich von Putin und seinem System deutlich zu distanzieren. Doch das einzige klare Statement des IOC gegen Russland ist &bdquo;ein extrem gravierender“ Bruch des Olympischen Friedens. Und auch bei der Empfehlung, russische und belarussische Sportler auszuschließen, ist das IOC wachsweich geblieben (grundsätzlich, aber nicht zwingend, je nachdem…) und ist vermutlich sowieso nur praktischen Erwägungen gefolgt, denn: noch immer sitzen Yelena Isinbayeva, die ehemalige Stabhochspringerin und Shamil Tarpishchev, Russlands Tennischef, im 105-köpfigen Zirkel des IOC. Längst hätte man sie von ihren Funktionärsposten entbinden müssen, zumal Isinbayeva eine glühende Verehrerin von Putin ist. Auch eine längst überfällige Suspendierung des russischen Olympischen Komitees und damit ein Stopp aller Zahlungen schloss das IOC bislang aus.

Wie lange, bitte, will man noch mit den letzten Konsequenzen warten? So verliert das IOC mehr und mehr an Reputation. &bdquo;Euer Vermächtnis sind eure Taten“. Diese Nachricht ließen ukrainische Sportler dem IOC zukommen. Ein Satz, der weit über den Sport hinausreichen sollte.

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