Jetzt muss sich der Sport zeigen

Und jetzt? Jetzt sind plötzlich wieder Tausende von Fragezeichen am Himmel und kaum Antworten auf die drängendsten Fragen. Vor allem auf jene, welche Reaktion die westliche Welt auf den Angriff Russlands auf die Ukraine zeigt oder besser, zeigen kann. Sanktionen, Verurteilungen, auf das Schärfste natürlich und ein paar kleine Reaktionen. Das ist bislang nicht viel und entlockt dem Machthaber im Kreml vermutlich nur ein müdes Lächeln. Vermutlich ist es tatsächlich so, dass sich Putin einen Teufel darum schert, was die Welt gerade über ihn denkt. Und es wird ihm auch ziemlich egal sein, nehme ich mal an, wenn der englische Premier Boris Johnson jetzt in einer Partypause fordert, dass die Europäische Fußball-Union (UEFA) St. Petersburg die Austragung des Finales der Champions-League wegnehmen soll. Immerhin: Es wäre ein Anfang für Reaktionen aus dem Sport heraus, um sich partnerschaftlich an die Seite der politischen Mechanismen zu stellen.

In London gibt es die größte Dichte an russischen Oligarchen. Der FC Chelsea etwa ist mehrheitlich im Besitz von Roman Abramovich, der mit russischem Öl reich geworden ist. Er hat erst jüngst seine neueste Yacht vorgestellt, die schlappe 500 Millionen Euro gekostet haben soll. Es sind kleine Nadelstiche, die Johnson austeilt. Vermutlich kratzt dies jene, die sie treffen sollen, nur an der Oberfläche. Wie inkonsequent das Vorgehen des Sports in dieser Situation ist, die eine neue politische Ordnung Europas zur Folge haben könnte, zeigt Manchester United. Der Flug mit Aeroflot vom Champions-League-Spiel in Madrid zurück nach England wurde abgesagt. Stattdessen nutzte man eine private Charterfirma. Aber: Der Vertrag mit Sponsor Aeroflot soll davon nicht berührt werden. Zudem soll die Flugabsage mit Aeroflot abgesprochen worden sein. Die ganze Aktion ist nicht mehr als ein Feigenblatt. Derweil hört man aus der in der Schaltzentrale der UEFA in der Schweiz nichts. UEFA-Präsident Alexander Ceferin (Slowenien) schweigt zu der Tatsache, dass Gazprom einer der Hauptsponsoren seines Verbandes ist, auch für die Europameisterschaften, wie etwa jene 2024 in Deutschland. Doch die Landesverbände, deren Vertretung die UEFA ja letztlich ist, halten sich bedeckt. Sport zieht sich in sein Schneckenhaus zurück Dabei kann sich doch niemand jetzt noch allen Ernstes vorstellen, dass eine Fußball-EM in Deutschland vom Schriftzug &bdquo;Gazprom“ begleitet wird. Angriffslustig und dauerpräsent. Nein, das ist genauso unmöglich, wie ein Spiel des FC Schalke 04 in der zweiten Liga mit russischer Unterstützung. Denn auch der Traditionsverein ist eng mit dem Staatskonzern aus Russland verbandelt. Doch allenthalben sind nur ausweichende Lippenbekenntnisse zu vernehmen. Der Sport zieht sich zurück in sein Schneckenhaus, will erst einmal so wenig wie möglich zu tun haben mit der russischen Aggression. Her mit der Kohle. Nein, der Sport sieht keine Panzer, keine Kanonen und fühlt sich erst mal sicher daheim. Die Explosionen sind weit weg. Ostukraine? Ein ähnliches Verhalten war beim Balkankrieg Anfang der 90er Jahre zu verfolgen. Jeder will, egoistisch, seine Wohlfühloase verteidigen, auch wenn draußen, fast vor der Haustüre, die Welt in Trümmern liegt. Jetzt könnte, ja müsste, auch die Stunde aller Sportfunktionäre schlagen. Längst müsste das Exekutivkomitee der UEFA tagen, zu dem übrigens auch Karl-Heinz Rummenigge gehört sowie der Interimspräsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) Rainer Koch.

Alexander Ceferin schweigt zu der Tatsache, dass Gazprom einer der Hauptsponsoren der UEFA ist. © APA/afp / RICHARD JUILLIART

Der Sport kann nicht einfach die Augen schließen, sondern muss dort, wo er handeln kann, dies auch tun, denn Worthülsen alleine werden vom Pulverdampf in der Ukraine verschluckt. Ein Ausschluss aus dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) wäre angesichts der Bedrohung durch Putin ebenso denkbar wie ein Verbot einer Teilnahme an der nächsten Europameisterschaft oder an der Champions-League für russische Vereine. Aber ich ahne, fast verzweifelt, dass es soweit nie kommen wird, weil vor allem die finanziellen Abhängigkeiten von Russland längst eine Fessel sind, deren Knoten sämtliche Bewegungsfreiheiten einschränken &bdquo;Die Geister, die ich rief, werd ich nun nicht mehr los.“ Johann Wolfgang von Goethe, bewies schon im &bdquo;Zauberlehrling“ philosophische Weitsicht. Auf eine Bestätigung dieser weisen Worte hätte man in diesen Tagen freilich gerne verzichtet.

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