Usain Bolt und der Gepard

Es ist Zeit für eine kleine Trainingspause und Wettkämpfe oder Entscheidungsspiele gibt es ja auch nicht mehr viele. Die Sonne scheint, viele sagen, es sei sogar schon wieder zu viel des Guten. Wärme ist schön, es muss nicht gleich Hitze sein. Wir suchen Schatten und Abwechslung sowieso und machen einen kleinen Ausflug in den nächsten Zoo, weil ein Flug für unsere Besichtigungstour nicht sonderlich nachhaltig wäre. Wir müssten nämlich nach Afrika, weil der Gepard unser Interesse geweckt hat. Schließlich ist er gerade in aller Munde. Er soll sogar Putins kriegerische Armee stoppen. Das arme Tier.

Die Verteidigungsministerin Deutschlands, Christine Lambrecht, will deshalb jetzt alles wissen über den Gepard und weil sie nicht viel Zeit hat – es tobt ja tatsächlich ein Krieg in der Ukraine – lässt sie sich von einem Bundeswehr-Helikopter in den Tiergarten nach Nürnberg fliegen. Dort hat es sogar schon Gepard-Nachwuchs gegeben. Natürlich lässt sich Frau Lambrecht von ihrem Sohn begleiten. Der ist 21 Jahre alt und kann nicht so lange ohne mütterliche Fürsorge zu Hause bleiben. Er war auch jüngst dabei, als die Mama in der Nähe von Sylt einen Truppenbesuch absolvierte, um danach - ganz privat natürlich - ein paar Fischbrötchen auf Deutschlands Reicheninsel zu verdrücken.

Verteidigungsministerin Christine Lambrecht. © AFP / TOBIAS SCHWARZ

Um es vorwegzunehmen: Die forsche und wissbegierige Ministerin, die bei Besuchen ihrer uniformierten Untergebenen auch gerne in Schuhen mit etwas erhöhtem Absatz einen feinen Gegenpol zu den Knobelbechern bietet, staunt nicht schlecht im Frankenland. Geschmeidig ist er, der Gepard. Sie bekommt als hochrangiges Regierungsmitglied natürlich alle Informationen schriftlich an die Hand und weiß deshalb, dass sie vor dem schnellsten Landtier unserer Erde steht. In einer Computeranimation hat man festgestellt, dass nicht einmal Usain Bolt über 100m eine Chance hätte gegen diese flotte Katze, die fast 100km/h rennen kann. Das zwar nur zwei Sekunden, weil ansonsten nämlich die Manövrierfähigkeit leiden würde, aber immerhin. Puma, Mustang, Leopard & Co. Wendigkeit und Schnelligkeit zeichnen diese elegante Raubkatze aus. Da denkt Christine Lambrecht natürlich sofort an ihr eigenen Geparde, die sie jetzt abgeben müsste. An die Ukraine nämlich. Die vorgesehenen Panzer haben ihren Namen aus dem Tierreich bekommen, was in unserer motorisierten Welt absolut keine Ausnahme ist. Da gibt es den Marder oder Leoparden im Kampfmodus oder einen Jaguar, Puma und natürlich auch einen Mustang im zivilen Autobereich. Es ist festzustellen, dass es stets Geschöpfe sind, die man mit Freiheit, Geschwindigkeit und Abenteuer assoziieren kann.

Lambrecht also ist beeindruckt. Wären wir auch. Doch jetzt ist sie ein wenig bedrückt. Sie rückt nicht gerne raus mir ihren Schätzen, wohl auch, weil ihr Chef, Bundeskanzler Olaf Scholz, in diesem Fall nicht sonderlich zur Eile mahnt. Deutschland hat sich zwar dafür entschieden, schwere Waffen in die Ukraine zu schicken, aber es verstärkt sich der Eindruck, dass man die Lieferung so lange hinauszögern will, bis der Krieg eventuell von alleine zu Ende geht. Das wäre schick und außerdem hilfreich, weil da plötzlich ein Problem aufgetaucht, das mit dem Gepard in Nürnberg nichts zu tun hat, wenn man das überhaupt von einem Tier sagen kann, das in einem Zoo lebt und noch nie in der Savanne gejagt hat. Es gibt kein Futter momentan. Im Fall von Frau Lambrecht heißt das: Die gepanzerten Geparde haben keine Munition. Keine Munition Sie stehen auf dem Feld wie ausgestopfte Fabelwesen und sind nicht in der Lage, ihrer Bestimmung gerecht zu werden. Ganz am Anfang der Angriffe Russlands entsandte Frau Lambrecht oder ihr Ministerium Helme in die Ukraine. Es hätten auch Filzhüte sein können. Helme gegen Raketen. Und sinnentleere Panzer. Angeblich hat die Schweiz Munition. Sie freut sich, dass Deutschland diese auch gekauft hat, verbietet aber deren Benutzung und beruft sich dabei auf die eidgenössische &bdquo;Kriegsmaterialverordnung“, die besagt, dass Waffen oder Munitionslieferungen an Kriegsparteien verboten sind. Das ist ungefähr so, als würde man den Geparden in Nürnberg ihr Futter an einer langen Schnur baumelnd vor die Nase halten. Und wenn sie dann zubeißen, zieht man kurz an der Leine.

Fütterung an Wildtiere verboten wäre dafür die Schweizer Verordnung. Man verkauft Dinge, die nicht benutzt werden dürfen. Der Krieg in der Ukraine deckt schonungslos Schwachstellen in Europa auf. Nicht nur in Deutschland, wo die dritte Verteidigungsministerin in Folge vor einem Scherbenhaufen steht. Mangelverwaltung heißt das Zauberwort, weshalb es Christine Lambrecht natürlich sehr schmerzt, dass sie diese wunderbaren Geparde abgeben soll. Sie weiß natürlich, dass sie damit für immer verloren sind. Im besten Fall bekommt sie ihre Lieblinge als Schrotthaufen zurück. Belastung für die Ampelregierung Sehnsuchtsvoll schaut sie deshalb im Tiergarten dem zuckenden Muskelspiel dieser faszinierenden Katzen zu, während sie gerade ihre Muskeln nicht spielen lassen kann. Sie ist kraftlos und bedauerlicherweise auch instinktlos zuletzt vorgegangen und wird so mehr und mehr zur Belastung für die Ampelregierung in Deutschland, deren Lichtspiele zuletzt kaum noch nachvollziehbar sind. Rot, Grün oder doch Gelb und warten auf den nächsten Geistesblitz? Nicht nur die Menschen in Deutschland sind verunsichert, auch jene in der Ukraine, die sich Hilfe erwarten. Immerhin ist es tröstlich, dass die Chefin der Bundeswehr jetzt mehr weiß über den Gepard als noch vor dem Krieg. Aber in diesem Fall ist Wissen einmal ausnahmsweise keine Macht.

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