Sport konterkariert die Politik

Es ist nichts bekannt von einem etwaigen Telefongespräch zwischen den Präsidenten Vladimir Putin und Thomas Bach. Der eine ist Präsident Russlands, der andere steht der größten sportlichen Institution, dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC), vor. Beide kennen sich soweit ganz gut. Schließlich war Putin Gastgeber der olympischen Sommerspiele in Sotschi 2014. Übrigens der teuersten Spiele, die je organisiert wurden. Bei der Schlussfeier standen beide auch eng zusammen, was durchaus logisch ist. Sie waren einander sehr dankbar. Bach hatte tolle Spiele und Putin die damit verbundene Propaganda, die einmal mehr zeigen sollte, zu welch großartigen Leistungen sein Land in der Lage ist. Gleich nach dem Ende erweiterte Putin sein Land um die Krim, die eigentlich staatsrechtlich zur Ukraine gehört. Noch immer übrigens. Doch im Rausch der Medaillensause vierzehn Tage zuvor hat man damals die Annektierung der Krim lediglich mit lautem politischem Säbelrassen begleitet. Intensive Sanktionen blieben indes aus. Es wurde nicht viel geschossen und Bomben fielen auch nicht. Putin hat sich die Krim relativ einfach einverleibt. Einen Tag nach dem Ende der olympischen Spiele in Sotschi, die augenscheinlich so nebenbei auch ein Ablenkungsmanöver waren. Alle Augen waren ja auf die Rodler, Skifahrer, Biathleten und Eiskunstläufer gerichtet, während wohl nebenbei die Planungen liefen für den Griff nach der Krim.

Zurück zum natürlich möglichen fiktiven Gedankenaustausch zwischen Putin und Bach. Der russische Präsident, dem der Angriffskrieg gegen die Ukraine aus der Kontrolle zu geraten scheint, hat eine Teilmobilmachung bekannt gemacht. Damit, das ist klar, wird jetzt auch im hintersten Sibirien der russischen Bevölkerung deutlich vor Augen geführt, dass ihr Land einen Krieg angezettelt hat. Und im fast gleichen Augenblick gab das IOC bekannt, dass man sich bemühen wolle, die russischen und weißrussischen Sportlerinnen und Sportler wieder in die olympische Familie zurückzuholen. Es sollen Gespräche stattfinden. Der Franzose Michel Vion, ehemaliger Präsident des französischen Skiverbandes und nun neuer Generalsekretär des Internationalen Ski-Verbandes (FIS), hat sich gleich mal ganz weit aus dem Fenster gelehnt. Er würde der Richtung von Bach ganz und gar folgen. Vielleicht, so meinte er im Rahmen einer Veranstaltung in Kranjska Gora (Slowenien) vor Sportjournalisten, könne man das sogar bis zum Dezember realisieren. Immerhin wies er daraufhin, dass die Aktiven aus beiden Ländern ohne deren Insignien starten müssten. Ein entsprechender Vorschlag, so Vion, läge auf dem Tisch. Und dann fügte er noch einen Satz hinzu, der aus der Welt gefallen zu sein scheint: &bdquo;Sport soll unabhängig von der Politik gesehen werden.“ Die Frage nach dieser Aussage darf erlaubt sein: In welcher Welt lebt Vion?

Biathlet Alexander Loginov & Co. dürfen im kommenden Winter nicht starten.

Erst vor ein paar Tagen durfte bei der Ringer-Weltmeisterschaft in Belgrad ein iranischer Ringer nicht gegen einen israelischen Kontrahenten antreten. Sport hat nichts mit Politik zu tun? Es war nicht, wie offiziell bekanntgegeben, zu viel Gewicht des Iraners, sondern eine klare Anweisung aus Teheran, diesen Kampf zu verweigern. Und geht es in allen sportlichen Großveranstaltungen nicht immer auch um den Medaillenspiegel, der, egal aus welcher politischen Umgebung man kommt, die Stärke des Landes dokumentieren soll? Der Sport ist ein Aushängeschild, weshalb sich politische Prominenz auch immer fröhlich gemeinsam versammelt, wenn große Endspiele auf dem Programm stehen. Dann lösen sich die sonst üblichen Spannungen im Blubbern der Sektschalen auf.

Jetzt freilich ist die Aussage des FIS-Generalsekretärs ein fatales Signal. Mehr und mehr Sanktionen gegen Russland und Belarus werden gefordert, nachdem Putin den Krieg noch ausweiten will. Da kann und darf im Gegenzug weder das IOC noch jedwede andere Sportorganisation eine Offensive starten, die die politischen Entscheidungen konterkariert. Das Gegenteil müsste der Fall sein. Mit der Teilmobilmachung, dem klaren Bekenntnis zum Krieg gegen die Ukraine und damit gegen die freie Welt, stellt sich Vladimir Putin ins Abseits. Die Entscheidung im Sport sollte mithin klar sein und leitete sich auch aus den Fußballregeln ab. Wer im Abseits steht, kann kein Tor erzielen und sollte in diesem schwerwiegenden Fall nicht einmal mehr mitspielen dürfen.

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