Kälteschock im Schwimmbad

Unser Kolumnist, Eurosport-Kommentator, Sigi Heinrich erinnert sich dabei noch an ein eisiges Abenteuer in einem Bergsee. Es ist schon lange her und klingt doch noch immer so vertraut: &bdquo;Pack die Badehose ein, nimmt dein kleines Schwesterlein und dann nichts wie raus zum Wannsee.“ Mit diesem Song hatte Conny Froboess im Mai 1951 ihren ersten Bühnenauftritt. Ursprünglich hatte ihr Vater das Lied für die Schöneberger Sängerknaben geschrieben. Es ist ein Klassiker geworden, ein Ohrwurm, der freilich jetzt ein wenig an Aktualität verloren hat. Jetzt müsste nämlich bald statt der Badehose ein Neoprenanzug auf den Gepäckträger des Fahrrades gepackt werden. Auch wenn es statt zum Wannsee oder zum Chiemsee, zum Kalterer See oder zum Starnberger See in ein Freibad im Ort geht. Sofern dieses überhaupt noch geöffnet hat, denn schon vor dem Krieg Russlands gegen die Ukraine gehörten die künstlichen Badegelegenheiten zu den ersten Einrichtungen, die dem Rotstift der Gemeinden zum Opfer fielen. Schwimmen wie im Bergsee Jetzt kommt ein neuer Schub an Energiekosten. Öl und Gas werden knapp und das Wasser immer kälter. Im Winter signalisieren die Nebelschwaden über dem geheizten Wasser, dass es im vormals kühlen Nass, wie das so schön heißt, gemütlich warm ist. Vorbei. Die ersten Vereine und Betreiber von Schwimmbädern machen nicht dicht, sofern es sie noch gibt, sondern bereiten uns auf einen Kälteschock vor. Wohlige 28 Grad gehören bald der Vergangenheit an. Gut, man kann auch in einem Bergsee schwimmen. Ich habe diese Erfahrung gemacht, als es noch die früher so beliebten Bergsportfeste gab in Bayern und auch in Südtirol. Sportliche Vielseitigkeit war gefragt, gepaart mit einer geselligen Einstellung und einer gewissen Härte. Letzteres vor allem dann, wenn bei einer Staffel auch eine Teilstrecke geschwommen werden musste. Plötzlich rückten alle, die starten sollten, nach hinten. Jeder versteckte sich hinter seinem Kollegen. Laufen ja, aber keiner wollte die Schwimmstrecke absolvieren. Die Nichtschwimmer wurden zu einer Massenbewegung. Mich hat es getroffen als Sportstudent damals. &bdquo;Sigi, du kannst doch….“ Oh Mann, ich meine, 11 Grad, positiv geschätzt. Das Eintauchen nach dem Startschuss, der einem letztlich keine Chance eines Rückzuges erlaubt, war die Hölle im Wasser. Die Luft blieb einem schier weg. Man musste sich zwingen, locker die Kraulzüge zu machen und gewohnt zu atmen. Ich habe mir hinterher geschworen, ich werde so etwas nie mehr machen, auch wenn mich die Damen des Vereins danach liebevoll frottierten. Neoprenanzüge an der Hotelrezeption? Jetzt wird das zwar nicht Alltag, wenn man ein paar Bahnen absolvieren will, aber die Temperaturen orientieren sich wohl mehr Richtung Bergsee als Richtung Badewanne. Das müssen vermutlich auch die vielen Beherbergungsbetriebe in Betracht ziehen, die immer mehr Wasserressourcen für ihre beheizten Wellness-Oasen verbrauchen. An der Rezeption gibt es dann im Fünfsterne-Ressort Neoprenanzüge und die Saune geht maximal noch in den Dampfbetrieb bis 60 Grad, was übrigens auch durchaus hautverträglich ist. Wer helfen will, um Russland die Ölexporte zu entziehen, muss auch Verzicht üben können. Das ist schwer genug für uns alle, die wir immer davon ausgegangen sind, dass eine warme Bude und auch ein warmes Freibad zur Grundausstattung unseres Lebens gehören. Noch viel mehr, als den erholungswilligen Urlauber, trifft das freilich unsere Kinder, die schon darunter gelitten haben, dass während der Pandemiebeschränkungen kein Schwimmunterricht mehr stattgefunden hat. Jetzt müssen sie, wenn sie denn überhaupt die Chance haben, ein paar Schwimmzüge zu machen, vermutlich auch lernen, dass es Überwindung braucht, ins Wasser zu springen. Bis zu einem gewissen Grad, im wahrsten Sinn des Wortes, kann man das verantworten, aber es sollte sich in Grenzen halten. Die Älteren werden natürlich jetzt sagen, dass sie früher einfach in den Eisack gesprungen sind oder in irgendwelche Gumpen oder wie ich, in die Loisach, die später in die Isar mündet. Aber damals waren Hallenbäder oder beheizte Freibäder noch ein unvorstellbarer Luxus. Mittlerweile ist der Luxus Alltag geworden und diese Errungenschaft wollen wir jetzt natürlich verteidigen. Wir fürchten um unseren Wohlstand. Das ist neu und unangenehm. In der Ukraine fürchten sie täglich um ihr Leben. Da sind drei oder vier Grad weniger im Schwimmbecken ein wohlfeiler Kompromiss, ja ein eigentlich klitzekleiner Beitrag, der allen zugemutet werden kann. Mit oder ohne Badehose.

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Die gestiegenen Energiekosten könnten bald dazu führen, dass geheizte Freibäder mit weniger Temperaturen auskommen müssen als bisher.

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