Kolumne | Große sportliche Versprechungen

Ich habe nicht schlecht gestaunt in dieser Woche bei meiner täglichen, ausführlichen Studie vieler deutschsprachiger Zeitungen. Da ich viel unterwegs bin, nutze ich natürlich die Online-Angebote. So auch für die &bdquo;Dolomiten“. Und ich lese an prominenter Stelle auf der ersten Seite eine Nachricht, die mein Herz erfreut. Die Regierung Meloni hat ein Dekret gebilligt, das zusätzliche 45 Millionen Euro für Sportausrüstung an Schulen bereitstellt. Und im Text geht es weiter. Es ist vom größten Investitionsplan für Sportinfrastruktur in der Geschichte Italiens die Rede. Eine Milliarde Euro stehen für die Verbesserung der Turnhallen und vielleicht sogar für so manchen Neubau zur Verfügung. Sollten den sportlichen Worten auch wirklich Taten folgen, verneige ich mich ganz tief vor so viel Weitsicht, zumal auch die sogenannten &bdquo;Jugendspiele“ wieder forciert werden sollen. Warten wir dennoch ab, was wirklich daraus wird. Aber es ist ein schöner und höchst ehrenwerter Vorsatz. Es gibt genug Studien, die nachweisen, dass körperliche Aktivität das Lernen in allen Altersgruppen positiv beeinflusst. Bewegung optimiert Wachsamkeit, Aufmerksamkeit hilft, Informationen besser zu erfassen. &bdquo;Mens sana in corpore sano“. Das ist die einfache Formel. Das Sprichwort sagt schlicht aus, was fast schon in Vergessenheit geraten ist: Es weist auf die Verbindung zwischen physischer und psychischer Gesundheit hin. So einfach ist das. Dazu braucht es keine Ideologie, sondern schlicht den Hausverstand. Von der Kultur zum Sport Derweil versucht man in Deutschland vor allem mit Worten und weniger mit klaren finanziellen Aussagen, den Sport in den Koalitionsvertag zu integrieren. Schöne Sätze schmücken das Papier. &bdquo;Sport soll Spaß und Lust auf Leistung machen. Er hält gesund, vermittelt Werte und gibt unserer Gesellschaft den nötigen Zusammenhalt“; heißt es. Es gibt sogar erstmals eine Staatsministerin für Sport und Ehrenamt. So bedeutungsschwer war der Sport noch in keiner Regierung verankert. Ungünstig ist bloß, dass Dr. Christiana Schenderlein bislang mit Sport nicht all zu viel am Hut hatte. Sie war Sprecherin für Kultur und Medien der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag. Es ist allerdings eher üblich auch in den meisten Ländern dieser Welt, dem Sport kein eigenes Ministerium zu geben. Dabei böte sich das an. Vereinssport, Schulsport, Gesundheit, Ehrenamt. Es gäbe genug zu tun. In Deutschlands steht das föderale System dem entgegen. Vieles ist Ländersache und diese Unabhängigkeit von Berlin will niemand aufgeben. Aber jetzt wurde der Geldhahn merzmäßig aufgedreht und damit ging die Hoffnung einher, dass in Bälde Schwimmbäder und marode, fast baufällige Turnhallen und Freiluftanlagen renoviert werden. Fehlanzeige. Dafür, so scheint es, ist kein Geld vorhanden und den schwarzen Peter schiebt die Regierung lässig den Ländern zu. Sollen die sich kümmern. Bislang ist das freilich fehlgeschlagen. Die Wasserhähne tropfen, das Unkraut sprießt, die Sprossenwände haben keinen Halt mehr. Bahn, Brücken, Straßen und natürlich das Militär gieren und kämpfen um die Mittel aus dem gigantischen Sondervermögen. Immer nur Olympia Der Sport? Es gibt ihn noch. Aber natürlich den großen Sport, den olympischen, der nach wie vor viele blendet. Im Koalitionsvertrag heißt es da schön formuliert: &bdquo;Wir unterstützen nachdrücklich unter Wahrung der Autonomie des deutschen Sports eine deutsche Bewerbung für die Austragung der Olympischen und Paralympischen Spiele.“ Darüber wurde nicht viel diskutiert. Das bot schon die Ampelregierung an. Und auf diesen Zug springen alle auf. Von Süd nach Nord. In München träumen sie schon von einem neuen Stadtteil, neuen U-Bahnstrecken und was halt so alles dazu gehört. Ungünstig ist nur, dass die Schwimmhalle im denkmalgeschützten Olympiapark nur acht Bahnen hat. 1972 genügte das noch für Mark Spitz. Jetzt schreibt das IOC zehn Bahnen vor. Das nur so nebenbei um deutlich zu machen: So einfach lässt sich Olympia nicht aus der Hand schütteln. Aber die Ringe liefern Popularität und Öffentlichkeit. Markus Söder, der bayerische Ministerpräsident, sieht sie gar als Heiligenschein. Schulsport hingegen bringt keine Schlagzeilen, nur Sorgen. Das weiß er längst. Dabei sind Olympische Spiele, wo auch immer in Deutschland, erst 2036, 2040 oder 2044 möglich. Nicht einmal Söder kann soweit in die Zukunft schauen. Deshalb täte es gut, sich zunächst den Kernaufgeben zu widmen, anstatt sich olympischen Träumereien hinzugeben, die der Jugend von heute nichts bringen. Der Ansatz in Italien ist wegweisend. Allerdings wird er auch dadurch gestützt, dass sich Italien um Olympische Spiele keine Gedanken mehr machen muss. In neun Monaten ist das Thema mit Mailand/Cortina wohl durch für viele, viele Jahre. Gut so. Zum Autor: Sigi Heinrich Der vielfach prämierte Sportjournalist (u.a. Gewinner des Deutschen Fernsehpreises, des Bayerischen Sportpreises und nominiert für den renommierten Grimme-Preis), Buchautor, langjähriger Sportredakteur der Süddeutschen Zeitung und seit 1989 Kommentator bei Eurosport, widmet sich in seiner wöchentlichen Kolumne der gesamten Vielfalt des Sports und wildert auch gerne in fremden Gefilden. Mal mit schmunzelndem Augenzwinkern, mal nachdenklich oder auch bewusst provozierend. Es soll ja für alle etwas dabei sein.

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