Sigi's Spitzen | Eine eisige Überraschung

&bdquo;Wird schon“, denke ich mir, wenn ich so aus meinem Fenster schaue. Blauer Himmel, durchzogen von ein paar Wolken, die aussehen wie flauschige weiße Sofakissen. Und Dr. Google sagt, dass die Temperaturen bald die 20 Grad-Grenze sprengen werden. Es ist also die wohl letzte Gelegenheit, sich schnell noch einmal eisigen Themen zu widmen. Da war nämlich kürzlich eine Weltmeisterschaft, bei der Kanada (wer sonst) wieder Weltmeister wurde. Aber knapp war es. Die deutschen Puck-Jäger leisteten kräftigen Widerstand und wurden doch tatsächlich Vize-Weltmeister, auch wenn das eigentlich kein offizieller Titel ist. Das ist allgemeiner Sprachgebrauch. Silber also für die DEB-Auswahl. Und ein sensationeller dritter Platz für Lettland nach dem Sieg im Spiel um Bronze gegen die USA. Leider gingen diese wie viele andere Meldungen im Dauerregen um Fußballthemen fast unter. Deshalb war es mir ein Bedürfnis, diese Eiszeit noch einmal in Erinnerung zu rufen. Aber damit ist der Winter immerhin endlich abgeschlossen. Soweit ich in die künftigen Termine blicke, wird es schon im Oktober wieder winterlich ernst, wenn die Eiskunstläufer mit ihrer Grand-Prix-Saison beginnen. Eis hilft, den Sommer zu überbrücken Und doch müssen wir nicht darben, denn Eis bleibt uns erhalten. In Kugelform auf Waffeln gedrückt oder mit einem Spachtel in Becher gestrichen. Ein Sommer ohne Eiscreme ist ein verlorener Sommer. Hunderte Varianten gibt es längst. Der Phantasie der Eismacher sind dabei scheinbar keine Grenzen gesetzt, wobei Italiener sicher so laut stöhnen, dass man es vom Brenner bis Neapel hört, wenn in Deutschland Spaghetti-Eis angeboten wird. Mit einer Spätzlepresse oder einer Kartoffelpresse kann man das übrigens auch selbst bewerkstelligen. Normalerweise nimmt man dazu Vanilleeis (mit Bourbon-Vanille aus Madagaskar bitte, die man vor der Benutzung zwölf Stunden mindestens in Milch einlegt), Sahne gehört dazu, Erdbeersauce und weiße Schokolade oder Kokosstreusel. Es soll ja ausschauen wie Spaghetti mit frisch geriebenem Parmesan. Erfunden hat diese Variante Ende der 60er-Jahre in Deutschland vermutlich Dario Fontanella, der in Mannheim eine Eisdiele betreibt und so die Sehnsucht vieler Deutscher nach Italien eisig-süß-cremig stillte. Vor allem in den Touristenhochburgen an der Adria oder am Gardasee gibt es auch im Land der Eiserfinder, von denen die meisten aus Val di Zoldo kommen, Spaghetti-Eis. Gelato für die &bdquo;Piefkes“ halt. Es soll ja aussehen, wie Spaghetti mit frisch geriebenem Parmesan. Doch längst werden auch hier Geschmacksgrenzen gesprengt. Mittlerweile streut man tatsächlich schon richtigen Parmesan über das Eis. Der herzhafte Hartkäse aus dem Piemont soll sich angeblich wunderbar ergänzen mit der fruchtigen Erdbeersauce und dem süßen Milcheis. Trüffel und Blattgold Ich merke, es ist Zeit für einen Selbstversuch. Ein weiteres Experiment werde ich freilich nicht wagen, denn dafür bräuchte man als Zutat nicht nur Mut und Einfallsreichtum, sondern auch ein extrem großzügiges Budget, was das Haushaltsgeld betrifft. &bdquo;Byakuya“ ist der neueste, eisige Schrei, der freilich nicht aus Italien kommt, sondern aus Japan. Die Hauptzutat dafür sind weiße Trüffel, natürlich aus Alba. Für ein Kilogramm dieser Spezialität, die nach wie vor nicht zu züchten ist, sind wohl gut und gerne auch mal 10.000 Euro fällig. Tadayoshi Yamada, in Feinschmeckerkreisen bekannt als Koch für französisch-japanische Fusionsküche, hat sich diese Leckerei einfallen lassen. Natürlich auch mit Parmigiano Reggiano. Er verfeinert das noch mit &bdquo;Sake Geläger“, einem Nebenprodukt bei der Herstellung von Sake, dem japanischen Reiswein. Bis dahin kann ich noch folgen. Natürlich nur, was die Produktion betrifft, freilich schon längst nicht mehr in Bezug auf die Bereitstellung der Ingredienzien. Denn der kulinarische Wahnsinn treibt auch hier noch weitere Blüten. Das Eis, eine Kugel kostet in Japan umgerechnet etwa 6000 Euro, soll mit Blattgold nicht verziert, sondern verzehrt werden. Es versteht sich von selbst, dass es nicht einfach nur auf einer Waffel präsentiert wird. Es kommt in einer kleinen, schwarzen Holzkiste mit einem verzierten Löffel und soll vor dem Genuss etwas weich geworden sein. Dazu gibt es ein Fläschchen Trüffelöl, das über das Eis geträufelt werden soll. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass mir jetzt nicht gerade das Wasser im Munde zusammenläuft. Leider bin ich ein Trüffelfan, ohne allerdings diese Lust befriedigen zu können. Siehe Marktpreise. Einmal freilich durfte ich mich nach Herzenslust austoben. Nach dem Gewinn des Deutschen Fernsehpreises 2008 für die Kommentierung der Olympischen Spiele in Peking lud mich die Chefetage aus Frankreich in ein Nobelrestaurant ein. Und ich durfte nach Herzenslust dem Ober sagen, er könne getrost seinem Trüffelhobel eine Extrarunde gönnen. Es war eine kulinarische Nachspielzeit und es sind die Momente, die unvergessen bleiben. Und weil ich gerade dabei bin, ein paar private Details zu verraten. Meine Lieblingssorten sind Malaga-Eis und Amarena-Eis. Notfalls geht auch Stracciatella-Eis. Auch ein Affogato ist nie zu verschmähen. Damit komme ich prima über den Sommer. Zum Autor: Sigi Heinrich Der vielfach ausgezeichnete Sportjournalist und Eurosport-Kommentator (u.a. Deutscher Fernsehpreis, Bayerischer Sportpreis, Biathlon-Award und World-Sports-Trophy) widmet sich in seiner Kolumne &bdquo;Sigi´s Spitzen“ der gesamten Vielfalt des Sports und wildert auch gerne mal in gar nicht mal so fremden Gefilden. Dabei stets mit schmunzelndem Augenzwinkern, ernst oder auch bewusst provozierend. Es soll ja für alle etwas dabei sein. In seinem Buch &bdquo;Kulinarische Volltreffer“ haben sich die besten Biathleten der Welt mit ihren privaten Rezepten verewigt.

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