Volle Stadien und Gottschalk geduscht

Wenn das keine Erfolgsmeldungen sind: Mit einem schön herausgespielten Sieg gegen den SC Freiburg festigt der FC Bayern München seinen ersten Platz in der Bundesliga und darf sich noch tierisch freuen, dass einer der vermeintlichen Verfolger, nämlich Borussia Dortmund, in Leipzig verliert. Vor allem, weil sich die Mannschaft um Marco Reus in der eigenen, neuen Fünferabwehrkette selbst gefangen hat. Das hat für ordentlich Rumms gesorgt in Dortmund. Von Marco zu Marco praktisch, denn Reus kritisierte in noch nie dagewesener Form seinen Trainer Rose. Im Grunde warf er ihm komplettes taktisches Versagen vor. Den Münchnern kann das egal sein. Sie erleben, wie sich die Konkurrenz immer wieder selbst besiegt und Punkte verliert, wie auch Leverkusen wieder mit dem Unentschieden bei Hertha BSC Berlin. Hochstimmung also herrscht in der bayerischen Landeshauptstadt.

Jubel, Trubel, Heiterkeit und erstmals war seit langer Zeit die Allianz-Arena wieder prall gefüllt mit 73.000 Zuschauern. Da passte keine Maus mehr zwischen die Fans, die dichtgedrängt den Triumph ihres Teams bejubelten. Dicht gedrängt. Das will ich noch einmal wiederholen, da in Bayern nämlich gerade der höchste Inzidenzwert vorliegt, im Vergleich zu anderen Bundesländern in Deutschland. Nicht nur der FC Bayern führt, auch viele bayerische Kommunen nehmen gerade Spitzenpositionen ein, was die Inzidenzwerte betrifft. Und in den Krankenhäusern werden die Intensivbetten knapp. Ach ja, die Schulkinder müssen wieder Masken tragen. In Bayern sind immer noch ein Drittel aller Einwohner ungeimpft.

Die Allianz Arena war am Samstag erstmals wieder prall gefüllt mit 73.000 Zuschauern. © ANSA / PHILIPP GUELLAND

Und der Ball rollt fröhlich vor vollem Haus. Ich glaube nicht, dass man das noch in irgendeiner Form verstehen kann und schon gar nicht kann man es goutieren oder lässig übergehen. Es ist schlichtweg eine Schande, wie wenig Verantwortungsbewusstsein der Fußball weiterhin aufbringt im Kampf gegen Corona. Jeder Fan zählt. Die Kassen müssen gefüllt werden. Koste es, was es wolle. In diesem Fall die Gesundheit der Gesellschaft. Das ist Egoismus in reinster Form. Klar wird darauf hingewiesen, dass alle Fans entweder geimpft, genesen oder getestet waren. 73.000. Wer hat das alles in sorgfältigster Form geprüft? Verbaler Ausrutscher von Gottschalk Aber es ist ja leider mittlerweile auch so, dass man sich ungestraft lustig machen kann über die 3G-Regel. Zum Beispiel Thomas Gottschalk. Er hatte eine tolle Einschaltquote bei seiner Sendung nach zehnjähriger Pause. Das sei ihm gegönnt, und er hat auch schöne Kritiken bekommen, weil er halt lässig mit Stars umgehen kann. Und weil er weiß, was man von ihm erwartet, hat er vor 14 Millionen Zuschauern an den Fernsehschirmen erklärt, dass alle Mitwirkenden an der Sendung entweder geimpft, genesen oder getestet sind. Und er hat, so Originalton Gottschalk, sogar 4G, will heißen: geduscht. Ist das angesichts der weiterhin von Corona bedrohten Menschen, angesichts immer neuer Todesfälle im Zusammenhang mit Corona, nicht ein toller Schenkelklatscher? So ein Spaß, so ein bisschen Corona. Fehlte nur noch der Hinweis auf sein Duschgel.

Und die Halle in Nürnberg war natürlich auch voll. Dicht gedrängt. Abstand zwischen den Zuschauern: Fehlanzeige. Anstand gegenüber denen, die das Cocid-19-Virus erwischt hat, auch. Appelle hätte ich mir an dieser Stelle vom so unglaublich launigen Altmeister der Entertainer erwartet. Hinweise, sich impfen zu lassen zum Beispiel, anstatt sich lustig zu machen über Regeln, die ja nur deshalb so intensiv sind, weil die Durchimpfung schwach ist. Diejenigen, die meinungsstark sind, weil man ihnen zuhört, versagen auf der ganzen Linie. Diejenigen, die Massen begeistern können wie Gottschalk oder natürlich auch der FC Bayern München, geben ein Bild des Jammers ab. Über eine Fortsetzung der Sendung &bdquo;Wetten, dass…? “ wird natürlich diskutiert. Und auf den nächsten Erfolg der Münchner Kicker wartet man voller Sehnsucht. Pyrrhussiege überall Aber es sind Pyrrhussiege, die da erzielt werden. Auf der Showbühne und im Fußballstadion. Es ist eine fatale Mentalität, die durchaus so aussieht: Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen. Je angeblich bedeutender eine Veranstaltung ist, umso größer ist der Spielraum, der gewährt wird. Derweil geht die Angst um in den Schulen, in den Kitas und überhaupt im öffentlichen Raum, denn eines scheint wohl nicht von der Hand zu weisen zu sein: Es sind die gewaltigen Menschenansammlungen, die letztlich immer auch dazu beitragen, dass die Versuche, das Virus in den Griff zu bekommen, scheitern. Und Testen ist letztlich ja auch keine Lösung, denn die Ansteckungsgefahr wird dadurch nicht verringert. Es ist nur eine zeitlich sehr eingegrenzte Beruhigung einer persönlichen Lage, aber es ist kein Fortschritt. Würde sich jetzt einer wie Joshua Kimmich, der Mittelfeldspieler des FC Bayern, impfen lassen entgegen seiner bisherigen Aussagen: Er könnte ein Held werden. Und das Stadion nur zur Hälfte belegen, wäre eine durchaus angenehme, begleitende Maßnahme. Aber so weit wird es, denke ich, nicht kommen. Jetzt wähnt man sich nämlich schon in der Normalität. Und das ist der größte Trugschluss dieser Tage.

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Volle Stadien und Gottschalk geduscht

Vor 14 Millionen Zuschauern an den Fernsehgeräten macht sich Thomas Gottschalk lustig über die 3G-Regeln. Unser Kolumnist Sigi Heinrich appelliert an die Verantwortung all jener, deren Meinung in der Öffentlichkeit gehört wird.

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