Aufschlag für Zverev und Sinner

Es ist, zugegeben, schon ziemlich lange her. Ein Klassenkamerad, der später wie ich auch Sport studierte an der TU München und sogar eine Skischule gründete, war Mitglied in einem Tennisclub. Respektive seine Eltern waren das. Sie waren, wie man das nannte, betucht. Und einmal nahm er mich mit.

Vom Turnen hatte ich ja eine weiße Turnhose und ein Unterhemd, natürlich weiß und schon war ich perfekt gekleidet für den damals noch wirklich weißen Sport. Es war natürlich eine riesige Ehre für mich, dort auf dem roten Sand zu stehen, denn als Bauernbub war mir der Eintritt in diese elitäre Gesellschaft normalerweise nicht möglich. Ich kam sozusagen durch die Hintertür, habe aber doch gelernt, dass es so falsch nicht sein kann, wenn man über gute Kontakte verfügt.

Ob ich den Filzball gut oder nicht so gut getroffen habe, entzieht sich meiner Erinnerung. Es war ja außerdem ein Schläger meines Schulfreundes, denn ich hatte natürlich keinen. Später habe ich regelmäßig gespielt und Tennis ist dann ja auch gar nicht mehr so speziell gewesen. Es ist ein Volkssport geworden dank Boris Becker und Steffi Graf. Und auch die mediale Aufmerksamkeit ist stetig größer geworden. Fußball hatte mit einem Mal eine kleine Konkurrenz erhalten. Wimbledon und Roland Garros waren keine Fremdwörter mehr. Und als Graf dann 1988 nach vier Siegen bei allen Grand-Slam-Turnieren auch noch Olympiasiegerin in Seoul wurde, war Tennis endgültig angekommen. Dem Nachwuchs ein Vorbild sein Es ist aber auch deutlich geworden, dass es eben solche Vorzeigesportler braucht, um eine Sportart nach vorne zu bringen und um den Nachwuchs auch anzusprechen und zu motivieren. Ich denke da auch an Jannik Sinner aus Sexten, der Menschen vor die Fernsehgeräte lockt, die vor seiner Zeit nie Tennis geschaut haben. Ich habe das selbst bei einem Besuch in Südtirol erlebt, als in einer ehemaligen Buschenschenke, die mir ein Freund zeigte, die Gastgeber meinten, dass sie normalerweise Sport im Fernsehen nicht schauen. Traumschiff ja, aber Tennis eigentlich nicht. Eigentlich. Denn da kam der Gastgeber, rüstige 80 Jahre alt, auf eben Sinner zu sprechen. Jannik Sinner hat den Sprung in die Elite geschafft. © APA/afp / MARTIN KEEP

Und da glänzten seine Augen. Jetzt, so sein Credo, habe sich das natürlich geändert. Sinner schaut er sich an, so wie wir in Deutschland damals keine Sekunde von Becker versäumten und seinen Duellen mit Ivan Lendl oder Stefan Edberg. Wenn Steffi Graf ihre tolle Vorhand und ihren unnachahmlichen Rückhand-Slice gegen Gabriella Sabatini zum Einsatz brachte, waren wir dabei. Als beide dann auch noch ein Doppel bildeten und Wimbledon gewannen, war das ein unvergessliches Erlebnis vor dem Fernsehapparat, der sich noch aus Röhren speiste. Jetzt sind die Bildschirme riesengroß aber Tennis ist wieder kleiner geworden.

Nicht in Südtirol natürlich, denn Jannik Sinner macht ja weiterhin eine gute Figur, ist in der Weltrangliste auf Position zehn und hat sein Erstrundenmatch bereits gewonnen, wobei er mittlerweile kritischer betrachtet wird, als noch vor einem Jahr. Damals sind Siege vorbehaltlos bejubelt worden. Jetzt heißt es schon, dass er nur das Nötigste getan habe, um zu siegen. Mit den Erfolgen steigen auch die Erwartungen. Vielleicht ist es sogar ein Glück für Sinner, dass aus Italien noch Matteo Berrettini erfolgversprechend dabei ist. Er rangiert sogar drei Plätze in der Weltrangliste vor Sinner. Zverev allein auf weiter Flur So muss der Pustertaler nicht alleine die Fahne seines Landes hochhalten, wie etwa Alexander Zverev, der als einziger Deutscher noch in Australien dabei ist. Zwölf insgesamt waren angetreten. Neun Herren, drei Damen, elf sind jetzt schon ausgeschieden. Sogar die ehemalige Australien-Siegerin Angelique Kerber verlor sang und klanglos ihr erstes Spiel. Eine derartige Schlappe hat das deutsche Tennis in der Geschichte dieses Grand-Slam-Turnieres noch nie erlitten. Die große Tennisnation Deutschland mit ihren großen Namen wie Gottfried von Cramm, Wilhelm Bungert, Carl-Uwe Steeb, Michael Stich oder Hans-Jürgen Pohmann, um neben Boris Becker nur einige zu nennen, ist nur noch Zuschauer im großen weißen Sport. Und einer wie Sinner ist nicht in Sicht. Es gibt nur noch Alexander Zverev. Kämpft sich in Australien alleine durch: Alexander Zverev. © APA/afp / MARTIN KEEP

Von einer breiten Basis ist man weit entfernt und so besteht die Gefahr weiterhin, dass Tennisplätze zu Beach-Volleyballfeldern umgebaut werden, wie das jüngst in Mode gekommen ist. Ich werde dennoch in diesem Jahr meinen alten Schläger noch einmal neu bespannen lassen und ich werde mir auch eine Packung Bälle kaufen. Und einen Mitspieler, der mir hoffentlich ein bisschen Luft lässt, habe ich auch schon gefunden, denn das ist ja die Krux an diesem Sport. Man braucht einen Kumpel, der in etwa das gleiche Niveau besitzt, wie immer das auch sein mag. Nur dann macht Tennis Spaß. Beiden. Und wenn ich jetzt so nachdenke, muss ich zu meinem Bedauern feststellen, dass ich wohl damals bei meinem ersten Kontakt mit diesem Sport eher kein gleichwertiger Gegner für meinen Schulfreund war. Aber ein Erlebnis war es trotzdem. Zumindest für mich.

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