Kolumne | Ein schmutziges Millionenspiel

Hereinspaziert. Hereinspaziert. Sensationen. Sensationen. Das haben Sie noch nie gesehen. Vielleicht die kleinste Maus der Welt. Ein Floh, der einen dreifachen Salto springt. Oder es wartet ein Mann, der Ketten sprengt, die man ihm um einen gewaltigen Körper gelegt hat wie Zampano in &bdquo;La Strada“, in dem Anthony Quinn einen Schausteller spielt. Es könnte auch ein Messerschlucker hinter dem Vorhang warten oder einfach nur der größte Mensch der Welt. Gruseln erlaubt, sogar erwünscht. Schließlich soll sich das Eintrittsgeld ja lohnen, nachdem die Geisterbahn bloß ein Abklatsch des erhofften Schreckens war. Schon immer staunt die Menschheit, wenn nur ein Hauch des Abartigen präsentiert wird. Und wir können liefern. Bald. Im nächsten Jahr nämlich sollen sogenannte &bdquo;Enhanced Games“ stattfinden. Bezeichnenderweise im Spielerparadies Las Vegas, wo Dramen und Schicksale an der Tagesordnung sind, denn die meisten sind potentielle Verlierer. Nur die Casinobesitzer verdienen. Es ist ein Millionenspiel und genau darauf zielt eine neue Wettkampfserie ab, die unmoralischer nicht sein kann. Sie ist ein Schlag ins Gesicht für den fairen Sport, der schwer genug herzustellen ist. Bei den &bdquo;Enhanced Games“ soll es möglich sein – vielleicht sogar erwünscht – leistungssteigernde Substanzen zu verwenden. Es gibt bewusst keine Dopingkontrollen. Man folgt nicht ansatzweise den Regeln der Welt-Anti-Dopingagentur (WADA). Man lehnt sie ab. Natürlich wird das von &bdquo;World-Athletics“, dem Weltverband der Leichtathletik mit ihrem Präsidenten, Lord Sebastian Coe aus Großbritanien, nicht goutiert. Kann ja auch nicht sein, denn es ist eine perverse Idee, die all dem widerspricht, was den Sport, wie wir ihn kennen und sehen und immer auch versuchen, zu verteidigen, konterkariert. Eine Messe für Dopingmittel Schon stehen die Hersteller diverser Dopingmittel bereit. Vielleicht gibt es sogar eine kleine Messe dazu. Ein paar Stände für Wachstumshormone (HGH) für Erythropoetine (EPO). Ein paar anabole Steroide wie Nandrolon, Dianabol und Stanozolol sollten im Angebot nicht fehlen. Und ein paar Linien Kokain helfen sicherlich, die Motivation zu steigern, wenn der Startschuss erfolgt. Natürlich nutzt das nichts, wenn man am Tag des Wettkampfes ein paar Mittel in die Blutbahn schießt. Das muss man Wochen, ja Monate vorher machen, um die Trainingsintensität zu steigern, die Muskeln zu modellieren, um dann in Las Vegas das große Geld zu holen. Denn das ist die ganz große Motivation der Teilnehmer, um dort teilzunehmen. Für einen Weltrekord, also etwa 9.94 Sekunden über 100 Meter, gibt es eine Million US-Dollar. Für einen Sieg USD 250.000. Natürlich lächelt ein Weltklasse-Golfspieler über solche Summen. Das ist Kinderkram in deren Augen. Auch Tennisspieler, die in der Weltrangliste vorne liegen, sind solche Zahlen längst gewöhnt. Es sind Kleckerbeträge. Für Leichtathleten freilich sind solche Summen, als würden Weihnachten und Ostern auf einen Tag fallen. Wer bei dieser dopingfreien Veranstaltung mitmacht, muss freilich wissen, dass es keinen Weg mehr zurück gibt in den normalen Sportalltag, wobei es nicht nur um Leichtathletik geht. Auch Schwimmer werden angesprochen. Immerhin spürt der traditionell organisierte Sport, dass sich etwas tun muss. In Tokio gibt es bei der Leichtathletik- Weltmeisterschaft Preisgelder in ordentlicher Dimension. Die Sieger erhalten USD 70.000 und für einen Weltrekord (Duplantis mit 5.30 Meter im Stabhochsprung) wird die Zahl USD 100.00 in den Scheck geschrieben. Mehr als ein Anfang ist das nicht. Bis auf die Leichtathletik blieb jede Sportart bei den Olympischen Spielen in Paris ohne Prämien der Fachverbände. Allerdings haben die Länder verschiedene Zahlungen für Medaillen ihrer Athleten ausgelobt. Politisch motivierte Veranstalter Die neue finanzielle Dimension und die Tatsache, dass auf Teufel komm raus gedopt werden darf, soll auch dazu führen, dass dem sportlichen Establishment der Stecker gezogen wird. Diese Show der Abartigkeit hat nämlich auch eine politische Dimension. Finanziert wird sie von Tech-Unternehmern, die etwa die Demokratie ablehnen. Donald Trump jr.,der älteste Sohn von US-Präsident Donald Trump, unterstützt das Vorhaben. Jetzt hat sich der erste Athlet angemeldet. Es ist Fred Kerley aus den USA. Ein schwarzes, ein sehr schwarzes Schaf. Er war zwar Weltmeister über 100 Meter in Eugene, Olympiazweiter in Tokio 2021 und Dritter in Paris 2024, aber er ist derzeit suspendiert wegen Verstoßes gegen die Meldepflichten. Dazu kamen Auseinandersetzungen mit der Polizei, die ihn in Gewahrsam nehmen musste. Kerley hat sich nicht für die derzeit stattfindenden Weltmeisterschaften qualifiziert und wird jetzt als Gallionsfigur für die &bdquo;Enhanced-Games“ betrachtet. Es ist ein trauriger Moment für den Sport und ein noch traurigerer für Kerley. Ich hoffe jedenfalls, dass sich niemand bereit erklärt, sich auf diese Dopingspiele einzulassen. Und es sollte auch keine Berichterstattung darüber geben, wenngleich ich auch Realist genug bin, um zu wissen, dass diejenigen, die diesen Wahnsinn vorantreiben, über beste Beziehungen zur Medienwelt in allen Bereichen haben. Wir alle, die wir den Sport in seiner jetzigen Form, auch mit seinen Schwächen, kennen und lieben, sollten uns wappnen gegen Übergriffe, die der Gesellschaft einiges abverlangen wird. Ich stehe als Kommentator jedenfalls nicht zur Verfügung. Zum Autor: Sigi Heinrich Der mehrfach prämierte Sportjournalist (u.a. Gewinner des Deutschen Fernsehpreises, des Bayerischen Sportpreises und nominiert für den renommierten Grimme-Preis) Sportlehrer, mehrjähriger Sportredakteur der Süddeutschen Zeitung und seit 1989 Kommentator bei Eurosport, widmet sich in seiner wöchentlichen Kolumne der gesamten Bandbreite des Sports. Mal mit schmunzelndem Augenzwinkern, mal nachdenklich oder auch bewusst provozierend. Des soll ja für alle etwas dabei sein.

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Kolumne | Ein schmutziges Millionenspiel

Mit einer Sportveranstaltung ohne Dopingtests will man in Las Vegas im nächsten Jahr dem traditionellen Sport begegnen. Unser Kolumnist Sigi Heinrich wehrt sich gegen eine Show der Abartigkeit, die gegen alle Regeln des Fairplay verstößt.

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